Frau Stauber hat Recht. Wie man heutzutage mit Personen des öffentlichen Lebens umspringt, ist unverschämt, ist eine unwürdige Verrohung von Sitte, Kultur, Sprache und Anstand. Kritik kann man auch sehr hart und präzise und dennoch sachlich in normaler, höflicher Sprache äußern.
Aber in Hinblick auf die Sachlage frage ich mich, ob Frau Stauber das „Gschmäckle“ in der Causa Baerbock verstanden hat, ob ihr die Affäre um Ronald Pofalla noch etwas sagt oder ob sie den Gefallen, den Gerhard Schröder mit seinem Einstieg bei Gazprom nach seiner Kanzlerschaft der Demokratie getan hat, richtig einzuschätzen weiß?
Irgendeine andere Mutter im Alter von Frau Baerbock mit zwei kleinen Kindern, die trotz engagiertem Arbeitseinsatz ihren Job verliert, geht mit wenig Aussicht auf das Erlangen eines vergleichbaren Jobs zur Arbeitsagentur. Sozialer Abstieg, finanzielle Probleme sind absehbar. Eine ehemalige Ministerin, mit finanzieller Absicherung versehen, nutzt ihre internationalen diplomatischen Verbindungen und macht möglicherweise nahtlos Karriere bei der UNO.
Fragt sich da noch jemand, warum populistische Parteien immer stärker werden?
Die eindeutige Überschrift spricht für eine, wenn auch zum Teil differenzierende ideologische Sichtweise zugunsten der feministischen Außenministerin. Als Ziel dieses offensiven Artikels dient der Diplomat Heusgen, obwohl die Überschrift eher auf die sozialen Medien zielen sollte.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Baerbock eine Diplomatin verdrängt, die ihre Fähigkeit als Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes und als Generalsekretärin der OSZE bewiesen hat, auch für Joschka Fischer war sie tätig, sind die pointierten Aussagen von Heusgen verständlich.
Von Baerbock sind keine besonderen Verdienste bekannt. Ihre diplomatische Kompetenz hat jedenfalls nicht dazu beigetragen, dass sie eine besondere Stellung in der globalen Diplomatie eingenommen hat. An einer Stelle zu stehen, die anspruchsvoll war, ist noch kein Verdienst, es sei denn Frau Baerbock hätte besondere diplomatische Ergebnisse erzielt. Bekannt sind allerdings ihr undiplomatisch verbreiteter feministischer Politikstil, ihre zum Teil befremdlichen Versprecher und ihre Vorliebe für vorteilhafte Bilder. Vermutlich wäre sie mit dieser Bilanz und ohne UN-Nominierung, ohne große öffentliche Aufmerksamkeit abgetreten.
Nicht ganz ausgeschlossen ist, dass die Versorgungsaktion „Abendrot“ und eine Absprache bei den Koalitionsverhandlungen ihr ein Jahr New York ermöglichen. Der Vorsitz in der UN-Vollversammlung, die immer wieder einseitig Stellung gegen Israel bezieht, erfordert gerade in dem Konflikt Israels mit der Hamas und dem Iran besondere diplomatische Fähigkeit, die Herr Heusgen bei ihr vermisst. Ihre Haltung in der Vollversammlung zu Israels Kampf gegen den Terror war nicht eindeutig und damit wurde auch die Haltung Deutschlands gegenüber Israel fraglich. Sind das gute Voraussetzungen für eine Führungsrolle in einem schwierigen Gremium?
rigitta Stauber liegt in ihrer Einschätzung über die diplomatischen Fähigkeiten von Frau Baerbock vollkommen daneben. Sie bewertet eine dreijährige Ausbildung als Außenministerin höher als die 20-jährige diplomatische Erfahrung einer Frau Schmid, die nicht umsonst bereits als Präsidentin vom Kabinett nominiert war. Den Posten als Außenministerin als den schwierigsten Job in der Regierung zu bezeichnen, überrascht doch und unterstellt einem der erfahrensten Diplomaten, Herr Heusgen, Frau Baerbock zu diffamieren.
Es ist festzuhalten, dass die Einschätzung von Herrn Heusgen keineswegs alleine dasteht (siehe Kommentar im Spiegel). Frau Stauber hat offensichtlich übersehen, dass Frau Baerbock einen neuen Job in ihrer Partei abgelehnt hat, mit der Begründung, mehr Zeit für ihre Familie zu haben.
Nun strebt sie also einen Auslandsjob an. Welch‘ eine Heuchelei. Es ist kaum anzunehmen, dass sie hier, mit ihrer feministischen Berufseinstellung, Erfolg haben dürfte, genau so wenig wie als Außenministerin.
Leserbriefe
- Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion.
- Ein Recht auf Veröffentlichung gibt es nicht. Die Redaktion behält sich sinnwahrende Kürzungen vor.
- Anonyme Zuschriften veröffentlichen wir ebenso nicht wie solche mit beleidigenden und ehrverletzenden Äußerungen.
- Teilen Sie uns immer Ihre komplette Anschrift mit, veröffentlicht wird nur Ihr Name mit Wohnort.
- Wir behalten uns vor, Leserbriefe auch in unseren digitalen Angeboten zu veröffentlichen.
Leserbriefe erreichen uns:
- per E-Mail-Kontaktformular
- postalisch: Leserforum/Leserbriefe, Mannheimer Morgen, Redaktion Postfach 10 21 64, 68021 Mannheim