Absturz und Aufschwung erlebte Bayer Leverkusen in der Vorsaison. Mit Trainer Xabi Alonso gelang aber immerhin noch die Europa-League-Qualifikation, doch man will mehr unterm Bayer-Kreuz.
Wie verlief die vergangene Spielzeit?
Erstrundenaus im DFB-Pokal beim damaligen Drittliga-Aufsteiger SV Elversberg, in der Bundesliga bis auf Platz 17 abgestürzt - und dann auch nur mit ganz viel Glück das vorzeitige Ende im Europapokal vermieden. Bayer Leverkusen war von vielen als Vizemeister getippt worden, glich im Herbst 2022 aber eher einem Ikarus, der nach seinem Höhenflug ein halbes Jahr zuvor der Sonne wohl doch zu nahegekommen war und dessen Flügel so von einer unerwarteten Niederlage zur nächsten immer schneller schmolzen. Als sich der Zug in die falsche Richtung in Bewegung setzte, konnte ihn der Lokführer - Cheftrainer Gerardo Seoane - nicht stoppen. In Xabi Alonso fand erst ein Neuer Bremse und Gleiswechsel. Der Baske brachte die Saison mit Platz sechs sowie dem Europa-League-Halbfinale noch zu einem versöhnlichen Ende.
Wird die Zielsetzung nun verändert?
Nein. Leverkusen will am Ende dieser Saison wieder auf einem der ersten vier Plätze landen, die zur Teilnahme an der Champions League berechtigen. „Wir hatten dazu im Kader bereits die nötige Qualität und konnten sie nun durch Zugänge sogar noch erhöhen. Hinzu kommt, dass die Mentalität der Spieler reifer geworden ist. Natürlich möchte jede Mannschaft besser abschneiden. Aber ich glaube, dass wir dies auch können“, sagte Alonso.
Was ist die bemerkenswerteste Neuerung?
Die Transferphilosophie. Hatte Bayer in den vergangenen Jahren fast ausnahmslos junge und talentierte Spieler mit Entwicklungspotenzial sowie hohem Wiederverkaufswert verpflichtet, so wurden nun gestandene Akteure geholt. Diese werden mit Auslaufen ihrer Verträge zwar keine große Rendite mehr abwerfen, für das Erreichen der Ziele in den drei Wettbewerben sind sie aber eine Soforthilfe. So kamen Linksverteidiger Alejandro Grimaldo (27) ablösefrei von Benfica Lissabon und Granit Xhaka (30) für 15 Millionen Euro vom FC Arsenal für die Sechserposition. Als Nachfolger des für 55 Millionen Euro zu Aston Villa gewechselten Rechtsaußen Moussa Diaby konnte zudem Nationalspieler Jonas Hofmann (30) für zehn Millionen Euro von Borussia Mönchengladbach losgeeist werden.
Wo liegen die Chancen? Und wo besteht das Risiko?
Der Kader besitzt auch in der Breite Qualität. Neben den drei erwähnten Zugängen kamen mit dem brasilianischen Rechtsverteidiger Arthur (20) und Mittelstürmer Victor Boniface (22) zwei weitere vielversprechende Spieler. Im Gegensatz dazu fallen außer Diaby die Abgänge Mitchel Bakker, Daley Sinkgraven, Karim Bellarabi und Callum Hudson-Odoi kaum ins Gewicht. Dadurch ergibt sich im Kampf um die Stammplätze ein für die Leistung förderlicher Konkurrenzkampf. Allerdings liebäugeln Rechtsverteidiger Jeremy Frimpong und Innenverteidiger Jonathan Tah weiter mit Wechseln, die dann doch erhebliche Einbußen an Qualität mit sich bringen würden. Überdies gilt es, zu Unzufriedenheit neigende Spieler bei Laune, Motivation und Teamgeist zu halten.
Welche Rolle spielt der Trainer und droht Unruhe um ihn?
Eine große. Seit seiner Amtsübernahme überzeugte Alonso mit Ansprache, Akribie und einem klaren Plan. Erst stabilisierte er die zur Schießbude mutierte Defensive, dann balancierte er die oft zu wild nach vorne stürmende Offensive dazu aus. Dank seiner Vita und seiner Führungsstärke, die er schon als Spieler bewiesen hat, vertrauen ihm seine Profis. Selbst Xhaka schwärmt in den höchsten Tönen von ihm. Alonsos Wirken fiel jedoch auch anderen Vereinen auf. So hieß es unter anderem, dass der Spanier im nächsten Sommer Real Madrid übernehmen soll. Zumindest mittelfristig hat Alonso den Spekulationen nun jedoch ein Ende gesetzt. Am Freitag verlängerte er seinen eigentlich nur noch bis zum Sommer 2024 laufenden Vertrag um zwei weitere Jahre. Diesen Schritt begründete er auch mit der großen Nähe zu den Clubverantwortlichen. „Für die tägliche Arbeit ist das eine sehr gute und entspannte Arbeitsgrundlage“, so der Spanier.
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