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Wer ist schuld an der großen Bayern-Krise?

In der größten Krise des FC Bayern München seit Jahren wird alles und jeder hinterfragt. Besonders trifft das nun auch auf die Clubführung zu. Für einen könnte der beispiellose Absturz ernsthafte Konsequenzen haben.

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Florian Eisele
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Bei den Spielen selbst sind Oliver Kahn (oben) und Hasan Salihamidzic (Mitte rechts) auf der Tribüne machtlos. © Sven Hoppe/dpa

Augsburg. Am Montag drang mal wieder eine Information aus dem Innenleben von Bayern München an die Öffentlichkeit. Demnach sei die Verpflichtung von Yann Sommer im Januar von Borussia Mönchengladbach ein ausdrücklicher Wunsch des mittlerweile entlassenen Trainers Julian Nagelsmann gewesen, so der Kicker. Die Bayern-Bosse um Vorstandschef Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic hätten hingegen eine Verpflichtung des dänischen Nationalkeepers Kasper Schmeichel favorisiert.

Dieser wäre deutlich günstiger zu haben gewesen und hätte auch nur für ein halbes Jahr unterschrieben. Nagelsmann aber hätte Wert auf einen deutschsprachigen Keeper und auch auf eine längere Vertragslaufzeit gelegt.

Das ist insofern interessant, als dass Sommers Verpflichtung aktuell äußerst kontrovers diskutiert wird. Klar: Eigentlich wird ja ohnehin jeder und alles gerade beim FC Bayern hinterfragt. Und Sommer, der bis 2025 unter Vertrag steht, hatte einen guten Start bei den Bayern. Inmitten der Krise richtet sich jetzt aber der Blick auch auf den Schweizer.

Salihamidzics Spitze

Der ließ sich von der allgemeinen Verunsicherung anstecken und patzte bei der 1:3-Niederlage der Bayern bei Mainz 05. Dass der Transfer des 34-Jährigen eine Nagelsmann-Entscheidung gewesen sein soll, dringt zumindest zu einer interessanten Zeit nach außen. Denn längst ist die Krise des FC Bayern auch ganz entschieden mit der Frage verbunden, wer denn eigentlich schuld ist an der Misere.

Sportvorstand Salihamidzic hatte schon nach dem Champions-League-Aus der Bayern gegen Manchester City eine recht offensichtliche Spitze gegen den Ex-Trainer formuliert. Als es darum ging, dass die Münchner mal wieder ihre vielen Torchancen nicht genutzt hatten, weil kein Mittelstürmer der Klasse Robert Lewandowskis unter Vertrag steht, sagte Salihamidzic: „Wir haben mit dem Trainer vor der Saison die Kaderplanung gemacht und werden die jetzt überdenken.“

Das ist eine delikate Aussage von einem Mann, der eigentlich selbst als Kaderplaner des FC Bayern gilt. Sinngemäß lautet sie: Der Trainer wollte diesen Kader haben und dachte, es klappt ohne Mittelstürmer. Tja, und jetzt haben wir den Salat.

Dass Nagelsmann auch beim Torwart seinen Willen durchdrückte und nun offenbar Verursacher der Krise ist, obwohl er seit einem Monat nicht mehr da ist – das ist eine Sichtweise, die sehr wahrscheinlich nicht mehrheitsfähig ist, aber der aktuellen Führung um Kahn, Salihamidzic und Präsident Herbert Hainer zupasskommen dürfte.

Denn ebenso wie jeder der Angestellten in kurzen Hosen steht auch das Führungstrio in der Kritik. Den Trainerwechsel von Nagelsmann auf Thomas Tuchel verteidigen sie weiter. Schließlich habe man die langfristigen Ziele als gefährdet gesehen, sagte Kahn zuletzt.

Selten dürfte eine Clubführung ihr Team mit einem Trainerwechsel aber derart verunsichert haben wie es die Bayern-Bosse mit der Nagelsmann-Trennung geschafft haben. Der Schritt sei nötig geworden, weil das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft nicht mehr gepasst habe, betonten Kahn und Salihamidzic unisono.

Letzterer wurde sogar deutlicher: „Wenn eine Mannschaft und ein Trainer zusammen zwei ergeben müssen und bei uns ist es -0,5, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass man handeln muss. Die Konstellation hat nicht mehr gepasst“, so Salihamidzic.

Atmosphärische Probleme sahen die Nationalspieler Joshua Kimmich und Leon Goretzka allerdings nicht, wie sie nach der Entlassung vehement zu Protokoll gaben. Für Kimmich sei Nagelsmanns Aus sogar „ein Schock“ gewesen.

Alarmierende Aussagen

Mittlerweile spielt die komplette Mannschaft des FC Bayern so, als ob ihr ein Schock in den Gliedern sitzt. Die 1:3-Niederlage in Mainz war ein sportlicher Offenbarungseid. Nach einer guten ersten Halbzeit brach das Team nach dem Ausgleich völlig in sich zusammen. Der drittteuerste Kader der Welt mit einem Marktwert von knapp einer Milliarde Euro leistete keine Gegenwehr mehr und ließ sich innerhalb von 14 Minuten überrollen.

Die Aussagen von Tuchel und seinen Spielern sind alarmierend: Aktuell scheint nichts übrig vom Selbstverständnis der Bayern. „Ich spüre keine Energie mehr“, sagte ein konsterniert wirkender Tuchel und verteidigte seine Maßnahme, den Spielern bis einschließlich Dienstag frei zu geben, mit dem Hinweis, dass nun dringend Abstand zum Geschehen nötig sei.

Ob es in der aktuellen Konstellation bei den Bayern weitergeht, ist fraglich. Speziell gegenüber Salihamidzic soll es mittlerweile große Vorbehalte innerhalb des Vereins geben. Intern wird über alles und jeden diskutiert und kaum eine Personalie scheint unumstritten zu sein. Aber wer entscheidet eigentlich, wer gehen muss, wenn alles auf dem Prüfstand steht?

Den Ton gibt immer noch Ehrenpräsident Uli Hoeneß an. Der 71-Jährige gilt im neunköpfigen Aufsichtsrat als starker Mann. Eben dieses Gremium ist es auch, das über die Ablösung von Kahn und Salihamidzic entscheiden könnte. Die nächste Sitzung ist für den 22. Mai angesetzt. Am Wochenende zuvor steht der vorletzte Spieltag der Bundesliga-Saison an.

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