Dort, wo Florian Flick aufwuchs, gibt es viele Bäume, tolle Landschaften und sehr gute Luft. Olfen, Stadt Oberzent, 346 Einwohner. In diesem kleinen Dorf im hessischen Odenwald, eine Stunde Fahrzeit von Mannheim entfernt, lebt Familie Flick. Olfen ist der Rückzugsort von Florian Flick geblieben, an den er zurückkehrt, um seine erstaunliche Karriere zu reflektieren. Aus dem Talent des SV Waldhof ist im Rekordtempo ein Leistungsträger bei Bundesliga-Aufsteiger Schalke 04 geworden. Und neuerdings auch ein Junioren-Nationalspieler: Trainer Antonio di Salvo berief den 22-Jährigen für die EM-Qualifikationsspiele gegen Ungarn (3. Juni) und in Polen (7. Juni) erstmals in die U-21-Auswahl. „Ich freue mich riesig, es ist eine große Ehre für mich, zum ersten Mal dabei zu sein“, sagt Flick. Ein junger Mann, der seinen Traum lebt.
Florian Flick
Florian Flick wurde am 1. Mai 2000 in Mannheim geboren. Nach einigen Stationen bei kleineren Odenwälder Vereinen wie dem SV Gammelsbach, dem VfB Eberbach und der JSG Hetzbach/Günterfürst wechselte er 2015 ins Jugendzentrum des SV Waldhof.
2018 bekam Flick im Alter von 18 Jahren einen Vertrag für die erste Mannschaft der Mannheimer. Nach der Saison 2019/2020 wechselte er zur Regionalliga-Mannschaft des FC Schalke 04. Nach seinem Bundesliga-Debüt im Mai 2021 bekam er einen Profivertrag, der noch bis 2024 läuft.
Herr Flick, Sie sind 2020 vom SV Waldhof in die Regionalliga-Mannschaft des FC Schalke 04 gewechselt. Zwei Jahre später sind Sie Bundesliga-Profi und U-21-Nationalspieler. Fühlt sich das manchmal wie ein Traum an?
Flick: Ja, das kann man so sagen. Wenn man die zwei Jahre zusammenfasst, hört sich das nach einem Traum an. Beim Wechsel zu Schalke damals konnte man natürlich nicht ahnen, dass es so laufen wird. Ich habe insgeheim nur ein bisschen darauf gehofft, dass ich es in den Profikader schaffe. Deshalb freut es mich umso mehr, dass alles so gut funktioniert hat – und wir in dieser Saison als Meister aufgestiegen sind.
Wie war es denn, mit diesem großen Traditionsverein Schalke 04 aufzusteigen?
Flick: Man hat es beim vielleicht entscheidenden Spiel gegen St. Pauli (3:2 nach 0:2-Rückstand am vorletzten Spieltag, d. Red.) gemerkt: Das Stadion war immer da, es war extrem laut. Nach dem Abpfiff waren da nur noch Erleichterung und eine Riesenfreude. Diese Gefühle kann man gar nicht beschreiben. So etwas habe ich noch nie erlebt.
Können Sie sich noch an den Moment erinnern, als Sie der damalige Schalker Trainer Dimitrios Grammozis im Mai 2021 darüber informiert hat, dass Sie beim Spiel in Hoffenheim erstmals in einer Bundesliga-Startelf stehen?
Flick: Da war ich einfach nur extrem stolz. Als kleines Kind wünscht man sich natürlich, irgendwann in der Bundesliga spielen zu können. Dass es dann klappt, und auch noch in der Nähe der Heimat in Hoffenheim, wo wir früher oft gespielt haben, war etwas Großes.
Schalke steigt nach Flicks Profi-Debüt 2021 zwar aus der Bundesliga ab, aber der in Mannheim geborene Odenwälder hat sich in Gelsenkirchen einen Namen gemacht. Schon Ende Mai 2021 bekommt Flick einen Profivertrag, in der 2. Liga gehört er sowohl unter Grammozis als auch unter dessen Nachfolger Mike Büskens weitgehend zum Stammpersonal – er bestreitet 27 von 34 Partien.
Flick ist Schalkes „Mr. Zuverlässig“. Ein echter Mentalitätsspieler, zweikampfstark, ein Lauf- und Fitnesswunder. Er macht die kleinen, aber wichtigen Dinge richtig. Keiner für das aufsehenerregende Dribbling, aber ein wertvoller, mannschaftsdienlicher Profi, ein wichtiger Faktor für ein funktionierendes Team. „Florian Flick gehört beim FC Schalke 04 zu den Aufstiegshelden. Gerade gegen Ende der Saison drehte das Eigengewächs mächtig auf und hatte großen Anteil an der Bundesliga-Rückkehr“, schreibt die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“, nachdem der Mannheimer die Aufstiegsparty mit den Fans wegen einer Kiefer-OP verpasst hat – ein Malheur im Spiel gegen St. Pauli. Flick gilt als Held auf Schalke. Wo Fußball als Religionsersatz fungiert.
