Sommerzeit ist Festivalzeit. Und mittlerweile haben sich die Kulturtage Gut Wöllried einen festen Platz im Terminkalender gesichert. Ein tolles Ambiente und gute Konzerte mit tollen Live-Bands und Künstlern sorgten dafür, dass die Location vor den Toren Würzburgs eine beliebte Anlaufstelle geworden ist. In die Phalanx der Interpreten reiht sich am Donnerstag, 3. Juli, um 19 Uhr Wolfgang Niedeckens BAP ein. Sie geben einen Nachschlag zu ihrer erfolgreichen „Zeitreise“-Tour, die der Band quer durch die Republik volle Hallen bescherte. Da draußen aber anders ist als drinnen, wird es einige Veränderungen geben, wie Wolfgang Niedecken im FN-Interview verraten hat. Schließlich haben die Songs des Erfolgs-Albums „Zwesche Salzjebäck un Bier“ auch das Alter von 40 Jahren erreicht. Denn das ist Voraussetzung, um überhaupt auf die Setlist zu kommen. Für viele Fans wird es also ein Wiederhören mit Songs ihrer Teenagerzeit geben.
Hallo Herr Niedecken, wie geht es Ihnen. Sie hatten ja vor einiger Zeit einen Schlaganfall. Haben Sie sich davon eigentlich vollständig erholt?
Niedecken: Mir geht es körperlich und geistig seit langem richtig gut. Zu dem Schlaganfall kam es ja nicht, weil ich in einem schlechten körperlichen Zustand war. Vielmehr hatte ich während eines Amerika-Urlaubs mir einen unglaublich starken Husten zugezogen. In dessen Folge bildete sich in der Halsschlagader eine Art Thrombus, der die Blutzufuhr zum Gehirn unterbrach. Nachdem der Übeltäter von einem tollen Ärzteteam entfernt worden war, war alles wieder in Ordnung. Natürlich musste ich eine konsequente Reha machen, aber danach war alles wieder ok.
Wie kam es eigentlich zur Zeitreise-Tour, bei der nur Stücke gespielt werden, die älter als 40 Jahre sind?
Niedecken: Wir hatten 2020 mit „Alles fließt“ eine tolle Platte aufgenommen und wollten die Lieder auch unbedingt live spielen. Doch dann machte uns Corona einen Strich durch die Rechnung. Wir mussten die Tour verschieben. Als es dann losging, wollten wir, weil wir so überzeugt von den Songs waren, die komplette Platte spielen. Das machten wir auch. Um den Fans aber auch ihre Wünsche zu erfüllen, spielten wir als jedes dritte Lied einen Oldie aus unseren erfolgreichen Anfangsjahren. Die Reaktion des Publikums auf diese Lieder war so euphorisch, dass wir uns entschlossen haben, eine Tour nur mit Songs zu spielen, die älter als 40 Jahre sind. Und die überwältigende Resonanz mit vielen ausverkauften Konzerten hat uns recht gegeben.
Nach der Hallentour kommt jetzt der Nachschlag unter freiem Himmel. Ändert sich etwas in der Setlist gegenüber der Hallentour?
Niedecken: Wir haben einige Songs ausgetauscht. Nicht jedes Lied funktioniert in der Halle und Open-Air gleich gut. Unter freiem Himmel herrscht einfach eine andere Atmosphäre. Da muss es ordentlich auf die Zwölf geben. Zudem sind jetzt auch Songs vom Album „Zwesche Salzjebäck un Bier“, die nun ebenfalls 40 Jahre auf dem Buckel haben, mit von der Partie, sodass das Programm doch anders ist, als bei der Rundreise durch die deutschen Hallen.
Irgendwie hört sich das nach einem musikalischen Klassentreffen mit viel Erinnerung an die Teenager-Zeit an?
