3. Fußball-Liga

Wie Dennis Diekmeier beim SV Sandhausen eine Heimat fand

Der 34-Jährige beendet seine Profikarriere als Identifikationsfigur und bleibt dem SV Sandhausen wohl erhalten. Nach seinem Wechsel musste er seine Skeptiker aber zunächst überzeugen.

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Nicolai Lehnort
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Zum Abschluss richtet die Identifikationsfigur emotionale Worte an den eigenen Anhang. Ein echter Typ verlässt die Fußballbühne. © Michael Ruffler

Sandhausen. „Ich gehe doch nicht nach Sandhausen“, hatte Dennis Diekmeier damals zu seinem Berater gesagt. Vom großen Bundesligisten Hamburger SV zum Zweitligazwerg SV Sandhausen, aus der schillernden Weltmetropole an der Elbe ins beschauliche Dorf nahe Heidelberg. Der damalige SVS-Trainer Uwe Koschinat hatte ihn 2019 nach einem halben Jahr ohne Verein überzeugt. Es hätte eigentlich nur ein kurzes Abenteuer werden sollen, dann wollte er weiterziehen. Doch aus dem geplanten halben wurden über fünf Jahre, aus dem Dorf wurde Heimat. Dennis Diekmeier wurde zur Galionsfigur des SV Sandhausen. Der 34-Jährige hat das dörfliche Leben und die Menschen ihn liebengelernt.

Am Samstag stand der Rechtsverteidiger in seinem 150. Pflichtspiel für den SV Sandhausen zum letzten Mal als Profi auf dem Platz. 380 Einsätze von der Bundesliga für den Hamburger SV und den 1. FC Nürnberg bis zur 3. Liga bei der Zweitvertretung von Werder Bremen hat er hinter sich. Schon am Frühstückstisch habe er am Samstag gemerkt, „das wird heute sehr krass“. Doch die Entscheidung, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen, ist für Diekmeier „der richtige Schritt“. Die Schmerzen sind zu groß.

Karriereende: Körper von Dennis Diekmeier macht nicht mehr mit

Bereits vor 18 Monaten hatten Ärzte ihm geraten, einen Schlussstrich zu ziehen. Aber mit einer Verletzung abtreten – nicht die Art der Kämpfernatur. „So höre ich nicht auf“, hat der Niedersachse sich gesagt. Diekmeier spielt seine gesamte Profikarriere, 15 Jahre lang, stets getaped. Die Sprunggelenke sind der Knackpunkt. Fehlbelastungen führen zu Folgeverletzungen.

Im vergangenen Jahr erlebt er einen Faserriss nach dem anderen. Spielen will er dennoch immer, oft beackert Diekmeier die rechte Außenbahn unter Schmerzen. Immer wieder reibt er sich auf, grätscht, rennt und kämpft. Mit seiner emotionalen Art reißt der Roadrunner seine Mannschaft mit. Als Publikumsliebling bleibt er nicht nur in Sandhausen, sondern auch beim HSV in Erinnerung. Seinem Verein, wo er acht Jahre seiner Karriere verbringt.

Langste Durstrecke: Keiner braucht länger als Diekmeier für ein Tor

Ein Tor darf Diekmeier im Volkspark nie bejubeln. Nicht nur als emotionaler Leader, auch als Torlosprofi bleibt der Norddeutsche im Gedächtnis. 294 Pflichtspiele braucht Diekmeier, bis er die Emotionen eines Torjubels am eigenen Leib erleben darf. Kein anderer Spieler in Deutschland brauchte je länger, um ein Tor zu schießen.

SV Sandhausen

Dennis Diekmeier beendet seine Profikarriere

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Im Mai 2020 gegen den SV Wehen Wiesbaden war es soweit. „Das war ein Riesenerlebnis“, sagt er heute. Über seinen „Rekord“ kann Diekmeier inzwischen lachen: „Eigentlich finde ich das jetzt ganz cool.“ Die längste Durststrecke Deutschlands hat ihm Kultstatus verliehen.

Diekmeier hat sein Image widerlegt und ist in Sandhausen heimisch

Dabei haftete ihm 2019 bei seiner Ankunft in der verschlafenen 15.000-Seelen-Gemeinde erst einmal das Image des „protzigen Vogels“ an. Autofreak Diekmeier fährt mit einem knallroten Bentley vor. Um die Fassade des abgehobenen Millionärs zu durchbrechen, nutzen Diekmeier und seine Frau Dana – wie Dennis reich tätowiert und mit ihren rotgefärbten Haaren ein Blickfang – Instagram. Schon zu Hamburger Zeiten zeigen die Diekmeiers, „dass wir ganz normale Leute sind“. Durch sein Auftreten auf dem Platz und die Nähe zu den Fans und Bewohnern dreht sich das Bild um 180 Grad.

Das Drittliga-Heimspiel gegen den FC Ingolstadt ist nach über fünf Jahren am Hardtwald sein letzter Auftritt. © Michael Ruffler

In Bammental bauen Dennis und Dana Diekmeier sich mit ihren vier Kindern Delanie (13), Dion (10), Dalina (8) und Divia (6) ein Zuhause auf. „Wir sind hier heimisch geworden“, sagt der Familienvater und stellt klar: „Wir bleiben hier.“ Ihr neues Haus in Sandhausen haben die Diekmeiers erst kürzlich kernsaniert.

Diekmeier soll dem SV Sandhausen in anderer Funktion erhalten bleiben

Dass der Spieler, „der von Beginn an, die DNA des SV Sandhausen vorgelebt hat“, wie Vereinspräsident Jürgen Machmeier sagte, weiterhin am Hardtwald bleibt, ist sehr wahrscheinlich. In welcher Funktion, will Diekmeier zwar noch nicht verraten, man befinde sich aber in sehr guten Gesprächen und: „In ein paar Wochen wissen wir alle mehr“, kündigt er an.

Nebenbei will der von vielen nur „DD“ genannte Diekmeier womöglich doch noch mal auf den Platz zurückkehren. Dann jedoch auf Amateurniveau. „Wenn der Körper irgendwie noch mal hält“, könnte es in die Nachbarschaft zum FC Victoria Bammental gehen. Vorsitzender des Verbandsligisten ist Stefan Ohlheiser, ein Freund der Familie.

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Zumindest im heimischen Garten sollten die Sprunggelenke für das Toben mit dem Nachwuchs aber halten. Der Rücktritt ist schließlich auch eine Entscheidung weg vom Profigeschäft und hin zur Familie: „Ich habe vier Kinder zuhause, die wollen auch noch etwas von mir haben.“ Mit Sohn Dion steht sogar ein begabter Nachwuchskicker in den Startlöchern. „Er hat mir schon einiges voraus“, schwärmt der stolze Papa. Vielleicht sehen wir in einigen Jahren noch einmal einen Diekmeier im schwarz-weißen Trikot am Hardtwald.

Volontariat Nicolai Lehnort ist seit Juli 2023 Volontär.

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