Nach Jahren des Aufschwungs - garniert mit Europapokalaufritten - herrschte bei Borussia Mönchengladbach in den vergangenen beiden Jahren eher Depression als Euphorie. Die Fans werden langsam ungeduldig, doch schwerwiegende Abgänge lassen sie an baldiger Besserung zweifeln.
Was ist in den vergangenen Jahren eigentlich passiert?
Während unter Trainer Marco Rose anfangs noch so etwas wie Aufbruchstimmung herrschte, fiel Borussia Mönchengladbach unter den Nachfolgern Adi Hütter und Daniel Farke vor allem durch Orientierungslosigkeit, fehlende Ideen und viel Freudlosigkeit auf. Mit dem Abgang des einstigen Erfolgsgaranten Max Eberl als Sportmanager scheint Gladbach seine Identität verloren zu haben. Und niemand war stark genug, dem gewachsenen Gesamtapparat Halt zu geben. Sportgeschäftsführer Roland Virkus etwa kämpft fortwährend um sein wackliges Standing als Taktgeber eines wuchtigen Traditionsclubs.
Wie hat Virkus den Kader verändert?
Die Kaderveränderungen wirken auf den ersten Blick dramatisch: Vizeweltmeister Marcus Thuram ging zu Inter Mailand, Nationalspieler Jonas Hofmann zog es zu Bayer Leverkusen, Führungsspieler Lars Stindl kehrte in seine Heimat zurück und spielt nun wieder für den Karlsruher SC und Leistungsträger Ramy Bensebaini trägt das Trikot von Borussia Dortmund. Das Quartett hatte von den 52 Gladbacher Toren ganze 39 erzielt. Das sind 75 Prozent. Hinzu kommt noch, dass der fünftbeste Torschütze der Vorsaison, Innenverteidiger Nico Elvedi, auch noch vor dem Absprung steht. Viele in Mönchengladbach forderten einen Umbruch im festgefahrenen Kader, der ist nun halb geplant, halb erzwungen.
Jetzt gibt es den Umbruch. Also alles richtig gemacht?
Nein. Denn die vielen ablösefreien Abgänge der vergangenen zwei Jahre - unter anderem Matthias Ginter, Thuram und Bensebaini - zeugen nicht von einem Management mit Weitblick. Und manches schien auch eher zufällig: Hofmann etwa war als Kapitän und Fixpunkt eingeplant, zog aber per Vertragsklausel nach Leverkusen weiter. Beim rheinischen Nachbarn arbeiten mit dem gebürtigen Heidelberger und Granit Xhaka nun zwei Gladbacher Sehnsuchtsspieler - das tut der Fanseele weh. Aber: Nichts heilt so schnell wie neue Erfolge.
Was macht Hoffnung für die neue Saison?
Den Wandel von Depression zu Hoffnung haben sie am Niederrhein aktuell ganz gut geschafft. Weil Team und Trainer jetzt offenbar eine neue Struktur erarbeiten, die erste Früchte trägt. Allerdings mit vielen Spielern, die noch immer eine Wundertüte sind. Das kann funktionieren, aber auch in die Hose gehen. Der Franzose Franck Honorat spielt als Hofmann-Nachfolger eine starke Vorbereitung und wollte zudem immer nach Mönchengladbach. Mit dem Tschechen Tomas Cvancara kam zudem ein echter Stoßstürmer, der Kultpotenzial hat und zuletzt beim klaren Sieg gegen den VfB Stuttgart begeisterte. Dazu kommen einige junge Spieler, die viel Potenzial mitbringen. Klar ist aber auch: Sollte es schlecht laufen, muss die neue Struktur auch eine Krise tragen können. Das steht auf dem Prüfstand. Zumal das Auftaktprogramm schwierig ist. Da drohen wenige Punkte und eine Geduldsprobe gleich zu Beginn.
Wie kommt der neue Trainer Gerardo Seoane an?
Mit Seoane ist ein Trainer da, der bislang alle beeindruckt. Kommt als Erster, geht als Letzter, stellt die Fähnchen selbst auf - das hat es lange nicht gegeben. Ohne einen starken und fordernden Trainer wird in Gladbach gerade niemand mehr glücklich. Bayer Leverkusen war unter Seoane einmal Dritter und hat den Trainer in der nachfolgenden Saison etwas verheizt, als der Kader ohne jede personelle Auffrischung auskommen sollte. Der Schweizer setzt auf eine Mischung aus hohem Pressing und längeren Ballbesitzphasen. Der Rhythmus soll variieren. Aber: Nach Ballgewinn soll der erste Blick nach vorne gehen. „Wir müssen viel schneller in die Offensive kommen und die Tiefe suchen.“ Tatsächlich lag hier Gladbachs größter Schwachpunkt: Das Team spielte viel zu langsam und zu wenig laufintensiv, war so trotz individueller Klasse auf höchstem Niveau nur bedingt konkurrenzfähig.
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