Leichtathletik-EM

Kreislaufkollaps nach dem EM-Wettkampf: Malaika Mihambo und der gezogene Stecker

Der eigene Körper macht Malaika Mihambo bei den Leichtathletik-Europameisterschaften die Titelverteidigung zunichte. Eine Medaille holt sie dennoch, ehe dann gar nichts mehr geht. Entwarnung kommt erst in der Nacht

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Christian Rotter
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Drei Zentimeter fehlten zur EM-Titelverteidigung. „Nach dem zweiten Sprung haben mir die Körner gefehlt“, sagte Malaika Mihambo. © Sven Hoppe/dpa

München. Malaika Mihambo muss sich nichts mehr beweisen – und auch niemand anderem sonst. Die Weitspringerin der LG Kurpfalz hat vor einem Jahr den Olympiasieg gefeiert, gerade erst vor drei Wochen ihren WM-Titel verteidigt. Und doch ließ sie es sich nicht nehmen, bei der Heim-EM in München an den Start zu gehen. Auch nicht vom Coronavirus, mit dem sie sich nach ihrer Rückreise aus Eugene (USA) infiziert hatte.

Sie hätte gute Gründe gehabt, ihre EM-Teilnahme abzusagen. Elf Tage musste sie mit dem Training aussetzen, an eine gezielte Vorbereitung war nicht zu denken. Die Oftersheimerin ließ sich aber nicht beirren, wurde am Donnerstagabend mit 7,03 Metern hinter der überraschend starken Serbin Ivana Vuleta (7,06 m) Zweite – und zahlte dafür, dass sie auf die Zähne biss, einen hohen Preis.

Einen zu hohen? Nach der Ehrenrunde und einigen Interviews fuhr Mihambos Kreislauf in den Keller. Über den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) ließ sie den wartenden Pressevertretern ausrichten, dass sie wegen ihrer angeschlagenen Gesundheit nicht in die Mixed Zone kommen konnte. Die Sorgen wuchsen, doch noch in der Nacht gab der DLV Entwarnung. Mihambo gehe es schon wieder besser, hieß es.

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Am Tag nach dem Gewinn der EM-Silbermedaille mit all den widrigen Umständen äußerte sich die 28-Jährige im Teamhotel des DLV über ihren Gesundheitszustand. „Heute geht es mir wieder okay, jedenfalls deutlich besser als gestern Abend. Ich habe noch Kopfschmerzen und fühle mich nicht so fit. Ich merke, dass ich mich nicht so schnell erhole, wie ich es gewohnt bin.“

Außerhalb der eigenen Kontrolle

Mihambo ist in vielen Bereichen des Lebens ein Kopfmensch. Sie hat einen wachen Verstand, spricht auch unangenehme Dinge an und äußert Kritik dann, wenn sie angebracht ist. Die große mentale Stärke zeichnet sie aus. Sie schafft es auch in schier ausweglos erscheinenden Situationen, die Kontrolle über sich und den Wettkampf zu behalten. Am Donnerstagabend musste sie aber erkennen, dass das nicht immer möglich ist. Nicht so kurz nach einer Corona-Erkrankung. Nicht, wenn man geschwächt Weltklasseleistungen am Fließband abrufen muss.

Und die war von ihr gefordert. Mihambo gab zu, dass sie schlucken musste, als Vuleta im ersten Versuch die 7,06 Meter vorlegte. Es war ihr schon am Mittwoch nicht gut gegangen, auch am Donnerstagmorgen fühle sie sich noch schlapp. Vielleicht wusste sie es nicht, sie spürte es allerdings, dass sie nicht über die volle Distanz ihr ganzes Leistungsvermögen würde abrufen können. „Ich habe spätestens ab dem dritten Versuch gemerkt, dass ich auf dem Zahnfleisch gehe. Ich hatte kribbelige Beine und habe mein Bestes gegeben – mehr war nicht da.“

Malaika Mihambo landete bei 7,03 Metern, letztlich fehlten der Oftersheimerin nur drei Zentimeter zum erneuten EM-Gold. © Sven Hoppe/dpa

Bereits, als sie nach dem finalen Durchgang aus der Grube stieg, sei ihr schwindelig geworden. Dennoch machte sie sich auf zur Ehrenrunde. „Ich wollte die vielen Fans nicht einfach stehen lassen“, erklärte Mihambo, die sich wohl ein wenig zu viel aufhalste. Denn lange ging das erzwungene Durchhalten nicht mehr gut. Beim Interview mit der ARD merkte Mihambo, dass sie schlecht Luft bekam. „In diesem Moment wurde mir der Stecker gezogen. Ich bin an meine Grenze gegangen – und ein Stück darüber hinaus“, versuchte sie, das für sie ungewohnte Gefühl zu beschreiben: „Ich bin gewohnt, dass mein Körper funktioniert und ich gesund bin. Trotzdem bin ich froh, dass ich es versucht habe. Die Teilnahme an der Heim-EM war eine Herzensangelegenheit.“

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Die Frage, ob sie ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt habe, beantwortete Mihambo mit einem deutlichen Nein. Nach ihrer Corona-Infektion seien ihr Blut und ihr Herz gecheckt worden, außerdem wurde ihre Lungenfunktion überprüft. Das alles sind Maßnahmen, die das „Return-To-Sport“-Protokoll vorsehen, an das sich der DLV hält. „Malaika hatte bei ihrer Erkrankung leichte bis mittelschwere Symptome. Erst nach eingehenden Untersuchungen im Olympiastützpunkt Rhein-Neckar in Heidelberg wurde sie freigegeben für den Sport“, betonte DLV-Chefbundestrainerin Annett Stein. „Wir müssen akzeptieren, dass so eine Krankheit etwas mit uns macht und wir nicht unbedingt so zurückkommen, wie wir vorher waren.“

Mihambo zog nun die Konsequenzen. Nach Rücksprache mit ihrem Trainer Uli Knapp wird sie eine Wettkampfpause einlegen. Wie lange diese dauern wird, ist unklar. Den Start bei einem Meeting in der kommenden Woche hat sie aber bereits abgesagt. Ihr Körper hat ein Signal gesendet, auf das Mihambo hört.

Redaktion Koordinator der Sportredaktion

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