Olympia-Tagebuch

Der Plan ist, keinen Plan zu haben

Von 
Martina Farmbauer
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Ich fange an zu denken, dass die Olympischen Spiele (doch) dazu da sind, Menschen zu verbinden und große Träume zu haben. Nachdem russische Athleten wegen Dopings von den Spielen in Rio de Janeiro ausgeschlossen wurden, die australische Delegation sich geweigert hat, in das Olympische Dorf einzuziehen und eine Metrolinie mit fünf Stationen eröffnet wurde, die Ipanema und Barra verbindet.

In meinem Lieblingscafé in Copacabana stoße ich an diesem Freitag auf Kari, Eduardo und Jesse, die drinnen ganz hinten in der Ecke sitzen und sich auf Englisch unterhalten. Das Logo der Olympiamannschaft der Vereinigten Staaten auf Karis Shirt hat meine Aufmerksamkeit geweckt und ich spreche sie an.

Es stellt sich heraus, dass Kari Judotrainerin ist, ebenso wie Eduardo Judoka und Jesse. Aber Jesse nimmt nicht an den Olympischen Spielen teil, sondern ist hier, damit er sich Wettkämpfe anschaut, die Spiele kennenlernt, einen Eindruck vom Drumherum bekommt und mit Eduardo trainiert, weil Judo - wie etwa auch Beachvolleyball oder Segeln - sehr stark ist in Brasilien. 2020 in Tokio soll es dann für Jesse so weit sein.

"Das war so ein Impuls, ihn hinterherzubringen", sagt Kari. Diesem Impuls ist die US-Amerikanerin gefolgt und hat alles in Bewegung gesetzt, unter anderem Eduardo in Rio eine E-Mail geschrieben. Kari macht die Tippbewegung mit den Händen in der Luft. Eduardo kennt sie noch aus ihrer aktiven Zeit, die beiden haben zur gleichen Zeit international gekämpft.

Dann spricht Kari über das Leben als Leistungssportlerin, sie erzählt von dem Tunnel und der Einsamkeit, die bei der Fokussierung auf ein Ziel und dem Ausblenden von allem Anderen, auch Beziehungen, entsteht. Und dass dies aber nur möglich ist, wenn man den Weg sieht.

Am Sonntag treffe ich die drei bei meiner "caminhada", dem Walken auf dem "Calçadão" - der Strandpromenade in Copacabana mit den berühmten Wellenlinien des Architekten Oscar Niemeyer - wieder. Sie stehen am Ende der Avenida Atlântica bei den Fischern, nahe dem "Forte de Copacabana" und dem Wandbild, das die deutsche und die brasilianische Nationalmannschaft zeigt, und schauen den Surfern und den Wellen zu. "Wir lassen uns treiben", sagt Eduardo, er möchte nach Ipanema, "einen mergulho machen", ins Meer eintauchen, dann vielleicht irgendwo Mittagessen, vielleicht in den Botanischen Garten.

"Ihr habt einen super Guide", sage ich zu Kari, "so typisch für Rio. Das findet ihr bei keiner Tour." Kari versteht das nicht recht. "Also was ist der Plan?", fragt sie. "Der Botanische Garten?" Nein, der Plan ist, keinen Plan zu haben.

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