Heimat

Heimat ist Identität

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Heimat - das sind Freunde gleichermaßen wie ein vertrautes örtliches Umfeld. © SYDA PRODUCTIONS

Experteninterview: Alle haben eine Heimat, doch für jeden hat sie eine andere Bedeutung. Im Interview erklärt die Psychologin Beate Mitzscherlich, warum ein Heimatgefühl wichtig für Menschen ist und warum sich manche dennoch bewusst gegen ihre Heimat entscheiden.

Heimat sei kein Ort, sondern ein Gefühl, heißt es immer wieder, wenn Menschen über "ihre Heimat" berichten. Auch wenn jeder Mensch dieses Gefühl kennt, hat jeder eine andere Beziehung dazu: Manche Menschen bleiben ihr Leben lang einem Ort treu und andere wiederum kommen nur noch zum Besuch in die alte Heimat oder finden sogar an einem anderen Ort eine neue. Im Interview erklärt die Psychologin Beate Mitzscherlich, aus welchen Faktoren ein Heimatgefühl besteht, und warum es von manchen Menschen stärker bewertet wird als bei anderen. Außerdem verrät die Professorin der Westsächsischen Hochschule Zwickau, ob auch virtuelle Welten eine Chance haben, zur Heimat zu werden.

Frau Prof. Mitzscherlich, wie lässt sich der Begriff "Heimat" aus psychologischer Sicht beschreiben?

Beate Mitzscherlich: Aus wissenschaftlicher Sicht ist Heimat ein Konstrukt, das sich aus den Faktoren Sicherheit, soziale Einbindung und Entwicklungsmöglichkeiten zusammensetzt. In der Summe sorgen diese dafür, dass uns ein bestimmter Ort vertraut ist und dass wir uns dort selbstbewusst bewegen können. Diese Wichtigkeit der einzelnen Faktoren wird jedoch von jedem Menschen unterschiedlich bewertet.

An welchen Stellen zeigen sich diese Faktoren?

Mitzscherlich: Zum einen ist Heimat ein Ort, an dem ich jede Hausecke kenne und persönliche Erinnerungen mit bestimmten Orten verbinde. Es sind oft Kleinigkeiten, die eine starke emotionale Verbindung herstellen. Zum anderen ist Heimat dort, wo ein kleiner Kreis von Menschen lebt, der eine entscheidende Bedeutung für mein Leben hat. Die Beziehungen zu diesen Menschen zeichnen sich dadurch aus, dass sie wechselseitig und von starkem Vertrauen geprägt sind. In einer Untersuchung haben Jugendliche bestätigt, dass die Anzahl dieser zentralen Menschen immer sehr gering ist, auch wenn sie sonst eine Vielzahl von sozialen Kontakten pflegen.

Kann ein Mensch auch mehrere Heimaten haben?

Mitzscherlich: Ja, das ist möglich. Zwar werden wir in der Kindheit durch unser Umfeld stark geprägt, aber wir können auch im Lauf des Lebens noch eine Beziehung zu einem anderen Ort aufbauen. Damit ein neuer Ort zur Heimat wird, sind jedoch in der Regel viele Jahre notwendig. Heimat bedeutet auch, Verantwortung für einen Ort zu übernehmen und Fußspuren zu hinterlassen, zum Beispiel indem man Vereinen beitritt oder sich ehrenamtlich engagiert.

Wer seine Heimat verlässt, verspürt mitunter Heimweh. Wie lässt sich dieses Gefühl erklären?

Mitzscherlich: Heimweh ist die Kehrseite der Bindung an die Heimat. Daran lässt sich die emotionale Nähe zu seinem vertrauten Umfeld ablesen. Es ist empirisch belegt, dass es für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern förderlich ist, Heimweh zu erleben, auch wenn das Gefühl als unangenehm empfunden wird. Heimat ist Teil der eigenen Identität und daher ist es gut, wenn man sich dieser bewusst ist. In diesem Zusammenhang passt von Theodor Fontane der Satz: "Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat besitzen."

In der modernen Arbeitswelt wird die Bereitschaft, den Ort zu wechseln, immer wichtiger. Welchen Stellenwert hat Heimat vor diesem Hintergrund?

Mitzscherlich: Gerade in unsicheren Zeiten, wie wir sie momentan erleben, ist die Besinnung auf die eigene Heimat für Menschen wichtig, da sie Stabilität und Verlässlichkeit verspricht. Jedoch treten gerade in diesem Punkt die individuellen Unterschiede in der Bewertung der eigenen Heimat besonders zutage: So findet man es immer wieder, dass Menschen ihrer Heimat ein Leben lang treu bleiben, obwohl sie dort schlechte Jobaussichten haben. Andere Menschen hingegen haben weniger Probleme damit, den Ort für einen Job zu wechseln. Diese Bereitschaft nimmt jedoch sehr stark ab, wenn Menschen Kinder bekommen. Dann werden sie in der Regel sesshaft, um ihrem Nachwuchs den Aufbau einer eigenen Heimat zu ermöglichen.

Definieren Menschen, die in der Stadt leben, Heimat anders als Menschen, die auf dem Land leben?

Mitzscherlich: Im Grunde ist es für beide Gruppen gleich, denn Städter erschaffen sich ihr eigenes Dorf in der Stadt. In einer Studie wurde nachgewiesen, dass Menschen in der Stadt hauptsächlich in ihrem eigenen Kiez bleiben, wo sie ihren Bäcker und Friseur haben und Menschen auf der Straße wiedererkennen.

Ist die Tatsache, dass man Menschen auf der Straße wiedererkennt, auch ein Kennzeichen von "Heimat"?

Mitzscherlich: Das kann ein Aspekt von Heimat sein, reicht aber zur Erklärung alleine nicht aus. Nur weil man von Menschen auf der Straße erkannt wird, bedeutet dass nicht, dass man diese Begegnungen als positiv wahrnimmt. Wenn man mit seinem Lebensmodell nicht zu seinem Umfeld passt, entsteht daraus ein sozialer Druck, der als unangenehm empfunden wird. Das kann zum Beispiel dazu führen, dass Menschen aus ihrem Dorf wegziehen und sich für die größere Anonymität der Großstadt entscheiden.

Können in Zeiten der globalen Vernetzung auch virtuelle Welten zu Heimaten werden?

Mitzscherlich: Dies kann bis zu einem gewissen Grad der Fall sein, weil soziale Beziehungen einen großen Anteil an der Entstehung einer Heimat haben. Diese zwischenmenschlichen Beziehungen können auch mittels digitaler Kommunikation gepflegt werden. Nach einer längeren Zeit fehlt jedoch die physische Komponente, die wir Menschen als körperliche Wesen immer brauchen, um Vertrautheit zu empfinden.

Was ich vermissen würde...

Stefan Fuchs, Vorsitzender des Vorstands der Fuchs Petrolub SE

"Mannheim ist eine bunte und tolerante Stadt mit einem vielfältigen Kultur- und Freizeitangebot, großer Wirtschaftskraft und toller Lage. Wenn ich für längere Zeit fortmüsste, würde ich diese hohe Lebensqualität, die tollen Restaurant- und Ausgehmöglichkeiten und vor allem die bodenständige und offene Art der Mannheimer sehr vermissen."

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