Frankfurt/Wien. Alexander Zverevs Karriere hätte einen anderen Dreh nehmen können. Wenn, ja wenn, da nicht in diesem prickelnden und bizarren Endspiel der US Open am Ende der Wendungen doch sein Tennis-Kumpel Dominic Thiem triumphiert hätte. An einem denkwürdigen 13. September 2020 war es der Niederösterreicher, der Zverev den New-York-Coup vermasselte. Thiem selbst war am Glanzpunkt seiner Tennis-Laufbahn, in dessen Nähe er anschließend nie wieder kam. Gut vier Jahre später hört er auf. Mit (nur) 31 Jahren.
Ab Freitag ist der Grand-Slam-Sieger noch Teilnehmer eines Showevents in Frankfurt am Main, des Ultimate Tennis Showdowns. In Wien wird Thiem am Sonntag (19 Uhr) in einem Showsatz gegen Zverev die Erinnerungen an das Endspiel der US Open aufleben lassen. Anschließend tritt er beim Wiener ATP-Turnier an. Verliert er, soll sein Abschied vom Tennis endgültig sein. „Man wird sich an ihn erinnern“, sagte Superstar Novak Djokovic.
Thiem schlug am 4. August für Grün-Weiss Mannheim auf
In Erinnerung behalten wird man Thiem auch ganz besonders beim TK Grün-Weiss Mannheim, für den er elf Jahre in der Bundesliga aufschlug. Zuletzt schlüpfte er am 4. August dieses Jahres in das grün-weiße T-Shirt. Gegen Rosenheim begeisterte der Österreicher das Publikum mit seiner nahbaren Art und Freundlichkeit. „Dominics Einsatz war ein absolutes Highlight. Die Zuschauer haben ihn gefeiert, auch wenn er am Ende sein Einzel verloren hat. Dominic ist einfach einer der sympathischsten und besten Sportler der Gegenwart. Wir sind stolz, dass er sein letztes Spiel in dieser Form bei uns in Mannheim gemacht hat“, schwärmte damals Grün-Weiss-Teamchef Gerald Marzenell.
Thiem ist nicht nur der US-Open-Gewinner von 2020, sondern auch der French-Open-Finalist von 2018 und 2019. Man kann sich an einen Tennisprofi zurückerinnern, der zwischenzeitlich als möglicher Sandplatz-Nachfolger für Ausnahmekünstler Rafael Nadal gehandelt wurde. Jetzt macht er einen Monat vor dem 38-jährigen Spanier Schluss. Die neue Generation mit den Anführern Jannik Sinner und Carlos Alcaraz ist mit ihrer Extraklasse längst an ihm vorbeigezogen.
Sein bestes Jahr spielte Thiem 2020. Er stand zu Beginn des Jahres dicht vor einem Australian-Open-Endspiel-Coup über Melbourne-Dominator Djokovic. Der Österreicher war die Nummer drei der Welt – und kann mit Fug und Recht für sich sagen: „2020 steht über allem und auch über allem anderen in meiner Tenniskarriere.“ Es war aber auch für ihn der Punkt, nachdem es nicht mehr besser wurde. New York war sein viertes und letztes Grand-Slam-Endspiel. Einige Monate später fiel er in der Corona-Zeit in ein mentales Loch. „Wenn man sein ganzes Leben seinem ganz großen Ziel hinterherläuft, ihm alles unterordnet und es dann erreicht, ist es eine Weile nicht mehr so, wie es vorher war“, erklärte er einmal.
In die frühe Tennis-Rente verabschiedet er sich insbesondere wegen der langwierigen Handgelenksverletzung, die er sich 2021 zuzog. „Dann ist das Gefühl, vor allem auf der Vorhand, nicht mehr so zurückgekommen wie vorher“, erklärte Thiem. Für den Kopf war das schwierig. „Dadurch hatte ich auch mental sehr zu kämpfen, denn es war sehr schwer, das zu akzeptieren.“
Nach Handgelenksverletzung das alte Niveau nie wieder erreicht
Der Österreicher musste lange pausieren, verlor häufig und erreichte nie wieder sein Weltklasseniveau. Schon lange steht Thiem nicht mehr in den Top Ten der Weltrangliste. Vier Jahre nach dem Erfolg über Zverev ist er weit auf Platz 289 zurückgefallen. „Es ist wirklich bedauerlich, dass ein Spieler seines Kalibers, der jahrelang ein Top-3- oder Top-5-Spieler war, eine Handgelenksverletzung erleiden musste, die ihm wirklich zu schaffen machte“, sagte Djokovic: „Er war danach nicht mehr derselbe Spieler.“
In dem Endspiel der US Open vor vier Jahren führte Zverev bereits mit 6:2, 6:4, 1:0 nach einem Break im dritten Satz. Thiem gelang zunächst nichts, wenig später aber der Satzausgleich. Im fünften Satz kulminierte die Dramatik. Zverev führte 5:3, schlug zum Titelgewinn auf. Doch er scheiterte. Erst der Tiebreak brachte die Entscheidung. Zverev musste nach einem Auf und Ab der Emotionen seinem Tennis-Kumpel gratulieren. Und jagt den ersten Grand-Slam-Titel noch immer.
Als einer der erfolgreichsten Tennisspieler Österreichs wird Thiem in die Geschichte eingehen. Er werde auch „sehr froh und erleichtert“ sein, wenn es vorbei ist, meinte er. „Ich fühle mich so jung, aber das Handgelenk ist, glaube ich, circa siebzig Jahre alt, nicht 31.“ dpa/red
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