Gewichtheben - Historisches Duell zwischen Speyer und Obrigheim

Bei 3,6 Tonnen entscheiden 800 Gramm

Von 
Roland Karle
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Auch Nico Müllers Top-Leistung gegen Speyer reichte nicht für den Obrigheimer Sieg in der Bundesliga der Gewichtheber. © Stefan Weindl

Zu beschreiben, was sich am Samstagabend beim Gewichtheber-Gipfel in Speyer abspielte, fiel sogar den unmittelbar Beteiligten schwer. Die Gastgeber veröffentlichten auf ihrer Facebookseite einfach das Wettkampfprotokoll und schrieben dazu: „Ohne Worte“. Im Duell der ewigen Rivalen besiegte AV Speyer den SV Obrigheim mit 844:843,2-Relativpunkten. Ein Unterschied von gerade mal 0,8 Punkten oder 800 Gramm – und das nach einem Wettkampf, in dem die zwölf Athleten beider Teams im gewerteten Zweikampf über 3,6 Tonnen bewegt hatten.

Als Manuel Noe dann am Sonntag beim Frühstück saß, wurde ihm nochmals bewusst, wie knapp es ein paar Stunden zuvor zugegangen war. „Dieser eine Beutel Milch“, sinnierte Obrigheims Sportlicher Leiter darüber, wie wenig seinem Team am Ende fehlte, „hätte schon gereicht, um zu gewinnen“. Besonders bitter: Die Neckar-Odenwälder zogen in beiden Disziplinen den Kürzeren, sowohl im Reißen als auch im Stoßen fehlten 0,4-Relativpunkte zum Gleichstand. Einen Vorwurf wollte Noe niemandem machen, im Gegenteil: „Unsere Jungs haben alles gegeben, sie können stolz auf ihre Leistung sein.“

Vorneweg gilt das für Nico Müller. Der Europameister befindet sich zwei Wochen vor der WM in Turkmenistan in glänzender Verfassung. Zum ersten Mal in seinem Leben stieß er unter lautem Jubel der gut 50 mitgereisten Fans aus seiner Heimat 200 Kilo. An die Neueinteilung der Gewichtsklassen, in deren Folge Müller nun bis 81 statt 77 Kilo auf die Waage bringen darf, hat er sich schnell angepasst und das höhere Körpergewicht in mehr Leistung übersetzt. „Ich bin sehr zufrieden, wie sich Nico präsentiert hat. Er hat die guten Eindrücke aus dem Training auf der Bühne bestätigt“, kommentierte Oliver Caruso den Auftritt seines Schützlings. Im Reißen verpasste Müller einen persönlichen Rekord, 158 Kilo erwiesen sich als zu schwer. Sein Trainer hat genau hingeguckt. „Der Ablauf hat nicht optimal gestimmt, da geht es um Feinheiten. Aber ich denke, das bekommen wir hin“, so Caruso.

Nico Müller bester Heber

Am Samstag war Nico Müller mit 189,2 Punkten der mit Abstand beste Heber des gesamten Wettkampfs, dahinter folgte Almir Velagic. Der ehemalige Obrigheimer, inzwischen seit gut acht Jahren für Speyer an der Hantel, sammelte 159 Relativpunkte – und er war mal wieder die Siegesversicherung der Pfälzer. Sowohl im Stoßen als auch im Reißen brachte er durch seine gültigen dritten Versuche sein Team uneinholbar in Führung. Denn keiner der deutlich leichteren Obrigheimer konnte mehr Kilo aufrufen als der Superschwergewichtler. Weil Speyer mit dem Ungarn Peter Nagy einen weiteren Koloss aufbot, war die Taktik des Spitzenduells klar: Obrigheim legte vor, um den Gegner unter Druck zu setzen, Speyer konterte. Mit dem besseren Ende für die Pfälzer.

Beide Teams mussten auf Stammkräfte verzichten. Bei Speyer fehlten unter anderem Tom Schwarzbach, Björn Günther und Ronny Winter, während Obrigheim ohne Alexander Oberkirsch, Marius Oechsle und Yannik Staudt auskommen musste. Entscheidend für den Speyerer Sieg war vor allem, dass der deutsche Meister beide Ausländerplätze besetzen konnte, neben Nagy war auch der Slowake Matej Kovac im Einsatz. Für Obrigheim hob der Spanier Alejandro Gonzales Baez, jedoch bekam sein Landsmann Hernandez mit Blick auf die WM ebenso wie der Österreicher Sargis Martirosjan keine Starterlaubnis der Nationalverbände. „Für uns hätte schon ein erfolgreicher Versuch von Sargis im Reißen gereicht“, bedauert Teamchef Noe.

Fahndung nach dem Punkt

Im Nachhinein lässt sich gut nach den fehlenden Siegpunkten fahnden: Zum Beispiel bei Adrian Müller, der im 50. Bundesliga-Wettkampf nicht seinen besten Tag erwischte. Er brachte nur jeweils die Anfangsversuche und somit 102 Punkte in die Wertung. „Adrian hat sich voll in den Dienst der Mannschaft gestellt und es gibt keinen Grund, ihn zu kritisieren“, sagt Noe über den unglücklichen Athleten, der berufsbedingt seit einiger Zeit nur noch wenig trainieren kann. Ruben Hofmann hätte fünf Punkte mehr erzielt, wenn sein Rekordversuch im Reißen geglückt wäre. Gonzalez legte jeweils die dritten Versuche weg, auch da wurden Punkte vergeben.

Hätte, wäre, wenn – der Konjunktiv wurde oft bemüht am Samstagabend. Er bestimmt den Sound der Verlierer, erst recht, wenn es so knapp zugeht wie in diesem Wettkampf. Manuel Noe sah letztlich aber mehr Licht als Schatten. Zum Beispiel bei Jakob Neufeld, „auf den wir uns einfach verlassen können“. Der angehende Lehrer hatte im Heimkampf gegen Pforzheim gefehlt, bei seinem Saisondebüt gelangen ihm sechs gültige Versuche und die angekündigten 140 Punkte.

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