Von den Bolzplätzen der Mannheimer Neckarstadt auf die größte Bühne, die es im Clubfußball gibt. Wenn am 10. Juni in Istanbul das Finale der Champions League angepfiffen wird, könnte mit Hakan Calhanoglu auch ein gebürtiger Mannheimer auf dem Rasen des Atatürk-Stadions stehen. Als erst zweiter in der Quadratestadt geborener Fußballprofi überhaupt.
Das 2:0 von Inter Mailand mit Calhanoglu im Hinspiel des Halbfinales gegen Calhanoglus Ex-Club AC Milan stößt die Tür für den türkischen Nationalspieler und seine Teamkollegen ganz weit auf. Vor allem dank einer furiosen Anfangsphase verschaffte sich Inter eine glänzende Ausgangsposition für das Rückspiel am Dienstag. Die Ex-Bundesligaprofis Edin Dzeko (8. Minute) und Henrich Mchitarjan (11.) stellten die Weichen früh auf Sieg, wobei Calhanoglu das 1:0 mit einem von ihm gewohnt schnittig getretenen Eckball vorbereitet hatte.
Nur fünf Minuten nach dem zweiten Inter-Treffer hätte der 29-Jährige den Blitzstart seines Teams perfekt machen können. Doch Calhanoglus 25-Meter-Hammer knallte nur an den Pfosten.
Calhanoglu: "Der Job ist noch nicht erledigt"
Auch ohne einen dritten Treffer ist das Finale für Calhanoglu, Dzeko und Co. nun aber ganz nah. Vor allem der schon 37 Jahre alte Bosnier trumpfte im San-Siro-Stadion auf, als wäre er zehn Jahre jünger. In seinem mindestens dritten Fußballerfrühling ist der Ex-Profi des VfL Wolfsburg auf dem besten Weg, seine Karriere mit dem größtmöglichen Showdown zu krönen.
„Es ist noch nichts vollbracht“, warnte der 37-Jährige zwar pflichtschuldig. Und auch Calhanoglu verkündete via Instagram: „Der Job ist noch nicht erledigt.“
Dzekos schwanenhaftes Tor
Die derzeitige Form der „Nerazzurri“ und die personellen Sorgen von Milan lassen die Chancen auf eine Inter-Enttäuschung im Rückspiel aber arg schrumpfen. Mit „mindestens einem Bein im Finale“ sieht daher nicht nur die Zeitung „Tuttosport“ das Dzeko-Team.
„Schwan von Sarajevo“ wird der Bosnier in Italien genannt. Der Spitzname gefällt Dzeko. Und er machte ihm am Mittwoch vor mehr als 75 000 Zuschauern alle Ehre. Schwäne sind elegante Tiere, aber wehe, wenn sie zubeißen.
Prominente Gesellschaft im Ü-30-Club
Entsprechend galant und effektiv war dann auch Dzekos Treffer zum 1:0. Nach dem Calhanoglu-Eckball ließ sich der Bosnier nicht aus dem Gleichgewicht bringen, balancierte auf dem rechten Bein und schoss den Ball mit links volley ins Tor. „Deshalb ist er der Schwan“, hieß es auf Inters Instagram-Account.
Als erst siebtem Profi gelangen Dzeko mindestens 20 Tore in der Königsklasse nach dem 30. Geburtstag. In diese Ü-30-Statistik schafften es zuvor nur Cristiano Ronaldo, Lionel Messi, Robert Lewandowski, Karim Benzema, Zlatan Ibrahimovic und Didier Drogba.
Den Hype haben andere als Dzeko
Dzeko wirkte in seiner Karriere oft wie einer, der noch erfolgreicher hätte sein können. Mit Wolfsburg wurde er 2009 sensationell Meister und avancierte zu einem der begehrtesten Stürmer in Europa. Zwei Jahre später holte ihn Manchester City für die damalige deutsche Rekordablösesumme von 35 Millionen Euro auf die Insel. 2015 ging er zur AS Rom, sechs Spielzeiten später wechselte er innerhalb der Serie A zu Inter.
Die Mailänder wissen mittlerweile, was sie an ihm haben. In der Champions League ist Dzeko gesetzt, auch wenn der Hype um Romelu Lukaku stets größer war. Aber das kennt Dzeko schon aus Manchester, woran dessen Ex-Mitspieler Micah Richards erinnerte.
Schon 2018 fast im Finale
„Alle sprachen damals über Agüero, Balotelli oder Tevez. Dzeko spielte die zweite Geige“, so der heutige TV-Experte. Im legendären Match des letzten Spieltages 2012, als Agüero mit der letzten Aktion der Treffer zur Meisterschaft gelang, sei es aber eben Dzeko gewesen, der in der Nachspielzeit mit seinem Ausgleich erst den Coup ermöglichte, hob Richards hervor.
In Rom blühte Dzeko dann erneut auf und war 2018 in einem famosen Halbfinale gegen den FC Liverpool bereits einmal kurz vor dem Einzug ins Endspiel der Königsklasse. Nun soll es so weit sein.
Herrlich bislang einziger Mannheimer im Endspiel
Auch für Calhanoglu würde sich mit dem Finale ein Traum erfüllen. Noch dazu in der Türkei, dem Land seiner Vorfahren und seines Nationalteams, für das er schon 76 Mal aufgelaufen ist.
Vor ihm stand mit Heiko Herrlich nur ein weiterer gebürtiger Mannheimer in einem Champions-League-Endspiel - 1997 mit Borussia Dortmund. An seiner Seite damals mit dem Lambsheimer Jürgen Kohler auch ein Eigengewächs des SV Waldhof.
Kohler und Herrlich holten sich damals in München durch einen 3:1-Erfolg gegen Juventus den Henkelpott. 26 Jahre später hat mit Calhanoglu wieder ein Mannheimer die große Chance darauf. (mit dpa)
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