Heilbronn. Fabian Wegmann hat einen intensiven Radsport-Sommer hinter sich. Als TV-Experte begleitete der 44-Jährige die Tour de France und die olympischen Straßenrennen. Ab Mittwoch ist er dann als Sportlicher Leiter der Deutschland-Tour gefordert. Im Interview äußert er sich auch zur Radsportbegeisterung in Deutschland.
Herr Wegmann, ich erwische Sie gerade im Kurzurlaub in Kärnten. Haben Sie als Sportlicher Leiter kurz vor dem Start der Deutschland-Tour überhaupt Zeit für eine Verschnaufpause?
Fabian Wegmann: Das war das einzig mögliche Zeitfenster in diesem Sommer. Meine Hauptarbeit ist bereits getan, organisatorischen Angelegenheiten und Anfragen der Teams oder der Presse kann ich nebenbei telefonisch nachkommen.
Worin besteht die Hauptarbeit des Sportlichen Leiters?
Wegmann: Gemeinsam mit unserem Streckenverantwortlichen, Albrecht Röder, die Etappen zu planen. Wenn fix ist, welche Städte Start- und Zielorte sind, geht es darum die Strecken sportlich interessant, attraktiv und vor allem sicher miteinander zu verbinden. Wir können nicht immer fahren, wo wir gerne entlangfahren würden. Jede Etappe soll aber einem Klassiker entsprechen. Damit wollen wir die Fahrer ansprechen, die sich jetzt gezielt auf die Weltmeisterschaft Ende September in Zürich vorbereiten.
Fahren Sie die Strecken ab, nutzen Sie Online-Kartenanbieter oder kennen Sie einfach jede Straße in Deutschland?
Wegmann: Ja, beinahe (lacht). Wenn ich Gebiete nicht kenne, dann kenne ich bestimmt jemanden, der in der Ecke wohnt und Rad fährt. Da arbeiten wir mit Vereinen oder Ex-Profis vor Ort zusammen. Natürlich nutzen wir auch Online-Tools. Wir fahren aber auch an Ort und Stelle, um uns die Strecken anzuschauen.
Die Radsportbegeisterung in Deutschland scheint wieder zu wachsen. Gute TV-Quoten und viele deutsche Fans bei der Tour de France sprechen dafür.
Wegmann: Absolut. Dabei haben wir in Deutschland aktuell gar keine Fahrer, die um den Tour-Sieg mitfahren können.
BDR-Sportdirektor Patrick Moster hat mehr Großereignisse in Deutschland gefordert - wie etwa eine Weltmeisterschaft.
Wegmann: Natürlich würde eine WM in Deutschland das Interesse schüren. Entscheidend ist eine nachhaltige Förderung, wie sie die Briten im Vorfeld der Olympischen Spiele 2012 in London betrieben haben. Dadurch haben sie eine ganze Reihe Spitzenfahrer entwickelt.
Fabian Wegmann
- Der 44-jährige Münsteraner begann seine Profikarriere 2002.
- 2004 gewann er als erster Deutscher die Bergwertung des Giro d’Italia. Zudem wurde er dreimal Deutscher Meister auf der Straße.
- 2016 beendete er seine Karriere und wurde unter anderem TV-Experte bei der ARD.
- Seit 2018 ist er Sportlicher Leiter der Deutschland-Tour und und weiterer Rennen wie Eschborn-Frankfurt.
Wo hakt es im deutschen Fördersystem?
Wegmann: Die starken Sportarten werden gestärkt, die anderen finanziell kaum unterstützt. Es ist bitter, dass der Radsport mehr Förderung erhalten hätte, wenn Maximilian Schachmann beim olympischen Zeitfahren unter die Top Acht gefahren wäre. Er ist Neunter geworden. Das handhaben andere Länder nicht so willkürlich.
Neben dem fehlenden Großereignis sind auch kleinere Rennen in Deutschland eingestellt worden.
Wegmann: Die Auflagen sind oft unterschiedlich. Wir haben für die Deutschland-Tour mit der A.S.O. (Amaury Sport Organisation, die unter anderem die Tour de France veranstaltet, Anm. d. Red.) echte Profis auf diesem Gebiet hinter uns. Der Aufwand für ein Amateur- oder Nachwuchsrennen ist aber nicht geringer. Es wäre schön, wenn es unbürokratischer ginge. Oft müssen Straßen nur für eine halbe Stunde gesperrt werden. In Frankreich übernimmt das die Polizei, in Deutschland müssen Streckenposten gefunden werden. Ich habe aber den Eindruck, dass auch behördlicherseits die Akzeptanz wächst.
Wie wichtig war der Einstieg eines Unternehmens wie Lidl für die Deutschland-Tour?
Wegmann: Das ist großartig. Wir waren länger auf der Suche nach einem Hauptsponsor. Das ist ähnlich wie der Einstieg von Red Bull beim deutschen Team Bora-Hansgrohe ein wichtiges Zeichen - auch an weitere Unternehmen.
Gerade läuft die Tour de France der Frauen. Wird es auch eine Deutschland-Tour der Frauen geben?
Wegmann: Das ist Zukunftsmusik. Mit unserer Newcomer-Tour für U-17-Juniorinnen haben wir einen Anfang gemacht. Entscheidend ist, dass auch hierfür Geldgeber gefunden werden.
Wer ist Ihr Favorit auf den Deutschland-Tour-Sieg?
Wegmann: Filippo Ganna ist sehr motiviert. Da ist nur die Frage, ob er über die Berge kommt. Das Aufgebot von Lidl-Trek ist sehr stark. Die sind für mich der absolute Favorit.
Werden Sie auch als Sportlicher Leiter für die ARD aus dem Auto heraus kommentieren?
Wegmann: Nein, das auf keinen Fall. Florian Naß muss das wohl mal alleine hinbekommen.
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