Eine titellose Saison ist für Bayern München eigentlich tabu und zieht zumeist größere Umwälzungen nach sich. Auch nun wurde mit dem Belgier Vincent Kompany ein Trainer aus England geholt und reichlich Geld für neue Spieler investiert. Sollte das jedoch nicht reichen, um in die Erfolgsspur zurückzufinden, stünde dem Rekordmeister wohl eine Unruhe bevor, die sogar für Bayern-Verhältnisse exorbitant ausfallen dürfte.
Wie haben die Bayern auf ihre enttäuschende Saison reagiert?
So wie es die Bayern meistens machen, wenn ihnen etwas gegen den Strich läuft: mit Zukäufen. Die Münchner hatten schon seit längerer Zeit ihr Mittelfeldzentrum als Einfallstor für gegnerische Angriffe identifiziert. Vor einem Jahr scheiterte der Transfer des Portugiesen Joao Palhinha noch, diesmal machten die Bayern die Schatulle auf und fanden die zu zahlenden 51 Millionen Euro. Für verstärkten Konkurrenzkampf in der Defensive sollte der vom VfB Stuttgart verpflichtete Hiroki Ito sorgen. Der brach sich allerdings den Mittelfuß und fällt noch einige Zeit aus.
Mit dem Transfer von Michael Olise von Crystal Palace für stolze 53 Millionen Euro ist der Etat des Rekordmeisters aber erst einmal aufgebraucht. Der angestrebte Umbau des Kaders gilt allerdings noch nicht als abgeschlossen. So steht Bayer Leverkusens Jonathan Tah weiter auf der Wunschliste. Dafür sollte zunächst ein anderer Innenverteidiger verkauft werden, was durch den Abgang des Niederländers Matthijs de Ligt zu Manchester United jedoch inzwischen geschehen ist.
Mit Palhinha sowie Joshua Kimmich, Konrad Laimer, Aleksandar Pavlovic und Leon Goretzka ballt sich zudem reichlich Personal für wenige Positionen im Zentrum. Auch hier würde ein Abgang nicht überraschen. Nachdem Goretzka zuletzt beim souveränen Erstrundenerfolg der Bayern im DFB-Pokal beim SSV Ulm nicht einmal im Kader stand, ist relativ klar, wer aus dem Quartett Kimmich/Laimer/Goretzka/Pavlovic gehen soll.
Aber ist auch noch Platz für Joshua Kimmich?
Der Führungsspieler sagte in einer Dokumentation deutlich, dass er sich von Vereinsseite während der Corona-Zeit mehr Unterstützung erwartet hätte. Zudem fühlte er sich häufiger zu Unrecht für Misserfolge verantwortlich gemacht. Wenig erfreut war er auch darüber, aus dem Mittelfeld auf die Rechtsverteidigerposition versetzt zu werden. Kimmichs Vertrag läuft in einem Jahr aus. Noch könnten die Bayern also Ablöse für ihn kassieren.
Mittlerweile aber haben sich die Wogen geglättet. Die Münchner haben eine neue Führung und bei objektiver Betrachtung gibt es kaum Zweifel an Kimmichs Qualität. Zudem verkörpert er wie kaum ein anderer Spieler den absoluten Siegeswillen. Ihn gehen zu lassen, wäre nur sinnvoll, wenn eine komplett neue Hierarchie entwickelt werden soll. Das allerdings ist ein unkalkulierbares Risiko.
Was ist von Vincent Kompany als Trainer zu halten?
Die ersten Eindrücke lassen darauf schließen, dass er einen offensiveren Ansatz als Thomas Tuchel wählt und seinen Spielern mehr Freiheiten in der offensiven Ausgestaltung des Spiels einräumt. Eindrücke vor dem ersten Spieltag haben jedoch die Qualität eines Blickes in die Glaskugel. Der Belgier ist allerdings dafür bekannt, seine Mannschaft weiter vorne pressen zu lassen, als das zuletzt in München der Fall war.
Taktische Feinheiten spielen aber bei der Bewertung eines Bayern-Trainers nur eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger: der Erfolg. Stellt sich der ein, kann der Belgier verhältnismäßig ruhig arbeiten. Die Vereinsbosse werden ihn ohnehin zumindest zu Beginn stark stützen. Ein Scheitern Kompanys würde nach der aberwitzigen Trainersuche ein allzu schlechtes Licht auf sie werfen.
Was ist, wenn es mit Kompany doch schiefläuft?
Dann haben die Bayern ein massives Problem. Die zuletzt angefragten Julian Nagelsmann und Ralf Rangnick dürften in ein paar Monaten immer noch kaum Lust verspüren, die Münchner zu übernehmen - ebenso wie Tuchel. Jürgen Klopp hat zudem glaubhaft versichert, vorerst keine Mannschaft trainieren zu wollen. Das Bayern-Team hätte sich obendrein endgültig als untrainierbar gezeigt. Es käme wohl zu einem Beben, das selbst für Münchner Verhältnisse heftig ausfiele und das Max Eberl und Christoph Freund wahrscheinlich aus dem Job schütteln würde. Die misslungene vergangene Saison wäre in ihren Auswirkungen nur ein kleines Vorbeben.
Was soll denn aber schieflaufen mit dieser Truppe?
Wenig. Vor allem die Offensive ist zu stark, um gegen die meisten Gegner ernsthafte Probleme zu bekommen. Jamal Musiala ist kaum über 90 Minuten zu kontrollieren. In Harry Kane, Olise, Leroy Sané oder auch Kingsley Coman verfügen die Münchner immer noch über etliche Spieler, die eine Partie alleine entscheiden können. Die Defensive wird durch Palhinha zudem sicherer stehen. Das sind ausgezeichnete Vorzeichen für eine erfolgreiche Saison. Fraglich ist nur, ob Bayer Leverkusen in der kommenden Saison schwächer auftritt. Ansonsten wird es bei aller Qualität für die Bayern schwierig, das Abo auf den Meistertitel nach einjähriger Pause zu erneuern.
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