Franziska Steil
- Franziska Steil wurde am 31. Januar 1984 in Guben in der Niederlausitz geboren.
- Als Juniorin spielte sie für die deutsche Handball-Nationalmannschaft. In der Bundesliga wurde Steil 2011 mit dem Thüringer HC Deutscher Meister.
- 2012 beendete sie ihre Karriere aus gesundheitlichen und beruflichen Gründen, kehrte aber noch zweimal zur DJK/MJC Trier zurück.
- Seit 2021 trainiert sie die Damen der TSG Ketsch, die Kurpfalz Bären.
Ketsch. Öffentlich war das Thema lange eine Randnotiz. Erst die Recherchen des Magazins "Spiegel" brachten Unfassbares ans Licht: André Fuhr, mittlerweile beurlaubter Trainer des Frauenhandball-Bundesligisten Borussia Dortmund, hat seine Position über 16 Jahre hinweg für Demütigungen und Übergriffe gegenüber Spielerinnen ausgenutzt. Franziska Steil, Trainerin des Frauen-Zweitligisten Kurpfalz Bären Ketsch, spricht mit dieser Redaktion über den Fall.
Frau Steil, der ehemalige Bundesligatrainer André Fuhr soll Spielerinnen über Jahrzehnte hinweg systematisch und ohne Konsequenz psychologisch terrorisiert haben. Haben Sie dafür Worte?
Franziska Steil: Nein, und dafür gibt es auch nicht die richtigen Worte. Es macht sprach- und fassungslos. Es erschüttert die Menschlichkeit und hinterlässt bei mir Traurigkeit, Wut und auch ein Stück Hilflosigkeit. Ich wünsche den Betroffenen, dass sie mit der richtigen Hilfe ihre Traumata überwinden können. In allererster Linie hoffe ich allerdings, dass dieser Fall lückenlos mit allen Konsequenzen und notwendiger Transparenz aufgearbeitet wird.
Wie erklären Sie sich die Mauer des Schweigens, die es lange gab?
Steil: Erfolg - völlig egal, wie er erreicht wird - steht über dem Menschen. Funktionierst du als Spielerin nicht wie gewünscht oder wirst den Anforderungen nicht gerecht, bist du nichts wert. Du wirst kleingehalten, dir wird dein Selbstwertgefühl genommen - so haben es die Betroffenen beschrieben. Und offenbar war den handelnden Personen in Verein und Verband Image, Erfolg und Außendarstellung wichtiger als die betroffenen Spielerinnen. Anders kann ich mir nicht erklären, wie ein Trainer 16 Jahre lang seine Position derart systematisch und ohne einen Ansatz von Konsequenzen missbrauchen kann. Es steht mir nicht zu, ein Urteil zu fällen, aber der Verantwortung für die Spielerinnen sind die handelnden Personen in keiner Weise nachgekommen. Es gibt Stillschweigevereinbarungen, die Spielerinnen wurden ignoriert, ihnen wurde nicht zugehört. Man sollte den Verantwortlichen aufzeigen, was diesen jungen Menschen angetan wurde, wie das Geschehene ihre Zukunft, ihr Leben und ihr Sozialverhalten beeinflusst.
Wie gehen Sie als Trainerin der Kurpfalz Bären damit um? Wird das mit dem Team thematisiert?
Steil: Ich persönlich bin tief getroffen über das Ausmaß und die Dimension der Geschichte. Wir werden diese Thematik innerhalb der Mannschaft ein Stück weit aufarbeiten. Mit unserem Mentaltrainer Lukas Kirsch haben die Mädels zudem immer die Möglichkeit, sich auszutauschen. Ich als Trainerin verspüre eine noch größere Verantwortung für meine Spielerinnen und hinterfrage auch den einen oder anderen Kommentar, den ich aus der Emotion, der Leidenschaft für diesen Beruf und den Handball tätige. In erster Linie setze ich auf die Ehrlichkeit meiner Spielerinnen, die wissen, dass für mich Miteinander und Freude an dem, was wir tun, an erster Stelle stehen. Das hört sich im ersten Moment sicherlich naiv an, aber ich bin lange genug dabei, um zu wissen, wie Profisport funktioniert. Druck und ein rauer Ton gehören dazu. Aber die Mädels sind bei mir zuallererst mal Menschen.
Haben Sie als Bundesligaspielerin zu Ihrer aktiven Zeit ähnlich schlechte Erfahrungen gemacht?
Steil: Nein, in keiner Weise.
Der Grat zwischen fordern und überfordern ist schmal. Welchen Rahmen nimmt der psychologische Aspekt bei der Trainerschulung ein?
Steil: In der B-Lizenz-Ausbildung wurden psychologische Aspekte berücksichtigt, ohne dabei in die Tiefe zu gehen. Die Anforderungen des Trainerjobs sind unfassbar komplex geworden. Vor allem, wenn du das nebenberuflich machst. Ich habe in Ketsch externe ausgebildete Hilfe im mentalen Bereich, was mich aber auch nicht immer schützt. Sprache kommt bei 14 Spielerinnen 14 Mal unterschiedlich an.
Der Aufschrei bei aufgedeckten Skandalen ist zunächst immens, nachhaltige Veränderungen sind leider zu selten spürbar. Was muss sich verbessern, um Spielerinnen in Zukunft wirklich zu schützen?
Steil: Betroffene Spielerinnen sollten den Mut aufbringen, sich zu äußern, sollten sich selbst so wichtig sein, um zu erkennen, dass niemand das Recht hat, sie zu missbrauchen - egal in welcher Form. Mit der unabhängigen Stelle "Anlauf gegen Gewalt" gibt es eine Plattform für Betroffene. Es erfordert sehr viel Mut, sich zu öffnen, sich vor fremden Menschen zu entblößen. Aber ich glaube, dass das der einzige Weg ist, um solchen Machenschaften ein Ende zu setzen. Wir sollten als Vereine hinschauen und etwas tun, wenn wir können. Diese Kultur des Wegsehens ist fürchterlich. Wer wegschaut - wohlwissend, dass es falsch ist - macht sich zum Mittäter. Wir alle tragen Verantwortung für das, was wir sehen und dafür, wie wir handeln.
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