Herzogenaurach. So ein Fototermin kann den Frohsinn steigern. Zumindest bei den deutschen Fußballerinnen, die in Herzogenaurach für die WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) fast schon demonstrativ gute Laune verbreiten: Bis sich alle 29 Spielerinnen mitsamt den Trainerinnen und Trainern zum Teamfoto aufgestellt hatten, wurden Grimassen gezogen oder Tänze geprobt.
Mittendrin mal wieder Laura Freigang: Die Offensivspielerin von Eintracht Frankfurt geht gerne beim Herumalbern voran. Wie sie sich fühlen wird, wenn nach der Generalprobe am Freitag (20.30 Uhr/live in der ARD) in Fürth gegen Sambia der endgültige WM-Kader benannt wird, weiß sie aber nicht. Die 25-Jährige bereitet sich jedoch vor: „Das Allerschlimmste was passieren könnte, wäre ja, dass ich nicht zu dem Turnier fahre. Aber das ist immer noch kein Weltuntergang.“
Anspannung steigt bei DFB-Frauen auch im Training
Wie Co-Trainerin Britta Carlson nun bestätigte, ist immer noch nicht entschieden, ob neben den 23 WM-Spielerinnen nicht noch ein oder zwei Akteure als Backup mitreisen. Nachnominierungen gelten wegen des Jetlags als problematisch. Dieser Entschluss hänge „auch davon ab, wie fit der Kader ist, den wir nominieren - falls man eventuell noch Verletzungen hat, die man nicht so einordnen kann“.
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg sieht den bevorstehenden Ausleseprozess allein deshalb als Herausforderung an, „weil wir so viel Qualität haben“. Man würde im Trainingslager merken, „dass einige vielleicht nicht so locker sind“. Auch Carlson hat „in der Nominierungswoche“ ansteigende Spannung beobachtet.
Es drohen prominente Härtefälle. Auf der Streichliste könnten auch EM-Heldinnen auftauchen. Mit Tabea Sellner - besser unter ihrem Geburtsnamen Waßmuth bekannt - oder Lena Lattwein müssen zwei im Finale gegen England eingesetzte Spielerinnen ernsthaft zittern. Beide gehörten beim VfL Wolfsburg oft nicht zur Stammbesetzung. „Ich habe ein gutes Gefühl, aber niemand kann sich sicher sein“, gab Lattwein zu. Auf ihrer Position im zentralen Mittelfeld ist Melanie Leupolz nach der Geburt ihres Sohnes zurückgekehrt.
Sjoeke Nüsken diesmal gesetzt
Obgleich der DFB bereits vieles für die Kindesbetreuung in Australien mit einer eigenen Nanny in die Wege geleitet hat, ist aber auch nicht sicher, ob die einzige Mutter wirklich am Dienstag in den Flieger nach Sydney steigt. Gesetzt wie vor der WM 2019 ist die Stammkraft vom FC Chelsea nicht mehr.
Andere haben in der Zwischenzeit aufgeholt: Sjoeke Nüsken muss diesmal etwa nicht befürchten, wie vor der EM kurzfristig gestrichen zu werden: Die zum FC Chelsea wechselnde Allrounderin ist für die WM fest in der Innenverteidigung eingeplant.
Konkurrenzkampf beeinflusst Teamspirit nicht
Manche Personalie im Casting-Prozess wird ein Abwägen: Die derzeit unter muskulären Problemen leidende Paulina Krumbiegel von der TSG Hoffenheim gilt eigentlich als Wackelkandidatin, fiel beim 2:1 im Test gegen Vietnam aber mit einem Hackentor und viel Dynamik auf der linken Seite auf.
Angeblich schmälert der Konkurrenzkampf nicht den Teamspirit. Die ins Nationalteam zurückgekehrte Carolin Simon stellte fest: „Wir haben wenige Egos. Es ist keine Negativität zu spüren.“ Die Linksverteidigerin von Bayern München könnte am Ende davon profitieren, dass auf ihrer Position kein Überangebot besteht.
Vermutet wird, dass die Hoffenheimerin Sarai Linder und die Wolfsburgerin Chantal Hagel durch das Sieb rauschen. Auch Janina Minge vom SC Freiburg dürfte es trotz ihrer Beförderung nach der ersten Maßnahme schwer haben.
Birgit Prinz als wichtige Ansprechpartnerin
Offen ist auch, wer hinter Merle Frohms und Ann-Katrin Berger als dritte Torhüterin mitkommt: Stina Johannes von Eintracht Frankfurt oder Ena Mahmutovic vom MSV Duisburg. Hier dürften am Ende die Einschätzungen des erfahrenen Torwarttrainers Michael Fuchs zählen. Die talentierte Mahmutovic wäre mit 19 Jahren die Jüngste der Reisegruppe.
Vor vier Jahren in Frankreich hatte Lena Oberdorf mit gerade einmal 17 Jahren Birgit Prinz als jüngste deutsche WM-Spielerin abgelöst. Als Teampsychologin kümmert sich die Rekordspielerin inzwischen um alle, die mit dem Druck nicht klarkommen. Die 45-Jährige sei eine wichtige Ansprechpartnerin für Spielerinnen, „die mal ein, zwei Tage neben der Spur laufen“, verriet Carlson. Nur gute Laune herrscht am Stammsitz des DFB-Ausrüsters dann offenbar doch nicht.
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