Niedecken: Ja, ich glaube, das trifft es ganz gut. Natürlich ist da viel Nostalgie im Spiel und, wie gesagt, die Stimmung ist eine ganz besondere. Am Tag, als Donald Trump gewählt wurde, sind wir auch aufgetreten, und ich musste mir einen bissigen Kommentar verkneifen, weil er einfach nicht gepasst und vermutlich die positive Atmosphäre kaputt gemacht hätte. Aber nicht nur das Publikum freut sich auf die alten Stücke, auch die Band ist richtig heiß darauf, diese alten Songs zu rocken. Das Spielen der Klassiker macht ihnen genau so viel Spaß, wie dem Publikum das Zuhören und Abfeiern. Und was mich besonders freut, es waren auch viele junge Leute dabei. BAP sind eine generationenübergreifende Band. Und das ist, was wir sein wollen: Eine Band der Leute, egal ob jung oder alt.
Überhaupt die Band. Mit der momentanen Besetzung scheinen Sie ja die Idealformation gefunden zu haben?
Niedecken: Ja, das ist so. Die Chemie stimmt, und wir erleben wunderbare Abende. Das passt. Es nützt ja nichts, wenn man virtuose Einzelspieler hat, aber letztendlich kein harmonisches Miteinander und somit keine Top-Mannschaftsleistung hinbekommt. Ein fauler Apfel reicht da schon. Fantastisch ist auch, dass wir seit 2018 mit drei Bläsern unterwegs sind, die den Songs natürlich auch einen neuen musikalischen Anstrich geben.
„Kristallnach“ ist leider immer noch so aktuell wie in den 1980er Jahren. Sieht man sich als Autor bestätigt, einen solch zeitlosen Song geschrieben zu haben oder macht es einen eher nachdenklich, dass die Menschheit in den letzten 40 Jahren anscheinend nichts dazu gelernt hat, die Probleme immer noch die gleichen sind?
Niedecken: Die Zeiten sind eigentlich noch irritierender und sonderbarer als damals in unseren Anfangsjahren. Und das ist schon ein wenig erschütternd. Wer hätte gedacht, dass Donald Trump in Amerika ein solches Comeback feiert. Auch der Rechtsruck in vielen europäischen Staaten stimmt mich nachdenklich. Wir haben mit „Ruhe vorm Sturm“ ja eine Art „Kristallnach“ 2.0 gemacht und sind auf die neue Situation eingegangen. Irgendwie ist es schon schade, dass sich manche Dinge niemals ändern.
Nach der Zeitreise werden sie mit der Tour „Zwische Start und Ziel“ unterwegs sein. Das wird dann eine ganz andere Geschichte sein?
Niedecken: Es wird auch schon wie bei der Dylan-Hommage ein, im Vergleich zu den jetzigen Konzerten, intimer Abend mit Liedern und Geschichten sein. In meinem Alter hat man drei Viertel seines Lebens gelebt und nur noch eines vor sich. Da darf man schon ein wenig Bilanz ziehen, auf sein Leben zurückblicken und auch einige Anekdoten erzählen. Ich hoffe, das werden nicht nur für mich, sondern auch für das Publikum besondere Momente.
Sie werden im nächsten Jahr 75. Ist da etwas besonders geplant?
Niedecken: An meinem Geburtstag werde ich in Köln auf der Bühne der Philharmonie stehen. Ich bin gespannt, was da passieren wird. Ich finde es toll, den Geburtstag bei einem Heimspiel mit den Fans zu feiern. Das wird sicherlich auch emotional.
Denkt man mit knapp 75 Jahren eigentlich ans Aufhören? Oder hält man es mit den Rolling Stones und spielt, solange man eine Bühne erklimmen kann?
Niedecken: Momentan ist Aufhören kein Thema. Ich fühle mich gut und kann die rund dreistündigen Auftritte gut bewältigen. Aber sollte es Ausfallerscheinungen geben oder die Auftritte mich zu sehr anstrengen, werde ich Schluss machen. Meine drei Damen haben da ein gutes Gespür. Sie werden sicherlich aufpassen, dass ich mir nicht zu viel zumute. Ganz fest im Blick habe ich auf jeden Fall noch das Jahr 2026. Dann feiert BAP nämlich 50. Geburtstag. Und da wollen wir mit einem „Greatest-Hits“-Programm auf Tour gehen, um dieses Jubiläum gebührend mit den Fans zu feiern.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/sport/vereine_artikel,-adler-mannheim-wolfgang-niedecken-reist-mit-bap-und-publikum-in-die-bluetezeit-des-koelsch-rock-_arid,2308716.html