Leichtathletik - Bei der EM in Zürich will der deutsche Sprinter erneut den Turbo zünden und ins Finale über 100 Meter stürmen

Rekord-Mann Reus vor der Reifeprüfung

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"Meine Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen", sagt Deutschlands Sprint-Ass Julian Reus.

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Zürich. Mitten in der Vorbereitung auf das Duell der schnellsten Männer Europas stand für Julian Reus noch eine Prüfung in seinem Management-Studium auf dem Programm. Thema: International Business Law. "So nimmt auch die berufliche Karriere parallel zum Sport ihren Lauf", sagte der Wattenscheider vor dem Beginn der Leichtathletik-EM in Zürich (12. bis 17. August).

Heute wird es für Reus dann mit den Vorläufen über die 100 m auch wieder auf der Tartanbahn ernst: Der 10,05-Sekunden-Mann will ins Finale (Mittwoch, 21.50 Uhr/ZDF) über die prestigeträchtigste aller Strecken stürmen.

"In Zürich ist einiges machbar", sagte schon Sprintlegende Armin Hary, nachdem er zuletzt bei den deutschen Meisterschaften in Ulm Augenzeuge der Rekord-Show seines Nachfolgers wurde. Da hatte der 26 Jahre alte Reus in 10,05 Sekunden die uralte Bestmarke von DDR-Sprinter Frank Emmelmann (10,06/1985) unterboten.

Im Letzigrund, wo Hary 1960 die legendären "Zehn-Komma-Null" gerannt war, will Reus jetzt erneut den Turbo zünden. "9,99 sind machbar. Meine Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen", sagte er zuletzt dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Doch "für eine solche Zeit müssen auch die äußeren Faktoren stimmen: das Wetter, der Wind und die Bahn."

Trotz seines Rekord-Laufs rangiert Reus vor den Titelkämpfen "nur" auf Rang fünf in Europa. Vor allem die starken Franzosen und Briten gelten in Zürich als Favoriten auf Gold, Silber und Bronze. Christophe Lemaitre, der mit 9,92 Sekunden als bisher einziger weißer Sprinter die Zehn-Sekunden-Marke geknackt hat, peilt einen Titel-Hattrick an. Zwar rannte der Franzose in diesem Jahr bisher lediglich 10,13 Sekunden, zeigte zuletzt aber ansteigende Form. Zur Wundertüte wird sein Landsmann Jimmy Vicaut (9,95 Sekunden), Europas Nummer eins. Der Shootingstar wurde zuletzt von Muskelproblemen geplagt. Ganz stark präsentierte sich im Vorfeld der EM auch der Brite Chijindu Ujah (9,96).

Auch ohne Jamaikas Superstar Usain Bolt und die schnellen US-Amerikaner ist die Konkurrenz noch immer groß - Reus ist deshalb nicht so vermessen, mit einer Medaille zu liebäugeln. Sein Ziel ist der "Finaleinzug". Als bisher letzter DLV-Sprinter erreichte Ronny Ostwald 2006 einen EM-Endlauf, die DDR-Läufer Emmelmann (Gold 1982) und Steffen Bringmann (Silber 1986) holten letztmals eine Medaille.

Neue Sprintergeneration

Reus ist das Aushängeschild einer neuen Sprintergeneration aus Deutschland. Der gebürtige Hesse ist mit seinen 75 kg verteilt auf 1,76 m zwar kein Hänfling, gegenüber den Kraftpaketen beispielsweise aus Großbritannien wirkt er aber geradezu schmächtig.

Den körperlichen Nachteil hat er aber mit harter Trainingsarbeit wettgemacht: Ein starker Start und ein unwiderstehliches Finish sind seine großen Stärken. Mit den weiteren deutschen EM-Startern Lucas Jakubczyk (Berlin) und Sven Knipphals (Wolfsburg) feilt Reus an jeder Kleinigkeit, um sich weiter zu verbessern.

Leichtathletik-EM im Fernsehen

Insgesamt werden ab heute rund 100 Stunden live von den sechs Wettkampftagen aus dem legendären Letzigrund-Stadion übertragen. Weltweit werden bis zu 370 Millionen Live-TV-Zuschauer erwartet.

ARD und ZDF planen mit mehr als 40 Live-Stunden aus der Schweiz - hinzu kommen Berichte in den Nachrichten und Magazinsendungen. Außerdem bieten beide Sender unter www.sportschau.de und www.zdfsport.de Video-Livestreams an. Eurosport will sogar über 50 Stunden live von den europäischen Titelkämpfen berichten.

Insgesamt werden 47 Titel vergeben, 24 bei den Männern und 23 bei den Frauen.

Eurosport und ZDF übertragen heute von 10 bis 14 Uhr und 17 bis 21.15 Uhr.

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