Sandhausen. Es hat nicht viel gefehlt und die Emotionen hätten Dennis Diekmeier übermannt. Versteinerte Miene, wässrige Augen: Sichtlich angefasst saß der 35-Jährige nach dem 0:3 (0:0) gegen Hansa Rostock auf dem Podium vor den Pressevertretern. Die neunte Niederlage in Serie besiegelte am Samstagnachmittag nach 17 Jahren im Profifußball den Abstieg des SV Sandhausen aus der 3. Fußball-Liga. „Für uns ist das heute ein brutaler Tag, mir tut es enorm weh“, zeigte sich der SVS-Trainer emotional.
Am drittletzten Spieltag hätte selbst ein Sieg der Sandhäuser gegen den Aufstiegskandidaten aus Rostock die rechnerische Chance auf den Klassenerhalt nicht mehr aufrechterhalten. Denn zeitgleich gewann der VfB Stuttgart II mit 2:1 gegen Aachen. Damit war der erste Nichtabstiegsplatz nicht mehr erreichbar.
Absteiger aus 3. Liga: Sandhausen gegen Rostock zunächst besser
Dennoch hatten sich die Kurpfälzer nicht hängen lassen, vielmehr zeigten sie in den ersten 45 Minuten die beste Leistung in diesem Jahr. Mehrfach ließen sie die Führung liegen oder scheiterten wie Sebastian Stolze (26.) und Marco Schikora (33.) an Hansa-Schlussmann Benjamin Uphoff.
Und so kam es, wie es kommen musste. Adrien Lebeau verwandelte nach Wiederanpfiff einen Handelfmeter zur Führung für den FCH (51.). Der eingewechselte Tim Krohn sorgte mit dem 0:2 für den Doppelschlag (61.). Es war die Vorentscheidung. „Gut angefangen, stark nachgelassen“, kommentierte Trainer Diekmeier, der im Spielverlauf ein „Sinnbild dieser Saison“ sah.
Danach plätscherte die Begegnung so vor sich hin. Auf beiden Seiten fielen zwar noch Tore (Haugen, 67., Baumann, 73.), allerdings aus Abseitspositionen. Den regelkonformen Schlusspunkt setzte Jan Mejdr mit dem 0:3 erst kurz vor Abpfiff (87.).
Während die Gäste, die mit fünf Zählern Rückstand auf den Relegationsplatz und einem Nachholspiel in der Hinterhand noch vom Aufstieg träumen, von den 3.000 mitgereisten Anhängern auf den Schlussspurt eingestimmt wurden, stellten sich die Sandhäuser den wütenden Worten der Fans.
Keine Identifikationsfiguren: Sandhausen-Trainer Diekmeier kritisiert Kader nach Abstieg
Die neunte Niederlage in Serie ist für den SV Sandhausen nicht nur gleichbedeutend mit dem Abstieg, es ist auch ein Negativrekord: Länger blieb noch nie ein Drittligist ohne Punktgewinn. „Wir waren irgendwann in dem Negativstrudel drinnen und man hatte nicht das Gefühl, dass die Mannschaft da rauskommt“, sagte Diekmeier, der auf Spurensuche ging und „Typen, die dem Verein sehr verbunden sind“ vermisste. „So wie ich es war, Tim Kister, Phlipp Klingmann, Denis Linsmayer“, zählte er Identifikationsfiguren auf.
Dass der Ex-Bundesligaprofi, der bis zum Karriereende im Vorjahr fünf Spielzeiten für den SVS auflief, emotional deutlich mitgenommener als die Akteure auf dem Rasen wirkte, spricht Bände. Alleine darin wollte der ehemalige Rechtsverteidiger die Schuld aber nicht suchen. Neben der Kaderzusammenstellung spielten Verletzungspech und eigenes Unvermögen - Stichwort Chancenverwertung – eine Rolle.
SV Sandhausen nach Abstieg am Boden: Aufstieg aus Regionalliga „sehr schwerer Weg“
Die Vereinsikone ordnete die Situation zügig ins große Ganze ein: „Mir tut es leid für die Fans, die herkommen und alles geben, für die Mitarbeiter im Verein, die jeden Tag Vollgas geben, die jetzt auch alle vor einer ungewissen Zukunft stehen.“
Herrschte nach dem Abstieg aus der 2. Liga vor drei Jahren noch eine Aufbruchstimmung am Hardtwald, Optimismus schnell ins Unterhaus zurückzukehren, scheint der Verein diesmal wie niedergeschlagen, am Boden. Aus dem Amateurfußball wieder herauszukommen, „ist ein sehr schwerer Weg“, weiß Diekmeier. Traditionsvereine, die jahrelang ihr Dasein in der Regionalliga Südwest fristen, lassen grüßen.
Mit neuem Trainer und Sportdirektor: Absteiger SV Sandhausen ruft Neuanfang aus
Derweil richtet der SV Sandhausen in einem am Sonntag auf der Vereinswebsite veröffentlichten Statement den Blick bereits nach vorne. „Die letzten Jahre waren geprägt von Niederlagen, Enttäuschungen – und leider auch Fehlern“, erklärt Jürgen Machmeier darin. „Die Analyse ist abgeschlossen. Jetzt geht es darum, die richtigen Konsequenzen zu ziehen“, kündigt der Präsident an. Geschäftsführer Volker Piegsa spricht von einem „echten Neuanfang“ mit der „Professionalisierung der sportlichen Vereinsstrukturen“.
Dazu gehört der Mitteilung zufolge ein neuer Trainer und Sportdirektor und ein Kader mit „jungen, hungrigen und entwicklungsfähigen Spielern“. Außerdem soll eine „enge Verzahnung“ mit dem eigenen Nachwuchs erfolgen und eine „klare regionale Identität, die sich auch in der Mannschaft widerspiegelt“ geschaffen werden.
Der seit Wochen von Fans auf Transparenten geforderten Professionalisierung der Vereinsstrukturen möchten die Verantwortlichen damit im sportlichen Bereich nachkommen. Auf organisatorischer Ebene jedoch nicht. Die Installation eines Aufsichtsrats, die die Anhänger am Samstag auf einem Spruchband forderten, findet keine Erwähnung. Präsident Jürgen Machmeier darf damit weiterhin eigenmächtig schalten und walten - ohne Kontrolle, ohne Konsequenzen.
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