In welchen Bereichen haben Sie sich in den vergangenen zwei Jahren am meisten verbessert?
Flick: Ich hatte am Anfang noch ein paar Probleme mit der Körperlichkeit in der 2. Liga. Da habe ich mich aber schnell angepasst und weiterentwickelt. Aber natürlich geht immer noch ein bisschen mehr.
Wie viel höher ist die Anspannung, wenn man vor 60 000 in der Arena aufläuft – verglichen mit, sagen wir, einem Verbandsliga-Spiel Waldhof II gegen Heddesheim?
Flick: Am Ende ist es immer nur Fußball. Aber natürlich ist die Atmosphäre beeindruckend, wenn man zum ersten Mal vor 60 000 Zuschauern einläuft. Beim ersten Mal ist man vielleicht noch ein bisschen mehr angespannt, aber mit der Zeit fokussiert man sich nur auf das Spiel.
Als 14-Jähriger kommt Flick ins Jugendzentrum nach Mannheim. Ist damals schon absehbar, dass er das Zeug zum Bundesliga-Profi besitzt? Nicht auf den ersten Blick, sagt sein ehemaliger U-17-Trainer Andreas Müller. Flick habe aber wenig Verletzungen und ein solides Elternhaus gehabt. Er sei außerdem „klar im Kopf“ geblieben. Seine herausstechendste Stärke deutet sich schon zu seinen Zeiten als Jugendlicher an. „Flos Leistungen waren immer konstant gut. Er war schon in der Jugend ein Spieler, auf den man sich immer verlassen konnte. Er hat immer seine Leistung abgerufen, und zwar zu 100 Prozent“, sagt sein Nachwuchstrainer Müller.
Was war die größte Lehre, die Sie aus Ihrer Jugendzeit beim SVW mitgenommen haben?
Flick: Man muss nicht immer im größten NLZ spielen, in der Jugend muss man nicht komplett im Fokus stehen. Es zählt erst am Ende, im Seniorenbereich. Man sollte danach schauen, wo man sich wohlfühlt und sich persönlich am besten entwickeln kann – und das war bei mir beim SV Waldhof so.
Dauerhaft den Sprung ins Mannheimer Profi-Team schafft Flick allerdings nicht. Gegen Ende der Saison 2019/2020 setzt Trainer Bernhard Trares zeitweise im defensiven Mittelfeld auf ihn, die volle Rückendeckung der sportlichen Leitung bekommt Flick aber nicht zu spüren. Trares äußert die Fehleinschätzung, das Eigengewächs habe das Zeug zu „einem guten Regionalliga-Spieler“, auch Ex-Sportchef Jochen Kientz sieht in Flick nicht das Potenzial, eine prägende Figur für die Waldhof-Zukunft zu werden.
Als Sie 2020 aus Mannheim weggegangen sind, schien es so, dass der SV Waldhof sich nicht besonders bemüht hat, Sie zu halten. Fühlen Sie sich im Nachhinein ein bisschen verkannt und unterschätzt bei ihrem Jugendverein?
Flick: Nein, das denke ich nicht. Es wurden Gespräche wegen einer Vertragsverlängerung geführt, aber wir haben uns einfach so entschieden, dass die U23 auf Schalke der bessere Weg für mich ist. Ich denke, es hat sich herausgestellt, dass die Entscheidung richtig war.
Muss man als Eigengewächs irgendwann einmal seinen Jugendverein verlassen, um als Persönlichkeit zu reifen?
Flick: Für meine Entwicklung war es wichtig, nach Schalke zu gehen. Das erste Mal von zuhause weg, alleine klar kommen, eigene Wohnung. Das hat mir geholfen.
Nach den Spielen mit der U 21 macht Florian Flick zwei Wochen Urlaub, dann startet die Vorbereitung auf Schalke, wo bis dahin auch ein neuer Trainer vorgestellt worden sein soll. Ob sich sein ehemaliger Schützling auch in der Bundesliga durchsetzen wird? Waldhof-Jugendtrainer Müller ist optimistisch: „Geschenkt wird ihm nichts. Aber ich kenne Flo: Er wird immer wenig Fehler machen, er ist immer topfit, gut vorbereitet und gibt immer alles. Das mag man als Trainer.“
Wagen wir einen Blick voraus: Schalke wird sich mit Blick auf die Bundesliga-Saison verstärken. Glauben Sie dennoch daran, wieder auf Ihre Einsätze zu kommen?
Flick: Natürlich ist mein Anspruch, auch in der Bundesliga Spielzeit zu bekommen. In der Vorbereitung kommt ein neuer Trainer, dann muss ich mich wieder zeigen.
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