Heidelberg. Paul Zipser konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Als der 31-jährige Big Man der Academics Heidelberg nach dem hochdramtischen 74:70-Viertelfinalerfolg in der Basketball-Bundesliga über die Niners Chemnitz seine beiden Schwestern auf der Tribüne erblickte, war es um ihn geschehen. „Das kann man nach dem Weg, den ich gegangenen bin, vielleicht nachvollziehen. Es ist gerade ein bisschen viel, aber wunderschön“, sagte Zipser nach den herzlichen Umarmungen mit seinen Geschwistern.
Immer noch mit Tränen in den Augen ergänzte er: „So gut wie heute habe ich mich seit der OP noch nicht gefühlt. Schön, dass meine Familie und meine Schwestern da waren und das mit mir erleben durften.“
Zur Erinnerung: Der gebürtige Heidelberger erlitt im Juni 2021 eine Hirnblutung. Die Ursache war ein Hirntumor. Es folgte eine komplizierte Operation samt dem erneuten Lernen von Sprechen, Gehen und Koordination. Doch Zipser kämpfte sich zurück. Seit 2023 läuft der ehemalige NBA-Spieler wieder für seine Heimatstadt auf und erlebte am Dienstagabend das erste Play-off-Bundesliga-Heimspiel der Academics seit 46 Jahren. Mit dem historischen Erfolg und der damit einhergehenden 2:0-Serienführung ist er mit den Heidelbergern nur noch einen Sieg vom Einzug ins Play-off-Halbfinale entfernt.
Rolle von Paul Zipser bei Academics in Play-offs: „Sein Wort hat Gewicht“
„Wir wissen ganz genau, was wir an Paul haben. Da geht es nicht nur um Aktionen auf dem Feld, sondern auch um ganz viele Kleinigkeiten außerhalb des Platzes“, betonte Heidelbergs Sportlicher Leiter Alex Vogel.
Vogel erläuterte: „Sein Wort hat Gewicht. Die Leute wissen, was er erlebt, auf welchem Level er gespielt hat. Sie wissen auch um seine Geschichte. Es ist ohnehin ein Wunder, ihn jedes Mal wieder auf dem Platz zu sehen. Dass er jetzt aber im Dome (Der SNP Dome ist die Heimstätte der Academics Heidelberg, Anm. d. Red.) Play-offs gegen Chemnitz spielt, wo wir so viele Verletzte haben, und er dann so in die Bresche springt – das ist die Geschichte des Spiels.“
Play-off-Viertelfinale der Academics: Bestes Spiel von Zipser in Heidelberg
Und in der Tat: Zipser absolvierte wohl seine beste Partie für die Academics, seit er wieder für die Heidelberger aufläuft. Er strahlte nicht nur jede Menge Ruhe aus, sondern wusste auch mit zehn Punkten, vier Rebounds und drei Assists zu überzeugen. „Ich bin einfach nur froh, dass ich dem Team helfen kann“, sagte Zipser bescheiden. „Nach dem Ausfall von Osun (Mitspieler Osun Osuniyi, Anm. d. Red.) müssen alle mehr aushelfen. Das versuche ich, das versuchen wir alle. Wir kämpfen gemeinsam und das macht extrem viel Spaß“, erlebt er in dieser Saison „einen unbeschreiblichen Zusammenhalt“ innerhalb des Teams.
Dieser ist es auch, der die Heidelberger im mit 4.494 Zuschauern ausverkauften SNP Dome zum Erfolg führte – auch wenn DJ Horne letztlich die entscheidenden Punkte erzielte. Der Aufbauspieler hatte gegen Chemnitz einen schweren Stand, traf bei seinen 14 Punkten – zwölf davon nach der Pause – nur vier seiner elf Dreierversuche.
Die letzten beiden zur zwischenzeitlichen 69:68-Führung sowie zum 74:70-Endstand, 15 Sekunden vor der Schlusssirene, waren aber die entscheidenden. „Ich habe schon viel Basketball in meinem Leben gespielt und viele enge Schlussphasen erlebt. Am Ende des Tages habe ich einfach nur meinen Job gemacht“, sagt Horne, hob dann aber hervor: „Meine Mitspieler haben mir gesagt, dass ich werfen soll, auch das Trainerteam steht hinter mir und ich fürchte mich nicht davor, solche Würfe zu nehmen.“
Auch in Play-offs gegen Chemnitz: Heidelberg bleibt Crunchtime-König
Die Heidelberger festigten mit dem historischen Sieg auch gleichzeitig ihren Status als Crunchtime-Könige der Liga. In der Hauptrunde hatten sie sieben ihrer zehn gewonnenen Spiele mit maximal sechs Punkten Differenz entschieden. In den Play-offs haben sie nach dem knappen 93:90-Viertelfinalerfolg in Spiel eins nun auch die zweite Partie mit weniger als sechs Punkten gewonnen.
Ein Umstand, der einerseits lobenswert, auf der anderen Seite aber auch trügerisch sein kann. Denn die Viertelfinalserie ist nicht so deutlich, wie es die 2:0-Führung vermuten lässt. „Natürlich zeichnet es uns in diesem Jahr auch ein bisschen aus, dass wir in den entscheidenden Momenten da sind, aber Chemnitz ist eine super Mannschaft, da wird es für uns noch harte Phasen geben, in denen sie vielleicht in einen gewissen Flow kommen. Dann müssen wir da sein und entsprechend reagieren“, sagte Zipser mit Blick auf Spiel drei am Sonntagnachmittag (16.30 Uhr) und Horne ergänzte: „Wir dürfen Chemnitz nicht die Gelegenheit oder das Gefühl geben, dass sie in dieser Serie nochmal zurückkommen können.“
Ob bei diesem Unternehmen auch Mateo Seric mitwirken kann, ist indes noch offen. Der Forward, der mit neun Punkten und sechs Rebounds ebenfalls einen großen Anteil am zweiten Play-off-Sieg hatte, verletzte sich im dritten Viertel bei einer Abwehraktion und kam nicht mehr aufs Feld zurück. Doch die Academics werden versuchen, auch diese Lücke gemeinschaftlich zu schließen.
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