Doha. Die meisten Schalensitze im Al-Ahli-Stadion sind bereits vergilbt, was kaum verwundert, weil es in einem der ältesten Fußballstadien von Katar kaum Schattenplätze gibt. Einen aber hatte Keylor Navas am Montag gefunden, als sich die meisten Nationalspieler Costa Ricas bereits in praller Sonne auf ihrem Trainingsplatz die Bälle zuspielten.
Der Keeper lehnte derweil am Tisch des Videoanalysten, der hinter dem Beobachtungsturm seinen Laptop aufgeklappt hatte. Angeregt redeten die beiden miteinander und natürlich war nicht zu ermitteln, ob es bereits um das Gruppenspiel von Costa Rica gegen Deutschland (Donnerstag, 20 Uhr/live in der ARD) oder eher um Belanglosigkeiten des Lebens ging.
Vielleicht ja auch um beides, weil auch der Keeper und Kapitän eine Doppelrolle spielt: Er ist beim nächsten Gegner der DFB-Auswahl Rückhalt, Ratgeber – und auffälligste Figur. Beim 1:0-Erfolg gegen Japan kleidete sich der 35-Jährige ganz in Schwarz, nachdem er beim 0:7 gegen Spanien noch bunte Kluft getragen hatte. Selbst seine Schuhe kamen am Sonntag ohne Farbtupfer aus, sodass die blondierten Haare noch mehr hervorstachen.
Als „Man in Black“ hätte Navas nach dem Match eigentlich die Auszeichnung zum „Man of the Match“ gehört. Wobei es dem Schlussmann von Paris Saint-Germain nach seinem tadellosen 109. Länderspiel ganz recht gewesen sein dürfte, dass die Wahl auf Siegtorschütze Keysher Fuller fiel. Schließlich hatte der Keeper eine solche Trophäe beim Triumphzug bis ins Viertelfinale der WM 2014 gleich dreimal erhalten, was ihm stets Pflichttermine vor der Weltpresse einbrachte – und die sagen ihm nicht wirklich zu.
Bei PSG nur noch Nummer zwei
Selbst beim sehr entspannten Medientross aus seiner Heimat wird die Torwartikone als „eigenwilliger Typ“ verortet. Dafür redet sein Trainer Fernando Luis Suarez gerne von einem Vorbild, dessen Strahlkraft weit über das kleine Land mit seinen vielen Naturschönheiten hinausreiche: „Er ist im Fußball weiter gekommen als jeder andere Mittelamerikaner. Er hat dreimal die Champions League gewonnen. Wenn er zur Nationalelf kommt, bringt er ein PSG-Trikot mit allen Autogrammen mit und verlost es unter den drei jüngsten Spielern der Nationalelf“, verriet der Kolumbianer der „Süddeutschen Zeitung“.
Navas hatte zuletzt jedoch keine einfache Zeit in Europa. Bei Real Madrid brach der bei den Königlichen durchaus beliebte Keeper seine Zelte 2019 ab, weil ihm der Belgier Thibaut Courtois den Rang abgelaufen hatte. Bei Paris hat sich der Italiener Gianluigi Donnarumma durchgesetzt. Beide Kontrahenten sind jünger und größer als der mit 1,85 Meter wenig imposant gebaute Costa-Ricaner, dem der Mangel an Spielpraxis aber nichts ausmacht.
Seinen Nationalcoach weiß Navas sowieso auf seiner Seite. „Keylor ist ein Krieger. Es ist nicht das erste Mal, dass er derart kämpfen muss. Bei Real Madrid war das auch schon so. Natürlich wäre es besser, wenn er spielen würde“, sagt Suarez.
Der 62-Jährige hatte den Job bei den „Ticos“ erst angetreten, als diese in der Qualifikation schon fast hoffnungslos im Hintertreffen lagen. Als eine seiner ersten Amtshandlungen baute er ein Vertrauensverhältnis zu seinem Anker zwischen den Pfosten auf. „Bei meinem Gespräch mit Keylor sagte er als erstes: ‚Ich glaube, das wird meine letzte WM sein – und ich will dabei sein. Sie können immer auf mich zählen.“
Legendenstatus seit 2014
Navas gehört genau wie Joel Campbell, Bryan Ruiz oder Celso Borges – die alle noch weit mehr Länderspiele gemacht haben – zu jenen Veteranen, die sich vor acht Jahren bei der WM in Brasilien Legendenstatus erworben haben.
Allüren würde seine Nummer eins aber nicht zeigen, betont der Trainer. „Die Leute glauben, er säße in einem Olymp – irgendwo dort oben. Aber so ist es nicht.“ Dass sich der Torwart nun im Training mal ein bisschen schonte, wirkte vor der Herausforderung im Al-Bayt-Stadion nur allzu verständlich: Auf ihn dürfte Schwerstarbeit zukommen. Aber Keylor Navas fühlt sich bereit für die nächste Herausforderung.
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