Rio de Janeiro. Philip Heintz ist bekannt dafür, dass er viel und gerne lacht. Leistungsdruck und Versagensangst scheinen dem Schwimmer aus Mannheim, der für den SV Nikar Heidelberg startet, fremd zu sein. "Ich bin einer, der sehr ruhig ist. Vor allem, wenn ich gut trainiert habe, bin ich sehr entspannt", sagt er. Und Philip Heintz hat gut trainiert. Bei seinen zweiten Olympischen Spielen stellte der 25-Jährige über 200 Meter Lagen neue persönliche Bestleistungen und Deutsche Rekorde auf und wurde Sechster.
Dennoch war dem Sportsoldaten in Rio überhaupt nicht zum Lachen zumute. Er weinte nach dem Finale über 200 Meter Lagen, weil eine weitere deutsche Bestzeit (1:57,48 Minuten) nicht gereicht hatte, eine Medaille zu holen. Heintz verriet, dass sein Traum über das Finale hinausgegangen war: "Ich bin seit vier Jahren jeden Abend mit dem Ziel eingeschlafen, eine Medaille zu holen. Olympische Spiele sind rein schwimmerisch das Höchste, was es gibt. Und auch vom privaten Leben her habe ich alles darauf ausgerichtet, mich zu qualifizieren."
Mit Höhentraining zum Erfolg
Weil nur der Mannheimer für ein Erfolgserlebnis der deutschen Schwimmer in der ersten Woche gesorgt hat, hagelte es Kritik. Bundestrainer Henning Lambertz hatte nach dem Scheitern des letzten Medaillenkandidaten Marco Koch über 200 Meter Brust schlechte Rahmenbedingungen im Vergleich zur Konkurrenz als einen Grund für die Probleme benannt.
Erstaunlich ist, dass Michael Spikermann, Trainer am Olympiastützpunkt Rhein-Neckar in Heidelberg, mit seinen drei Athleten - neben Heintz betreut der Coach auch Sarah Köhler und Clemens Rapp - andere Wege ging, als seine Kollegen. Spikermann hatte seine Athleten mit Höhentraining auf die Wettkämpfe in Rio vorbereitet und war mit der Leistung seiner Schwimmer zufrieden: "Es gibt unterschiedliche Wege, und ich bin erstmal froh, dass unser Weg funktioniert hat."
Diese aufmunternden Worte aus der Heimat, Spikermann musste in Rimbach im Odenwald bleiben, statt seine Athleten nach Rio zu begleiten, waren für Heintz höchstens ein schwacher Trost. Dabei hat der Mannheimer eine enorme Entwicklung genommen. Vor vier Jahren bei den Sommerspielen in London war er, damals noch als Student der Geowissenschaften, zwar am Start. Doch da ging es ganz im Sinne des olympischen Gedankens, vor allem darum, dabei zu sein. Für Heintz sei es ein Riesenschritt gewesen, sich überhaupt zu qualifizieren. "Ich bin in ein Loch gefallen und habe es nicht mehr geschafft, mich zu motivieren", erinnert er sich.
Diesmal hat er sich darauf gefreut, seine Rechnung von vor vier Jahren zu begleichen. Er wollte ins Finale kommen, sich mit den Besten messen und schauen, wozu es reicht. "Ich hoffe, dass ich mich gut regeneriere und dann einen raushauen kann", sagte er nach dem Halbfinale in Rio de Janeiro. "Dass ich das kann, davon bin ich immer noch überzeugt." Die Besten, das waren an diesem Abend Megastar Michael Phelps, der in 1:54,66 Minuten seine 22. Goldmdaille holte, sowie der Japaner Kosuke Hagino und der Chinese Wang Shun.
Und Heintz zeigte auch, dass er es kann, er war ganz nah dran - verpasste eine Medaille nur um 0,43 Sekunden. Eine starke Leistung. Heintz sah in diesem Moment dennoch nur das halbleere Glas: "Jetzt haben vier Zehntel gefehlt. Das ist sch.., wenn man weiß, dass man es kann und es nicht schafft. Das tut einfach weh. Auf den letzten zehn Metern haben mich die Kräfte verlassen." Dabei habe er mit Michael Spikermann in Heidelberg genau dafür trainiert, sich in solchen Situationen nach vorne zu bringen. Diesmal hat er das nicht geschafft, weshalb Philip Heintz trotz Bestleistungen als derjenige in Erinnerung bleiben wird, der weinte und nicht, als derjenige, der viel und gerne lacht.
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