München. Jacqueline Otchere hatte viel Zeit zum Nachdenken. Erst als die Qualifikation bei der Leichtathletik-EM in München für die Stabhochspringerin der MTG Mannheim bereits seit 80 Minuten beendet war, durfte sie den Innenraum des Olympiastadions verlassen. Doch auch da hatte die 26-Jährige noch keinen schlüssigen Erklärungsansatz parat, warum sie mit dreimal gerissenen 4,25 Metern das Finale der Top Zwölf deutlich verpasst hatte. „Meine letzten Trainingseinheiten waren top, und ich bin mit einem richtig guten Gefühl hierher gekommen“, betonte Otchere und haderte mit ihrem Anlauf: „Im Einspringen und auch in den ersten Wettkampfversuchen bin ich zu früh abgesprungen. Ich habe zwar noch probiert, zu reagieren, es hat aber nicht mehr geklappt.“
Noch vor drei Wochen hätte der Schützling von Alex Rupp die Welt umarmen können. Erst über Umwege hatte Otchere das Ticket für die WM in Eugene gelöst, an der amerikanischen Westküste dann aber gezeigt, dass sie sich völlig zurecht mit den besten Stabhochspringerinnen der Welt messen durfte. Sie qualifizierte sich nicht nur mit einer beeindruckenden Lockerheit für das Finale, sondern landete in diesem mit 4,45 Metern zudem auf einem respektablen zehnten Platz.
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Dieser Appetitanreger hatte Otchere auf den Geschmack gebracht. Selbst eine kleine Verletzung, die sie mit zurück nach Mannheim brachte, sollte sie nicht aufhalten. Die Arbeit mit einer Sportpsychologin und einem Mentaltrainer schien sich auszuzahlen. Ihre Hoffnungen erfüllten sich jedoch nicht. Also von himmelhochjauchzend zu zu Tode betrübt? „Ja, so ähnlich lassen sich die vergangenen drei Wochen wohl zusammenfassen. Die WM lief mit der Qualifikation fürs Finale und dem zehnten Platz natürlich klasse. Die EM ist einfach nur super-enttäuschend und traurig“, gab sie einen ehrlichen Eindruck in ihr Gefühlsleben.
„Es tut mir total leid“
Bereits um 10.25 Uhr mussten die Stabhochspringerinnen am Montag, dem ersten Leichtathletik-Wettkampftag bei den European Championships ran. Schon mit den gemeisterten 4,10 Metern war Otchere alles andere als zufrieden, bei der nächsten Höhe sollte sich das mulmige Gefühl bestätigen, obwohl das Publikum im zu diesem frühen Zeitpunkt schon gut gefüllten Olympiastadion alles gab. „Es tut mir auch total leid, dass ich den Leuten, die da waren, nicht zeigen konnte, was ich drauf habe“, sagte Otchere. „Mein Physiotherapeut Marcus Hirschbiel ist zum Beispiel extra aus Berchtesgaden gekommen, um mich springen zu sehen. Er war zum ersten Mal bei einem Wettkampf dabei. Ich bin eigentlich in besserer Form als bei der WM, das ist frustrierend.“
Es wird wohl ein wenig dauern, bis Otchere diesen Rückschlag verkraftet hat. „Ich werde mir nachher mit meinem Trainer Alex Rupp noch einmal meine Sprünge anschauen und genauer analysieren“, sagte sie über die weitere Tagesplanung. Und dann? Wird sie sich das Finale am Mittwoch anschauen, das mit Anjuli Knäsche (LG Leinfelden-Echterdingen/4,40 m) auch die zweite Deutsche verpasste? „Nein, ich werde gleich weiter nach Berchtesgaden fahren, um mich dort auf die letzten Wettkämpfe vorzubereiten.“
Noch hat Otchere ein Ziel, das sie in diesem Jahr erreichen will: „Ich versuche, höher zu springen als die 4,50 Meter von der WM. Ich kann die Saison einfach nicht mit solch einer Höhe beenden!“, betonte die 26-Jährige mit einer Mischung aus Zuversicht und Trotz: „Es wird Zeit, dass ich meine Bestleistung steigere, die ist immerhin schon vier Jahre alt.“
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