Fußball

Eintracht Frankfurt holt sich zu viele Beulen

Beim Fußball-Bundesligisten vom Main ist von einer "Krise XL" die Rede. Selbst das Pokalfinale würde Trainer Glasner deshalb wohl keine Jobgarantie über den Sommer geben. Eine andere Konstante bleibt dagegen definitiv

Von 
Frank Hellmann
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Frankfurts Trainer Oliver Glasner wird angelastet, keinen Plan B in der Tasche zu haben. © Arne Dedert/dpa

Frankfurt. Fast ein Jahr ist her, dass ganz Frankfurt den Helden von Sevilla zu Füßen lag, als die Eintracht mit dem Europa-League-Triumph Geschichte schrieb. Doch die nächste Feierstunde kann sich gerade kaum jemand vorstellen. Eine blutleere Mannschaft ist nach neun sieglosen Bundesligaspielen von Platz vier auf neun abgerutscht. In der Rückrundentabelle liegen die Hessen auf Platz 15.

Es klang fast schon wie das Pfeifen im Walde, als Trainer Oliver Glasner vor dem DFB-Pokalhalbfinale beim VfB Stuttgart (Mittwoch 20.45 Uhr/ARD) daran erinnerte, dass einige seiner Spieler ja schon 2018 am Römer gestanden hätten, als die Pokal-Sensation gegen den FC Bayern gelang. „Das macht ein bisschen süchtig“, insistierte der Coach, der eine positive Grundstimmung beschwor: „Wir wollen nach Berlin, das Halbfinale ist uns zu wenig.“

Helfen kann vermutlich auch der zuletzt wegen Adduktorenproblemen fehlende Torjäger Randal Kolo Muani, der wochenlang als einziger Aktivposten in einem ansonsten dysfunktionalen Gebilde herausstach. Schwer zu sagen, welchen Einfluss ein parallel tobender Machtkampf auf höchster Führungsebene zum sportlichen Absturz beigetragen hat. Fast schon demonstrativ haben die Bosse nun vor dem wichtigsten Spiel der Rückrunde ihren Richtungsstreit beigelegt.

Treueschwur als Zeichen

Der heftig von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) umgarnte Vorstandssprecher Axel Hellmann wird seinen bis 2027 laufenden Vertrag erfüllen und wieder mit Aufsichtsratschef Philip Holzer zusammenarbeiten, nachdem sich die Alphatiere unter dem Adlerdach völlig verhakt hatten. Am Montagabend informierte Hellmann die DFL-Gremien in Person von Hans-Joachim Watzke von der Entscheidung für seinen Herzensverein, über den der 51-Jährige sagte: „Die emotionale Verortung wird nie zur Diskussion stehen – und dafür muss ich auch nicht das Wappen küssen.“ Er wolle mit der Eintracht „weiterhin viel bewegen – und ab und zu vielleicht einen Titel gewinnen“.

Gespräche mit dem FC Bayern, stellte er klar, habe es nie gegeben. Der findige Jurist war derjenige, der in unruhigen Zeiten bei der Eintracht stets den Anker gab. Hellmann hat gedämmert, dass der Schwebezustand im Sinne seines Arbeitgebers beendet werden müsse. Die Zwietracht hatte sich wie Mehltau auf den Traditionsverein gelegt. Der Treueschwur des wichtigsten Funktionärs soll nun prompt auch ein „wichtiges Zeichen im Endspurt der laufenden Runde“ sein.

Glasners Mannschaft hat indes in dieser Zusammensetzung keine Zukunft mehr. Daichi Kamada und Even Ndicka haben längst entschieden, im Sommer ablösefrei zu wechseln; Djibiril Sow oder Rafael Borré sehnen sich nach einer neuen Herausforderung und beim Ausnahmestürmer Kolo Muani wird bald ein Wettbieten einsetzen, bei dem die Hessen irgendwann gar nicht mehr Nein sagen können, wenn sie nicht im Europokal mitspielen.

Glasner wird in der „Krise XL“ (Frankfurter Rundschau) angelastet, auch im zweiten Jahr keinen Plan B in der Tasche zu haben. Indirekt hat er das sogar selbst zugegeben: „Die Spieler wollen, sie machen, sie tun. Die Tür ist momentan so fest zu, dass wir uns beim Anlaufen eine Beule nach der anderen holen.“ Um irgendwie in Stuttgart durch die Tür nach Berlin zu kommen, werde aber nichts Grundsätzliches geändert, denn: „Das ist Aktionismus.“

Am vergangenen Samstag war der Fußballlehrer nach dem Grottenkick gegen den FC Augsburg (1:1) so gefrustet, dass er Fragen nach seiner Verantwortung mit einer Mischung aus Sarkasmus und Zynismus beantwortete: „Wenn jemand der Meinung ist, dass es jemand besser kann als Oliver Glasner, dann wird man es mir sagen. Dann packe ich meine Sachen, und der nächste wird es versuchen.“ Auch wenn Glasner seinen emotionalen Ausbruch mit ein bisschen Abstand revidierte („ich tanze dann nicht durch Frankfurt“): Mit solchen Statements stärkt man nicht gerade sein Standing.

Viel Arbeit für Krösche

Hinter den Kulissen stand kurzzeitig gar der Rauswurf des Trainers zur Debatte, doch dessen Verdienste sind durch den Europapokalsieg zu groß. Bis Saisonende macht Glasner also weiter. Was danach passiert, scheint völlig offen. Selbst beim Erreichen des Pokalfinals am 3. Juni könnten beide Seiten zum Schluss kommen, dass eine weitere Zusammenarbeit wenig Sinn ergibt.

Es wartet viel Arbeit auf Sportvorstand Markus Krösche. Der smarte Macher muss zur nächsten Saison einen hungrigen Kader bauen – ganz unabhängig davon, wer dann auf der Trainerbank sitzt.

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