Mannheim/Frankfurt. Die atmosphärischen Störungen zwischen dem SV Waldhof und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) flackern wieder auf. Auslöser ist diesmal eine Aktion des SVW im Rahmen des Drittliga-Spiels am vergangenen Sonntag gegen den VfB Lübeck (3:2). Bei der Partie hatte der unheilbar an ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) erkrankte Waldhof-Fan Ralf Kindsvater über den „Wünschewagen“ des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) den Wunsch erfüllt bekommen, bei einem Spiel seines Lieblingsvereins trotz des aktuell geltenden Zuschauerausschlusses aufgrund der Corona-Pandemie live dabei zu sein. Als Höhepunkt versammelte sich die Mannschaft nach dem 3:2-Erfolg zu einem Mannschaftsfoto um den Ludwigshafener. Laut dem gültigem Hygienekonzept dürfen allerdings nur Personen in den Innenraum, die unmittelbar mit der Durchführung des Spielbetriebs zu tun haben. Neben Ralf Kindsvater waren unter anderem aber auch die Vertreter des ASB-„Wünschewagens“ und weitere Club-Vertreter mit auf dem Rasen. War die Aktion ein Verstoß gegen die geltenden Hygieneregeln, der mit einer Strafe seitens des Verbands geahndet werden muss? Sind die Corona-Regeln wichtiger als Menschlichkeit? Und hat der Verband tatsächlich offizielle Ermittlungen aufgenommen oder nicht?
An diesen Fragen entzündet sich ein Streit zwischen beiden Parteien, die in der jüngeren Vergangenheit zum Beispiel bei der juristischen Aufarbeitung des Skandalspiels gegen Uerdingen im Mai 2018 sowie der Frage der Saisonfortsetzung nach Ausbruch der Pandemie öffentlich aneinander geraten waren. In den sozialen Netzwerken wurde der DFB nach Bekanntwerden des Vorgangs scharf angegangen. In vielen Beiträgen warfen aufgebrachte Nutzer dem Verband "unmenschliches Verhalten" vor, die scharfe Kritik trug Züge eines echten "Shitstorms".Darauf reagierte der Verband am Donnerstag mit einer "Klarstellung". Der Tenor der Mitteilung: Es seien zumindest zu diesem Zeitpunkt keine offiziellen Ermittlungen seitens des Verbandes wegen der Mannheimer Foto-Aktion eingeleitet worden. "Um aufkommende Irritationen zu beseitigen und weitere Missverständnisse zu vermeiden: In vereinzelter Berichterstattung ist heute die Rede davon, dass der DFB Ermittlungen gegen den SV Waldhof Mannheim wegen Verstößen gegen das Hygienekonzept aufgenommen hat. Zur Klarstellung: Der DFB hat aktuell keine Ermittlungen aufgenommen", teilte der DFB mit. Nachdem Verbandsvertreter das Bild mit Kindsvater und den Spielern auf dem sozialen Netzwerk Instagram gesehen habe, sei der SV Waldhof angeschrieben "und um eine Erklärung sowie Hintergrundinformationen des Sachverhalts gebeten – natürlich auch mit Blick auf das verbindliche Hygienekonzept der 3. Liga. Denn: Offizielle Hintergründe zu dem Vorgang abseits der medialen Berichterstattung sind dem DFB nicht bekannt, im Vorfeld war uns dazu auch nichts angezeigt". Die angefragte Stellungnahme solle helfen, "Hintergründe zu erhalten und uns ein genaueres Bild zu verschaffen. Das ist der aktuelle Sachstand – nicht mehr und nicht weniger".
Waldhof-Geschäftsführer Markus Kompp zeigte sich in einem dieser Redaktion vorliegenden Schreiben an den für die 3. Liga zuständigen DFB-Mann Jochen Breideband verwundert über diese Aussagen."Entgegen Ihrer Ansicht, dass es sich nicht um die Einleitung eines Verfahrens handelt, wurde in den bisherigen Prozessen um Punktabzüge und Strafen vor dem Sportgericht und auch vor den zivilen Gerichten bereits mit der Einleitung eines Verfahrens, im Hinblick auf Fristen, durch die bloße Übermittlung eines Schiedsrichterberichts, Beobachterberichts oder eben Aufforderung zur Stellungnahme, wie bei uns nun geschehen, argumentiert", schrieb Kompp.
Natürlich stelle der Vorgang vor diesem Hintergrund Ermittlungen dar. Dies zeige sich schon daran, dass das Schreiben an die Mannheimer vom Chefjustiziar der Sportgerichtsbarkeit verfasst worden sei. "Ich empfinde es als befremdlich, sich hier den Sachverhalt anderweitig immer im eigenen Interesse auszulegen. Der gesamte Vorgang ist befremdlich. Hätten Sie vom DFB aus eine Info gewollt, hätte wie bei anderen Vorkommnissen in Bezug auf das Hygienekonzept ein Anruf oder eine Mail des Spielleiters oder für das Hygienekonzept verantwortlichen TaskForce ausgereicht", erklärte der SVW-Geschäftsführer - und attackierte den Verband weiter. "Ich bin ein Freund davon, auch mal einen offensichtlichen Fehler einzugestehen. Auch in der Kommunkation würde dies dem DFB ab und an gut zu Gesicht stehen", schrieb Kompp. "Es freut uns hingegen sehr, dass Sie nun der Menschlichkeit Vorrang geben. Eine Strafe hätte ich ansonsten zur Not auch persönlich übernommen. Da sie lediglich Informationen möchten, gehe ich richtig der Annahme, dass wir auf die Aufforderung des Chefjustiziars nicht mehr antworten müssen?"
Ein unschönes Nachspiel einer menschlich wundervollen Aktion. Der schwerkranke Waldhof-Fan Kindsvater hatte sich Anfang der Woche in emotionalen Worten auf seiner Facebook-Seite zu der Aktion geäußert. "Mein Kopf konnte es genießen“, schrieb er. „Manche wollen noch einmal das Meer sehen – ich ein Spiel meiner Mannschaft. Danke, allen, die dabei waren und es ermöglicht haben.“
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/sport/vereine_artikel,-sv-waldhof-aerger-um-waldhof-fotoaktion-kompp-attackiert-dfb-_arid,1787689.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/vereine_verein,_vereinid,12.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/vereine_verein,_vereinid,12.html