Olympia

Wie es Newcomer Klemet gelang, Silber aus der Seine zu fischen

Der eigentliche deutsche Medaillenkandidat im olympischen Freiwasserrennen über zehn Kilometer hieß Florian Wellbrock. Doch Edelmetall gab es am Ende nur für Oliver Klemet. Auch weil er in der heftigen Strömung clever agierte

Von 
Andreas Kornes
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Sorgte für eine positive Überraschung: Der erst 22 Jahre alte Oliver Klemet gewann im Freiwasserschwimmen die Silbermedaille. © Michael Kappeler/dpa

Wortlos, den Blick starr auf den Boden gerichtet, ging Florian Wellbrock zügigen Schrittes an den Kameras und Mikrofonen vorbei durch die Mixed-Zone. Wie schon nach den Beckenwettbewerben, als er über 800 und 1500 Meter das Finale verpasst hatte, wollte er sich nicht äußern. Im Freiwasserrennen über zehn Kilometer war er gerade als Achter ins Ziel gekommen. In Tokio hatte er über diese Distanz noch Gold gewonnen.

Umso auskunftsfreudiger präsentierte sich sein Mannschaftskollege Oliver Klemet. Immerhin hatte der gerade für eine der größeren Überraschungen in der jüngeren deutschen Schwimmgeschichte gesorgt. In einer Art Ausscheidungsrennen war er als Einziger bis zum Ende dem überragenden Ungarn Kristof Rasovszky auf den Fersen geblieben. Nur den Schlussspurt des neuen Olympiasiegers hatte er nicht mehr kontern können. Hinter dem Duo holte mit David Betlehem ein zweiter Ungar Bronze.

Strömung lässt auch die Männer nah ans Ufer schwimmen

Für Klemet ging ein Traum in Erfüllung. „Das ist der größte Wettkampf im Schwimmsport“, sagte er. Dass er dort Silber gewonnen habe, werde er wohl erst in ein paar Tage verdaut haben. „Ich bin überglücklich und hätte es mir nicht besser erträumen können.“

Von Anfang an hatte sich Klemet in der Spitzengruppe aufgehalten. Ebenso wie Wellbrock, der über zwei Drittel der Strecke einen starken Eindruck hinterließ. In Tokio war er ungefährdet zu Gold geschwommen, in der Seine kam nun aber mit der Strömung ein neues Element hinzu, das eine andere Rennstrategie erforderte. Wie tags zuvor bei den Frauen quetschten sich die Schwimmer möglichst nah an die Ufermauer, wo die Strömung am geringsten war. Sechs Runden galt es zu absolvieren, etwa die Hälfte der Strecke musste gegen die Wassermassen der Seine angeschwommen werden.

Rasovszky zu stark, Klemet im Stile eines Radfahrers

Bundestrainer Bernd Berkhahn hatte nach dem Frauenrennen am Vortag die Physik bemüht, um die Gemüter zu beruhigen. Der Kraftaufwand sei der gleiche, nur das Tempo unterscheide sich eben. Mental müsse man sich das klarmachen und nicht versuchen, gegen die Strömung einen besonderen Aufwand zu betreiben.

Rasovszky wirkte vom ersten Meter so, als habe er weder mental noch körperlich Probleme mit der Situation. Ab der zweiten Runde setzte er sich an die Spitze und schwamm unwiderstehlich der Goldmedaille entgegen. Jegliche Angriffe konterte er souverän. Klemet dagegen zeigte ein strategisch kluges Rennen, sparte Energie, indem er sich im Sog des Führenden hielt - ähnlich dem Windschatten beim Radfahren.

Nur Klemet kann Rasovszky bis zum Schluss Paroli bieten

„Meine Taktik war, immer vorn dabei zu sein“, sagte Klemet. Nach der ersten Verpflegung habe ihn sein Trainer angebrüllt, „weil ich noch ein bisschen zu weit hinten war“. Die Kurskorrektur zeigte Wirkung. An der Spitze erhöhte Rasovszky das Tempo. Auf der letzten Runde musste Wellbrock dann abreißen lassen. Nur Klemet ließ sich nicht abschütteln. „Er hat immer ein bisschen gestrauchelt, weil er nicht das Selbstbewusstsein hatte. Das habe ich ihm ausgeredet. Das hat er heute mit Bravour gezeigt“, lobte Berkhahn.

Ratlos machten den Bundestrainer dagegen Wellbrocks Leistungen. „Mir tut es leid für ihn, weil er eigentlich in einer Topverfassung ist“, sagte Berkhahn.

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