München. Sandra Mühlfeld ist vierfache Mutter. Und wie Mamas nun einmal so sind, versucht sie, ihren Kindern jeden Wunsch zu erfüllen. Sie ist das Zentrum der Familie, ohne sich in den Mittelpunkt zu stellen. Doch diesmal – bei dieser Gelegenheit – blieb sie hart. „Ich trete ja oft und gerne zurück. Diesmal war ich aber ein bisschen egoistisch“, sagt die 36-Jährige und strahlt. Auf diesen Tag in der bayrischen Landeshauptstadt hat sie sich seit Wochen, seit Monaten gefreut. Am Sonntag war es endlich so weit: Beim ersten Deutschland-Gastspiel der National Football League (NFL) war sie eine von 69 811 Glücklichen, die eine Karte für die Allianz Arena bekamen und den 21:16 (0:0, 14:0, 0:3, 7:13)-Sieg der Tampa Bay Buccaneers gegen die Seattle Seahawks miterlebten.
Das Spiel mit dem Ei hatte ganz München über das Wochenende im Griff. Am Marienplatz gab es kaum ein Durchkommen, überall begegnete man fröhlichen Menschen in Trikots eines NFL-Clubs. Sie feierten sich und ihren Sport. Und sie ließen sich auch von der teils chaotischen Anreise zum Stadion nicht die Laune verderben. Bereits viele Stunden vor dem Kick-off machten sich die Fans auf dem Weg Richtung Arena. Um am Odeonsplatz einen Platz in die U 6 zu bekommen, benötigten sie Glück und Geduld. Doch alle nahmen das mit einer großen Portion Gelassenheit, weil sie wussten: Das war es wert!
Mitte Juni begann der Ticketverkauf für die Partie. Wie die NFL in den vergangenen Tagen verlautbarte, hätte sie drei Millionen Karten verkaufen können – drei Millionen! Sandra Mühlfeld versuchte ebenfalls ihr Glück und versammelte gleich neun Endgeräte vor sich, um die Chancen wenigstens ein bisschen zu steigern. „Ich habe mir zum Beispiel die Handys meiner Kinder geschnappt, dazu noch Tablets und PC“, erzählt sie. Die ehemalige Eishockey-Bundesliga-Spielerin ließ nichts unversucht – und auf einmal lag wenigstens ein Ticket im Warenkorb. Mühlfeld überlegte es sich nicht zweimal, sondern klickte auf „kaufen“ – die 150 Euro für einen Platz in Block 230 waren gut investiert, wie sich herausstellen sollte.
Ganze Familie dabei
Die Reise aus Ludwigshafen-Gartenstadt in den Süden trat Mühlfeld, die seit einiger Zeit dem American Football verfallen ist, mit ihrer ganzen Familie an. Ihr Ehemann Marco spielte in der vergangenen Saison in der Oberliga-Mannschaft der Mannheim Bandits, im Mai begannen all ihre vier Kinder in der Football-Abteilung der MTG. Sie selbst spielt bei den Banditaz und leistet seit Anfang November als Jugend-Teamleiterin wertvolle Arbeit, um dem Sport in Mannheim weiteren Aufschwung zu verschaffen. „In der U 19, U 16 und der U 13 kümmere ich mich um Organisatorisches, das Equipment und bin Ansprechpartnerin für alle“, gibt Mühlfeld einen Einblick in ihre ehrenamtliche Tätigkeit.
„Bei uns ist jeder und jede willkommen. Als wir einen Sport für unsere Kinder gesucht haben, war das auch der Hauptgrund, warum wir bei den Bandits gelandet sind“, erzählt sie. Die 17-jährige Ashley, Lukas (13), Maximilian (zwölf) und Annabell (neun) haben hier neue Freunde und Freundinnen gefunden. Da verstand es sich von selbst, dass sie die Mama nicht alleine nach München reisen ließen. Doch während Sandra in der Allianz Arena mit Buccaneers-Quarterback Tom Brady dem wohl besten Spieler aller Zeiten bei der Arbeit zusehen durfte, mussten ihr Mann und die Kinder mit dem Public Viewing vor dem Stadion vorliebnehmen.
„Als ich vor einigen Monaten das Ticket ergattert hatte, war das ein großes Glücksgefühl“, sagt Mühlfeld. „Das kann mir niemand mehr nehmen, dass ich Tom Brady einmal live spielen gesehen habe.“ Klar, vor 20 Jahren fuhr sie ab und zu nach Frankfurt, um die Galaxy zu unterstützen. Zu einem NFL-Spiel – ganz gleich ob in den USA oder in Europa – hatte sie es bislang nicht geschafft: „Ein Traum ist das schon, aber das kostet ja auch einiges“, sagt sie.
In der Allianz Arena hielt es Mühlfeld – auch wegen Brady – mit den Buccaneers. Sie trug in der Heimspielstätte des deutschen Fußball-Rekordmeisters aber kein Trikot eines NFL-Clubs, sondern das ihrer Tochter Annabell. „Im Grunde spielt das Ergebnis auch keine große Rolle. Es ist einfach fantastisch, dass die NFL nach Deutschland gekommen ist. Das ist ein wichtiges Zeichen für unsere Community“, betont sie.
Bandits spüren Boom
Dass der American-Football-Boom hierzulande kaum Grenzen kennt, weiß kaum einer besser als Essam Shurbaji. „Das Interesse an unserem Sport ist gigantisch“, sagt der Football-Abteilungsleiter bei der MTG. „In diesem Jahr konnten wir 90 neue Mitglieder begrüßen.“ Ein großer Faktor seien die mit viel Herzblut aufbereiteten TV-Liveübertragungen bei Pro7 gewesen. Dank der steigenden Popularität können die Bandits in der nächsten Saison sogar zwei Mannschaften ins Punkterennen schicken: eine in der Oberliga, eine in der Kreisliga.
Sandra Mühlfeld verließ die Allianz Arena überglücklich. Die Buccaneers gewannen, Brady glänzte. Mit ihren Liebsten machte sie sich auf den Heimweg. Nach drei Stunden NFL in München steht wieder ihre Familie an erster Stelle. Am Dienstag fährt sie ihre Kinder zum nächsten Football-Training bei den Bandits.
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