Jan Kotulla
heidelberg. Frikadellen oder Maultaschen - in jüngster Zeit müssen die Arbeitsgerichte vermehrt über Fälle entscheiden, in denen fristlose Kündigungen mit unüberbrückbarem Vertrauensverlust begründet werden. Das ist im Fall von Nicolas Wucherer, dem suspendierten Leiter des Olympiastützpunktes Rhein-Neckar, nicht anders.
Beim Gütetermin hatten gestern beide Parteien - der OSP wurde von Präsident Heinz Janalik und Schatzmeister Friedrich Rinne vertreten - Gelegenheit, sich noch einmal zu äußern. Nach zweieinhalb Stunden stand fest: Eine gütliche Einigung kommt für die Kontrahenten nicht in Frage. "Ich kann den Argumenten der Gegenseite nicht folgen", erklärte Wucherer nach der Verhandlung im Gespräch mit unserer Zeitung.
Dass sich dieser Fall von vielen anderen abhebt, verdeutlichte Richter Lothar Jordan: "97 Seiten an Schriftsätzen, das ist schon ungewöhnlich." Der Richter ging sorgfältig alle sieben Kündigungsgründe durch. Wucherer, der seit 1. Dezember 2008 am OSP tätig war, wird unter anderem vorgeworfen, er habe bei der Abrechnung eines Unfallschadens versucht, einen Versicherungsbetrug zu begehen. Zudem soll er einen Dienstwagen unberechtigt privat genutzt haben. Bei der Einstellung einer Mitarbeiterin soll sich der 39-Jährige über die Anweisung des Bundesverwaltungsamtes hinweggesetzt und ihr ein höheres Gehalt zugesichert haben. Zudem sei es zu Unregelmäßigkeiten bei einem Besuch einer Gruppe von Sponsoren und Funktionären anlässlich der Leichtathletik-WM gekommen.
In diesem Zusammenhang zeigte sich Jordan verwundert: "Als Leitender Angestellter muss er doch ein Budget selbstständig verwalten können." Rechtsanwältin Kerstin Reiserer verneinte dies jedoch im Namen des OSP. "Ich habe mir unter einem OSP-Leiter etwas anderes vorgestellt, als jemanden, der über keinerlei Budget verfügen darf", erklärte der Richter daraufhin. Es war nicht das einzige Mal, in dem er die Qualität der Argumente bemängelte: "Von dem, was ich jetzt höre, bin ich verwundert, dass man nicht zusammenkommt und vernünftig auseinandergeht. Ich lege ihnen dringend nahe, dass der Kläger ordentlich aus seinem Vertrag ausscheidet." Das könnte zum 31. Oktober 2009 sein. Zudem schlug der Richter eine Abfindung von rund 60 000 Euro vor. Die Parteien haben bis zum 17. November Zeit, Stellung zu nehmen. "Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Kündigung konstruiert wurde", erklärte Wucherers Rechtsanwalt Jürgen Leister.
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