Ganz oben zu stehen, ist für Laura Philipp kein ganz neues Gefühl. Die Triathletin vom Soprema-Team TSV Mannheim hat in ihrer Karriere schon einige goldene Plaketten gesammelt - gleich beim Ironman-Debüt 2018 in Barcelona, später in Hamburg, auch beim Ironman 70.3 in Dubai, in See-Kaprun oder im Kraichgau. Aber der Triumph bei der erstmals für die Frauen in Nizza ausgetragenen Ironman-Weltmeisterschaft überstrahlt nun alles.
„Besser geht es nicht. Das ist alles andere als selbstverständlich“, sagte die 37-Jährige nach ihrem Triumph. „Ich bin als Quereinsteigerin in diesen Sport bekommen: Das ist die schönste Belohnung für die ganze Arbeit.“
Leidenschaft, Mut und Wille bei Philipp entscheidend für den Erfolg
Bis 2011 hatte die Heidelbergerin nämlich mit dem Triathlon gar nichts zu tun. Klar, sie war sportlich unterwegs, aber Klettern war ihre größere Leidenschaft. Kraulschwimmen lernte sie erst im Alter von 24 Jahren, wie sie auf ihrer Homepage unter den neun wichtigsten Fakten über sich aufführt.
„Ich bin sicher motorisch nicht die Talentierteste, sondern eher ein Beweis dafür, dass man durch Fleiß und vor allem durch Freude an Bewegung sehr viel erreichen kann.“ Ihre Vita erzählt davon, dass es in dem Dreiklang aus Schwimmen, Radfahren und Laufen eigentlich nie zu spät ist für jemanden, der Leidenschaft, Mut und Wille zusammenbringt.
Sie selber dient als bester Beweis dafür, dass speziell auf der Langstrecke die Ü-30-Fraktion im Vorteil ist, weil sie einen größeren Erfahrungsschatz als die jungen Draufgänger einbringen kann. Ausdauer allein macht eben noch keinen Champion.
Bislang stets ein wenig im Schatten von Anne Haug
Philipp hatte das Pech, in den vergangenen Jahren hierzulande etwas unter dem Radar zu laufen, weil eine andere Deutsche meist im Rampenlicht der Triathlon-Wettbewerbe stand. In der Regel landete nämlich Anne Haug quietschvergnügt vor ihr. Die inzwischen 41 Jahre alte Bayreutherin holte beim Ironman in Hawaii 2019 als erste deutsche Frau den WM-Titel und ließ danach in ihrem Ehrgeiz nicht nach. Dass Philipp in demselben Jahr Vierte und im vergangenen Jahr auf Big Island Dritte wurde, nahm die Öffentlichkeit allenfalls am Rande wahr.
Nun trägt die Organisation Ironman aus Profitgründen abwechselnd bei Männer und Frauen die WM in Frankreich und auf Hawaii aus. Und genau das half Philipp jetzt, weil ihr der Radkurs mit 2400 Höhenmetern entgegenkam.
Streckenprofil in Nizza kam Philipp im Gegensatz zu Hawaii entgegen
„Die Strecke in Nizza ist viel mehr auf mein Stärkenprofil zugeschnitten als die in Hawaii, wo es nur darum geht, gleichmäßig mit viel Power in die Pedale zu treten.“
Auch Brunnée überzeugt
- Aus deutscher und vor allem aus regionaler Sicht war auch das Ergebnis von Merle Brunnée (Bild) in Nizza ein Erfolg.
- Knapp 54 Minuten nach Siegerin Laura Philipp erreichte sie auf Rang 14 und damit als zweitbeste Deutsche das Ziel.
- Wie Philipp kommt auch Brunnée aus Heidelberg.
- Hauptberuflich ist die gebürtige Bremerin, die 2014 für ihr Studium nach Heidelberg kam, als Neuroradiologin am Universitätsklinikum tätig.
- In Nizza feierte sie nun ihr Debüt bei der Ironman-WM und legte mit Rang 14 einen Einstand nach Maß hin.
- Die 30-Jährige vom regionalen Engelhorn-Sports-Team überzeugte vor allem mit ihrer Aufholjagd nach dem Schwimmen. jab
Aber noch etwas fällt bei der neuen Ironman-Weltmeisterin aus Heidelberg auf: die fast versessene Tüftelei. Über vegetarische Ernährung oder zyklusbasiertes Training kann die Heidelbergerin mittlerweile Vorträge halten.
Jeden Tag ein Stück Kuchen hat der neuen Weltmeisterin nicht geschadet
Sie ist der festen Überzeugung, dass der Leistungssport keinen Fleischkonsum erfordert. „Als Vegetarierin, die sich auch mal vegan ernährt, fällt meine Wahl meistens auf jede Menge Gemüse“, schrieb sie mal auf ihren Social-Media-Kanälen, als sie einen „bunten Mix aus Pilzen, Karotten, Zwiebeln, Zucchini, Auberginen, Paprika, Fenchel, Kürbis und Süßkartoffeln“ empfahl. Es gehört aber auch zur Wahrheit, dass die Hundeliebhaberin täglich ein Stück Kuchen genießt.
Auch teilte sie die Erfahrungen, ihre Periode im Trainingsplan zu berücksichtigen. „Ich habe über die Jahre festgestellt, dass es wiederkehrend Tage gibt, an denen es mir schwerfiel, bestimmte Leistungsbereiche zu erreichen oder ich kämpfen musste für eine gewisse Pace, die mir eine Woche vorher extrem leichtfiel.“ Vergleichsweise spät sei ihr der Zusammenhang zwischen ihrem Zyklus und der Leistungsfähigkeit aufgefallen. Sie nutzt die Hormonschwankungen während des Zyklus nun, um weitere Prozentpunkte herauszukitzeln.
Seipps Weg vom Lehrer zum Toptrainer
Das wichtigste Puzzlestück auf ihrem Erfolgsweg ist fraglos ihr Trainer und Ehemann Philipp Seipp, mit dem sie in Neckargemünd lebt. „Laura hat alles zusammengebracht“, hielt der 39-Jährige in Nizza fest, während die neue Weltmeisterin betonte: „Philipp hat mich sehr gut eingestellt. Ich bin eigentlich viel zu schnell gelaufen, aber das musste so sein, denn ein WM-Titel muss auch wehtun.“
Seipp glaubt an einen langfristigen Leistungsaufbau. Wie seine Partnerin ist er ein Freiluftfanatiker, der sich auch als Manager und Mentor versteht. Nach dem Germanistik- und Sportwissenschaftsstudium arbeitete er als Lehrer, erkannte aber rasch Mängel im deutschen Sport- und Schulsystem.
Dem „Triathlon-Magazin“ sagte er einmal: „Im Sportabitur sind einige Unterrichtsinhalte so überaltert, dass sie heutzutage auf jeden Fall falsch sind.“ Er habe seine Schüler zwar auf den neuesten Stand der Wissenschaft gebracht, aber dann doch wieder dem System entsprechend die alten Inhalte abfragen müssen. Als er dann noch feststellte, „dass Lehrer mit Familie und Wohneigentum“ bei der Stundenplanbelegung Vorrang haben, zog er Konsequenzen und gab seine Verbeamtung auf Lebenszeit auf, um Philipp nach ganz oben zu bringen. Sechs Jahre später ist es geschafft.
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