Mannheim. Am Ende hatte der Zweite Weltkrieg nicht nur millionenfaches Leid und Verderben gebracht, sondern auch den Fußball in die Knie gezwungen. So konnte die Saison 1944/45 fast nirgendwo im Reich zu Ende gespielt werden. In Hitler-Deutschland fehlte die Grundlage für einen geregelten Spielbetrieb: Fußballer waren im Fronteinsatz, Sportplätze Ziele von Luftangriffen, im Osten rückte die Rote Armee unaufhaltsam vor, die Anreise zu den Auswärtsspielen gestaltete sich immer schwieriger und gefährlicher.
Trostlose Situation
Mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht und dem Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945 stand dem Fußball im zerstörten Deutschland ein schwerer Neubeginn bevor. In Mannheim, beim traditionsreichen Verein für Rasenspiele (VfR), war die Situation geradezu trostlos. Die Geschäftsstelle ausgebombt, die Tribüne niedergebrannt, das Stadion „An den Brauereien“ von der Militärregierung beschlagnahmt und zu einem Parkplatz umgebaut – wie sollte unter diesen Voraussetzungen wieder Fußball gespielt werden können?
Doch die Besatzungsmächte wussten um die Bedeutung des Fußballsports und dessen enorme Popularität in der Bevölkerung. Noch im September 1945 wurde die Gründung der „Vereinigung der süddeutschen Fußballclubs“ gestattet und die Oberliga Süd nahm als höchste Klasse ihren Spielbetrieb auf. Aus Mannheim war neben dem VfR auch der SV Waldhof dabei.
Es waren schwierige Startbedingungen für den heimatlos gewordenen VfR. Dennoch machte sich die Führungsmannschaft um Präsident Wilhelm Geppert mit Herzblut und Idealismus an die Arbeit. Sie legte in kurzer Zeit die Grundlage für etwas, das vier Jahre später, am 10. Juli 1949, als „Hitzeschlacht von Stuttgart“ in die Geschichtsbücher eingehen sollte. Bis zur Sternstunde des Mannheimer Fußballs war es jedoch ein weiter Weg, viele Rückschläge mussten verkraftet werden.
Erst mit Beginn der Saison 48/49 stand dem VfR endlich wieder ein eigenes Stadion zur Verfügung. Mit ihrer Rückkehr auf den hergerichteten Sportplatz „An den Brauereien“ hatte der Club eine feste Heimspielstätte. Mit viel Rückenwind startete der VfR in die Spielzeit. Die Mannschaft von Trainer Bumbas Schmidt beendete die Saison auf einem sensationellen zweiten Tabellenplatz. Damit hatten die Mannheimer die Endrunde um die Deutsche Fußballmeisterschaft erreicht.
Hier spielte sich die Mannschaft in einen regelrechten Rausch. Im Viertelfinale fertigten die Blau-Weiß-Roten den Hamburger SV mit 5:0 ab, im Halbfinale die Kickers Offenbach (2:1) – erstmals in seiner Vereinsgeschichte hatte sich der VfR für das Endspiel um die Fußballmeisterschaft qualifiziert!
90 000 Zuschauer in Stuttgart
Hier bezwangen die Kurpfälzer im völlig überfüllten Stuttgarter Neckarstadion den haushohen Favoriten Borussia Dortmund mit 3:2 nach Verlängerung. Der erste Fußballmeister der neu gegründeten Bundesrepublik kam somit aus Mannheim. Die Rahmenbedingungen waren aus heutiger Sicht grotesk: Nicht nur auf den Rängen drängten sich die Massen dicht an dicht, auch die Aschenbahn war voller Menschen. Offiziell 90 000 Zuschauer verfolgten die Partie. Die meisten waren bei Temperaturen, die an der 40-Grad-Marke kratzten, schutzlos der prallen Sonne ausgesetzt. Etliche Sonderzüge waren zuvor in die Landeshauptstadt gerollt. Schon früh im Morgengrauen hatten sich die VfR-Anhänger im Mannheimer Hauptbahnhof versammelt. Wer nicht im Stadion dabei sein zu konnte, verfolgte das Spiel zu Hause am Rundfunkgerät. Stuttgart lieferte Anekdoten für ein ganzes Fußballerleben.
In Mannheim wurde der Meistermannschaft ein triumphaler Empfang bereitet. Den Zug der blumengeschmückten Fahrzeuge vom Bahnhof über die Planken zum Platz an den Brauereien begleiteten 300 000 Menschen. Noch Wochen danach war die Meisterschaft das große Gesprächsthema in der Stadt.
Heute spielt der VfR nur noch in der sechstklassigen Verbandsliga. Doch der Titelgewinn von 1949 bestimmt weiterhin das Selbstverständnis des Vereins. „Das Thema ist nach wie vor sehr präsent, nicht nur, weil unsere Spieler den Meisterstern auf dem Trikot tragen“, erklärt VfR-Präsident Boris Scheuermann. „Die Deutsche Meisterschaft ist der prägende Punkt in der Historie des VfR Mannheim, und wir sind immer noch stolz auf diesen Erfolg.“
„Hitzeschlacht von Stuttgart“
VfR Mannheim: Jöckel – Rößling, Henninger, Müller, Keuerleber, Maier, Bolleyer, Langlotz, Löttke, Stiefvater, de la Vigne.
Borussia Dortmund: Rau – Ruhmhofer, Halfen, Buddenberg, Koschmieder, Schanko, Erdmann, Michallek, Kasperski, Preißler, Ibel.
Tore: 0:1 Erdmann (6.), 1:1 Löttke (73.), 1:2 Erdmann (82.), 2:2 Langlotz (85.), 3:2 Löttke (108.).
Zuschauer: 90 000 (im Stuttgarter Neckarstadion).
Schiedsrichter: Egon Zacher (Berlin).
Prämie: Für den Gewinn der Deutschen Fußballmeisterschaft erhielten die Spieler des VfR Mannheim je 650 DM.
Ehre: Der VfR Mannheim wurde als erster Verein auf der Silbernen Ehrenschale des DFB („Meisterschale“) eingraviert . mwh
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