Das deutsche Leicester

Viel ist in diesen Tagen über das Wunder von Leicester geredet worden. Ein Abstiegskandidat aus der englischen Provinz, der in der reichsten Liga der Welt auf wundersame Weise den Titelgewinn feiert. Eine deutsche Version dieser unglaublichen Geschichte vom Lohn harter, ehrlicher Arbeit hat in dieser Saison der SV Darmstadt 98 geschrieben.

Platz 18 - diese Position prognostizierten fast alle Experten der Republik dem Sensationsaufsteiger aus Südhessen, der mit einem Mini-Etat von 15 Millionen Euro im Fußball-Oberhaus chancenlos schien. In den vergangenen Jahren hatte es zudem genügend Beispiele von Vereinen mit ähnlichem Ansatz gegeben, die als Bundesliga-Eintagsfliegen endeten: Greuther Fürth, Braunschweig, Paderborn oder Düsseldorf. Bei den Darmstädtern kam erschwerend hinzu, dass sie schnurstracks von der Dritten in die Erste Liga durchmarschiert waren und deshalb gar nicht über die erforderlichen Rahmenbedingungen für Bundesliga-Fußball verfügen konnten.

Dass die Lilien dennoch den verdienten Klassenerhalt geschafft haben, ist tatsächlich ein kleines Wunder, zumindest eine Sensation erster Güteklasse. Trainer Dirk Schuster ist es gelungen, aus einem Kader von Gescheiterten, Mit-nach-oben-Geschwemmten und Anderswo-Verkannten ein schwer bezwingbares Kollektiv von Kriegern zu formen. Der Darmstädter Fußball war sicher nicht immer schön anzuschauen, aber Schuster wählte die einzig mögliche Überlebensstrategie: totale Leidenschaft, unerschütterliche Mentalität, klar defensive Ausrichtung - und die nötigen Tore über Konter und Standardsituationen.

Doch für Darmstadt ist nach dem Wunder gleichzeitig auch vor dem nächsten Wunder: Leistungsträger wie Sandro Wagner werden weiterziehen, noch einmal im Konzert der Großen dabei zu bleiben, wird die nächste Herkulesaufgabe. Wobei: Schuster ist mittlerweile zuzutrauen, dass er auch das wieder schafft.