Frankfurt. Lange Gänge voller meterhoher Regale mit Trikots, Stutzen, Trainingsanzügen, Physio-Koffern und unzähliger Bälle – auf 5.000 Quadratmetern findet sich im Lager des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) alles, was das Fußballherz begehrt. Es wirkt schon fast beengend, täglich treffen neue Lieferungen ein. An den Wänden sind Trikots aus alten Zeiten zu sehen, an einer prangen die Worte „Bereitschaft. Disziplin. Mut. Willensstärke.“
Rund 3.500 Lagerplätze bietet das Lager in Langen, etwa 20 Kilometer vom DFB-Campus in Frankfurt entfernt. Hier herrscht reges Treiben – Gabelstapler transportieren Säcke voller Bälle, Materialien werden geprüft und sortiert, Taschen gepackt. Mittendrin: Thomas Mai.
Eingeschränkte Fußballleidenschaft in der DDR erlebt
Seit mehr als drei Jahrzehnten ist der 59-Jährige eine der organisatorischen Stützen der deutschen Nationalmannschaft. Er sorgt als Zeugwart dafür, dass im entscheidenden Moment alles bereit ist.
Mai ist Fußballfan seit Kindheitstagen und in der DDR aufgewachsen. Damals war es schwierig, Spiele westlicher Teams zu besuchen. „Es gab eine Kartei für ostdeutsche Fans der BRD-Nationalmannschaft. Einmal im Jahr bekamen wir Infos und konnten Karten bestellen“, erzählt Mai im Gespräch mit dieser Redaktion.
Vom Organisationstalent zum Zeugwart der Nationalmannschaft
So knüpfte er erste Kontakte zum DFB. 1990 half der damals noch als Kfz-Schlosser tätige Chemnitzer als Fahrer beim Vereinigungsbundestag des DFB mit dem Fußballverband der DDR in Leipzig aus – ein prägender Moment.
Die DFB-Verantwortlichen wurden auf sein Organisationstalent aufmerksam. Wenig später erhielt er das Angebot, als Zeugwart der U 21 einzusteigen. So wechselte er von Trabanten zu Trikots – und kümmerte sich schon bald um die Ausstattung der A-Nationalmannschaft.
Was einen guten Zeugwart ausmacht? „Man muss absolut fußballverrückt sein, Organisationstalent und Weitsicht haben. Außerdem darf man nicht auf die Uhr schauen – der Job ist sehr zeitintensiv“, erläutert Mai.
Ein Arbeitstag zwischen Wäschekörben und Kabinen
An Spieltagen läuft die Logistik auf Hochtouren: Nach dem Anschwitzen der Mannschaft im Hotel geht es mit zwei 5,5-Tonnern und einem Sprinter ins Stadion. Dort richtet Mai die Kabinen ein, bringt die Ausrüstung und sorgt dafür, dass alles bereitsteht. Nach dem Spiel folgt der Abbau, die Wäsche wird sortiert. „Früher lagen zwischen den Spielen fünf Tage, heute oft nur noch drei – der Zeitdruck ist enorm“, sagt er. Sein Tag auf Reisen endet selten vor 22.30 Uhr.
Auch abseits des Spielfelds gibt es viel zu tun. Im Lager in Langen ist Mai auch für die Schiedsrichter-Lehrgänge verantwortlich. Er packt Koffer für die Physiotherapeuten und verwaltet die Ausstattung der Spieler von DFB-Partner Adidas.
Der Wandel von der Handarbeit zum digitalem Alltag
Besonders aufwendig: der Kollektionswechsel alle anderthalb Jahre. „Dann kommen rund 80 Paletten, die wir sortieren und nach Größen ordnen müssen.“
Seine Arbeit hat sich über die Jahre stark verändert. „Früher gab es kein Warenwirtschaftssystem. Heute verbringen wir rund 40 Prozent unserer Zeit am Computer. Die Bürokratie und die Anforderungen der Verbände haben in den letzten Jahren immens zugenommen.“ Auch das Team ist gewachsen: „Früher waren wir 40, heute sind es über 60 Leute – und alle müssen optimal ausgestattet sein.“
Ein gutes Verhältnis zu den Spielern ist Mai wichtig: „Wenn das Drumherum nicht stimmt, entsteht negative Stimmung – und die ist Gift.“ Manche Spieler begleitet er schon seit mehr als zehn Jahren.
Wer so nah dran ist, bekommt viel mit. „Fußballer sind abergläubisch. Da gibt es viele Rituale, die aber besser geheim bleiben“, sagt Mai mit einem Augenzwinkern. Ein festes Ritual sei aber der Mannschaftskreis in der Kabine, bei dem eine Motivationsansprache gehalten wird. „Wir sind eine feste Einheit. Das besteht nicht nur aus Trainern und Spielern, sondern auch aus dem Team hinter dem Team.“
Aber wie geht Mai mit den unterschiedlichen Bedürfnissen der Spieler um? „Im Laufe der Jahre kennt man seine Pappenheimer. Manche wollen zum Beispiel kleinere Socken, als sie laut Schuhgröße eigentlich tragen. Auch solche Wünsche erfüllen wir.“
Logistik auf Weltklasse-Niveau
Die größte Herausforderung in seinem Beruf ist, dass alles zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein muss. Ob das schon mal schiefging? „In meiner Rolle als Zeugwart nicht – und wenn doch, würde ich das jetzt nicht erzählen“, sagt Mai lachend. „Aber das Improvisieren gehört dazu.“
Große Turniere wie die WM oder EM bedeuten enormen Aufwand. „Bei der WM in Katar mussten wir alles per Cargo-Flieger hinschicken. Das war extrem aufwendig. Mit Containerschiffen hätte es drei Monate gedauert. Das wäre zeitlich nicht machbar gewesen.“
Ende des Jahres geht Mai in den wohlverdienten Ruhestand
Die kommende Weltmeisterschaft in den USA, Kanada und Mexiko wird noch komplexer: „Die Distanzen sind riesig. Es hängt davon ab, in welchen Städten wir spielen. Ein Basiscamp wird es vielleicht nicht geben. Das macht die Planung schwieriger.“
Doch diese Aufgabe wird Mai nicht mehr übernehmen. Ende des Jahres verabschiedet er sich nach fast drei Jahrzehnten in die Altersteilzeit. Trotzdem bleibt er seinem Team weiterhin verbunden – als Fan. Sein schönster Moment? Der WM-Titel 2014: „Das ist das Größte, was man als Fußballer, Betreuer und Fan erreichen kann.“
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