Frankfurt. Der unglücklichste Mensch an diesem kalten Samstag kurz vor Weihnachten in Frankfurt schritt traurig vom Platz. Kaua Santos wollte einfach nur noch weg. Ein Abklatscher hier, ein mitleidiger Schulterklopfer da, dann verschwand der Eintracht-Torhüter in der Kabine. „Für Kaua tut’s mir sehr leid. Er ist ein junger Torwart, der heute sicher keine gute Leistung gebracht hat“, sagte Frankfurts Sportvorstand Markus Krösche hinterher. „Er wird daraus lernen und es wird ihn stärker machen.“
Das war noch diplomatisch formuliert. An der in ihrer Entstehung fast schon grotesken 1:3-Niederlage gegen Mainz 05 hatte der brasilianische Schlussmann einen entscheidenden Anteil. Bei allen drei Gegentoren patzte Kaua Santos, der für den erkrankten Kevin Trapp am Spieltag kurzfristig zwischen die Pfosten gerückt war.
Beim 0:1 spielte der 21-Jährige Ellyes Shkiri an der eigenen Strafraumkante in höchster Bedrängnis an, die unfreiwillige Bogenlampe des Tunesiers Richtung eigenes Tor lenkte Kaua Santos unbeholfen an die Latte, von wo der Ball zurück gegen den Torwart und über die Linie prallte. Ein Slapstick-Tor. Dem Mainzer 2:0 durch Paul Nebel (27.) ging ein abgefälschter Schuss voraus, der mittig hinter dem Frankfurter Keeper einschlug. Und das 3:0 - wieder durch Nebel (58.) - leitete der nach seinen Patzern hypernervöse Torhüter mit einem kapitalen Fehlpass im Aufbauspiel erneut selbst ein. „Es ist auch für ihn ein Learning“, sagte Frankfurts Trainer Dino Toppmöller. „Aber wir gewinnen und verlieren zusammen. Kaua hat schon sehr gute Leistungen gebracht. Heute war nicht sein Tag.“
„Mainz weiß gar nicht, wie es dieses Spiel gewonnen hat“
Davor, danach und irgendwie die ganze sonstige Zeit drückte und drängte die Eintracht, nach der Roten Karte für den aus Ludwigshafen stammenden Mainzer Kapitän Nadiem Amiri wegen groben Foulspiels (21.) früh in Überzahl, nach allen Regeln der Fußball-Kunst. Aber ein halbes Dutzend erstklassiger Chancen, mehr als 50 Flanken und am Ende 34:9 Torschüsse führten nur noch zum 1:3 durch Rasmus Kristensen (75.) - passenderweise zu diesem kuriosen Rhein-Main-Duell ein Kopfball nach einer Ecke. „Mainz weiß, glaube ich, gar nicht, wie es dieses Spiel heute gewinnen konnte“, seufzte Krösche. Und Abwehrchef Robin Koch meinte: „Ich habe noch nie in meiner Karriere so ein Spiel erlebt, wo alles gegen einen läuft. Frustrierend.“
Die Frankfurter beenden die Hinrunde zwar auf einem starken dritten Platz, aber die über lange Phasen der Vorrunde so imponierend aufgetretenen Hessen gehen mit einer merklich eingetrübten Stimmung in die Weihnachtstage. Wettbewerbsübergreifend hat die Eintracht fünfmal nicht gewonnen, ist im DFB-Pokal ausgeschieden und hat in der Liga nur einen von neun möglichen Punkten geholt. „Das fühlt sich natürlich nicht gut an“, sagte Toppmöller, richtete den Fokus aber schnell auch auf das bisher Erreichte: „Wenn mir jemand gesagt hätte, dass wir auf dem dritten Platz in die Winterpause gehen, hätten das alle sofort unterschrieben.“ Wenn in den nächsten Tagen die Enttäuschung verflogen sei, „können wir auf ein halbes Jahr zurückblicken, in dem wir viele Sachen gut gemacht haben“. Sechs Punkte mehr als zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison haben die Hessen eingefahren, viele begeisternde Auftritte gezeigt.
Toppmöller will mit seinem Team ab dem 2. Januar wieder voll angreifen
Aber die Ergebnisdelle der vergangenen Wochen zieht den Gesamteindruck nach unten - und der Vorsprung auf die Konkurrenz um die Europapokalplätze ist auch fast futsch. Mainz und Werder Bremen liegen nur noch zwei Punkte hinter der Eintracht, auch Borussia Mönchengladbach mit drei Zählern weniger hat die Lücke geschlossen.
„Wir haben in den vergangenen Wochen viel Lehrgeld gezahlt, zu viele einfache Fehler gemacht. Wenn du oben dabei bleiben willst, darfst du dir das nicht erlauben“, mahnte Krösche. Trainer Toppmöller sprach vom „Momentum“, das zuletzt nicht mehr aufseiten der Frankfurter gewesen sei. Es gehe jetzt darum, „die Enttäuschung schnell aus den Kleidern zu schütteln. Die Pause ist nicht sehr lang, aber ab dem 2. Januar wollen wir mit frischer Energie neu angreifen“.
Nationalspieler Robin Koch bestärkt seinen patzenden Torhüter
Dabei müssen die Hessen im neuen Fußball-Jahr jedoch eine Statistik widerlegen, laut der sie in der Rückrunde fast schon traditionell schlechter performen als in der ersten Halbserie. In der Saison 2022/23 kamen zu 31 Hinrundenpunkten nur noch 19 weitere hinzu, im vergangenen Jahr zeigte der Trend bei einer Gesamtausbeute von 47 Zählern nach 27 Punkten zur Winterpause ebenso nach unten.
Der unglückliche Kaua Santos will dann wieder mithelfen, neue Erfolge zu feiern. Von seinen Mitspielern kamen keine Vorwürfe, sondern aufmunternde Worte an den brasilianischen Torhüter. „Wir sind als Mannschaft für Kaua Santos da, um ihn wieder aufzubauen“, sagte Nationalspieler Koch. „Er ist zwar jung, aber mental stark. Für seine Entwicklung gehört so etwas dazu. Im Fußball passieren halt Fehler. Wenn sie einem Torwart passieren, sind es meist Tore.“
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