Sinsheim. Das Drehbuch dieses Fußball-Spektakels sah einen perfekten, fast schon kitschigen finalen Akt vor. Nach einem Bilderbuch-Angriff hatte Andrej Kramaric die Chance, das wilde Bundesliga-Topspiel gegen Bayern München zu entscheiden. Der Ball landete auf seinem rechten Fuß, der Kroate zog ab – und musste Sekundenbruchteile später erkennen, dass Manuel Neuer ein Weltklasse-Torhüter ist. Der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft fuhr die rechte Pranke aus und sicherte dem Tabellenführer damit das 1:1 (1:1)-Remis bei der stark aufspielenden TSG 1899 Hoffenheim.
„Es war ein sehr intensives Spiel. Es hätte auch 5:5 ausgehen können. Auch ich selbst hätte ein paar Tore erzielen können“, sagte Kramaric, der durchaus nicht mit Selbstkritik sparte. Der 30-Jährige zählte nach der Partie dennoch zu den am meisten gefeierten TSG-Profis, obwohl er nicht nur in der 79. Minute eine gute Gelegenheit ausließ. Unmittelbar vor dem Anpfiff verkündete der Club das, was vor einigen Wochen noch die Wenigsten erwartet hätten: Kramaric verlängerte seinen Vertrag in Hoffenheim – und das gleich bis 2025. Und er garnierte die Unterschrift mit Sätzen, die sich eine PR-Abteilung nicht besser hätte ausdenken können: „Hoffenheim bedeutet alles für mich. Ich bin überglücklich hier, der Club hat mir so viel gegeben, ich liebe diesen Verein. Ich bin schon seit mehr als sechs Jahren hier, der Verein ist zu meiner zweiten Heimat geworden.“
Volles Haus, volle Pulle
Vor 25 600 Zuschauern in der unter den geltenden Corona-Regeln ausverkauften Arena erlebte Kramaric ein Spitzenspiel, das den Erwartungen gerecht wurde. Die Bayern bestimmten nach einer für sie holprigen Anfangsphase zwar das Spiel über weite Phasen, doch die Hoffenheimer hielten in einer begeisternden Begegnung mit großer offensiver Wucht dagegen. „Wir haben gegen eine der besten Mannschaften der Welt gespielt, da kann man auch mal mit einem Unentschieden zufrieden sein“, betonte Kramaric, der es auch verschmerzen konnte, dass sein Team aus den Champions-League-Plätzen rutschte.
Aus Hoffenheimer Sicht begann das Spiel, wie es endete: mit einer Kramaric-Chance. Nach einem Ballgewinn an der Mittellinie schalteten die Kraichgauer schnell um, der Kroate legte sich den Ball im Sechzehner noch auf den rechten Fuß, scheiterte aber im ersten Versuch an Neuer und im zweiten an Benjamin Pavard, der in dieser Szene Kopf und Kragen riskierte (5.). Das weckte die Bayern auf. Serge Gnabrys Flanke hätte Kevin Vogt um ein Haar ins eigene Tor befördert, der Ball klatschte an den Außenpfosten (12.). Dann hielt Thomas Müller seinen Fuß in eine Hereingabe von Kingsley Coman, Oliver Baumann tauchte ins bedrohte Eck ab (16.). Und als Müller das erste von drei Abseits-Toren erzielte (27.) merkten die Münchner, dass nicht alles ganz so einfach von der Hand ging.
Mit dem Herz in der Hand
Auch wenn Torjäger Kramaric diesmal leer ausging, war er am Hoffenheimer Treffer beteiligt. Er leitete den Angriff über die linke Seite ein, Christoph Baumgartner drückte eine Flanke von David Raum zum 1:0 über die Linie (32.). „Wir haben heute das Herz in die Hand genommen und den Zuschauern ein Spektakel geboten“, sagte TSG-Trainer Sebastian Hoeneß, der nur das Zustandekommen des Ausgleichs in der Nachspielzeit der ersten Hälfte monierte: „Das 1:1 hat mich geärgert, weil wir es vorher besser verteidigen müssen.“ Nach einem Eckball stieg Robert Lewandowski hoch und erzielte per Kopf sein 29. Saisontor.
Es gehörte zur Wahrheit der Partie, dass die Bayern nach der Pause dem Sieg näher waren. Leroy Sané verpasste das lange Eck (50.), dann kratzte Baumann einen Schuss des Nationalspielers spektakulär aus dem Eck (55.). Gnabry traf den Pfosten, Jamal Musiala das Außennetz (beide 68.). Müller hatte die Vorentscheidung ebenfalls auf dem Fuß. Mit seinem Schuss hatte er Baumann geschlagen, Stefan Posch klärte vor der Linie zunächst mit dem Körper, dann sprang dem Österreicher der Ball an den Arm. Schiedsrichter Robert Schröder ließ weiterspielen (73.). Bayern-Trainer Julian Nagelsmann hätte sich in dieser Situation durchaus eine andere Regelauslegung vorstellen können.
Nachdem Jacob Bruun Larsen den Lucky Punch für Hoffenheim verpasst hatte – sein Kopfball landete in Neuers Armen (90.) – bereitete Hoeneß der „lebenden TSG-Legende“, wie Manager Alexander Rosen Kramaric bezeichnete, den verdienten Abgang. Als er das Feld verließ, erhoben sich die Hoffenheimer Fans zum Applaus. Es war ein fast perfektes Drehbuch.
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