Kaiserslautern. Erst am 10. Mai übernahm Dirk Schuster das Traineramt beim 1. FC Kaiserslautern. In zwei Relegationsspielen gegen Dynamo Dresden (0:0, 2:0) schaffte der 54-Jährige den Aufstieg in die 2. Bundesliga, wo der FCK am Freitag zu Hause gegen Hannover 96 das Saisoneröffnungsspiel bestreitet. Im Interview spricht Schuster unter anderem über einen Anruf bei seinem Vorgänger, die knapp vierwöchige Vorbereitungszeit und die kommende Zweitligaspielzeit.
Dirk Schuster, Geschehnisse, die man als Fußballwunder definieren kann, werden immer seltener. Von 2014 bis 2016 haben Sie mit Darmstadt 98 den Durchmarsch von der 3. Liga in die Bundesliga geschafft. Glauben Sie, dass so etwas noch mal gelingen kann?
Dirk Schuster: Man kann es nicht ausschließen, aber dass das in der kommenden Saison hier in Kaiserslautern passiert, da geht die Wahrscheinlichkeit gegen Null. In Darmstadt waren es ganz andere Vorzeichen. Wir hatten mit der Mannschaft schon länger zusammengearbeitet. Hier sind wir relativ kurz zusammen. Wenn man es bildlich formulieren will, dann sind wir gerade beim dritten Date. Der Kader ist noch nicht komplett. Das war damals in Darmstadt auch anders. Wir müssen realistisch, bodenständig und demütig bleiben und davon ausgehen, dass wir eine ganz harte und schwierige Saison vor uns haben. Unser Saisonziel ist der Klassenerhalt. Natürlich nehmen wir jeden Tabellenplatz, der besser als Rang 15 ist gerne. Aber den 15. Platz würde ich heute direkt unterschreiben.
In Kaiserslautern haben Sie die Mannschaft im Mai erst wenige Tage vor der Relegation gegen Dynamo Dresden übernommen. Nehmen Sie uns doch mal mit: Wie bereitet man sich und seine neue Mannschaft dann auf so eine Aufgabe vor, in der es in zwei Partien um alles oder nichts geht?
Schuster: Wir haben einen Verein und eine Mannschaft vorgefunden, wo das Wort Relegation negativ behaftet war, weil man durch drei Niederlagen am Saisonende den direkten Aufstieg verspielt hatte. Es kam so rüber, als ob die Relegation wie ein Nachsitzen in der Schule wäre – also so eine Art Strafe. Unser Grundgedanke war, dass wir die Relegation als etwas Positives sehen müssen, weil wir aus einer guten eine sehr gute Saison machen konnten. Ich denke, wir haben das relativ schnell verinnerlicht und uns dann in einer Art Speeddating kennengelernt. Wir konnten uns auf Aussagen und Auskünfte aus dem Staff und allen, die unmittelbar mit der Mannschaft zu tun hatten, hundertprozentig verlassen.
Wie haben Sie den Abend nach dem Sieg in Dresden und die Aufstiegsfeier am Tag danach in Kaiserslautern erlebt?
Schuster: Wir haben uns absichtlich aus diesen ganzen Feierlichkeiten ein bisschen herausgenommen, weil ich der Meinung bin, dass der Hauptanteil Marco Antwerpen, seinem Co-Trainer und der Mannschaft gehört. Wir haben nur noch vollendet, was sie vorbereitet hatten. Ich habe Marco unmittelbar nach dem Spiel in Dresden angerufen und ihm das auch so gesagt.
Unter Antwerpen spielte der FCK oft mit einer Dreierkette. Als Sie kamen, haben sie das Spielsystem aber verändert. Wie ist die Idee zur Änderung der taktischen Grundformation für die Spiele gegen Dresden entstanden?
Schuster: Wir haben das gemeinsam geändert. Wir mussten das System finden, welches gegen Dresden am besten passt, und haben ein internes Testspiel gemacht. Da hat sich dann offenbart, dass das 4-2-3-1-System besser auf den Gegner passt. Wir haben die Spieler dann befragt und da gab es eine positive Grundstimmung für dieses System. Deswegen haben wir das dann auch so gespielt.
Dann lassen Sie uns mal nach vorne schauen. Der 1. FC Kaiserslautern ist nach vier Jahren zurück in der 2. Bundesliga. Durch die Winter-WM in Katar geht es terminlich aber Schlag auf Schlag. Ihr Team hatte nur eine knapp vierwöchige Vorbereitungszeit. Inwiefern beeinflusst diese Termindichte die Planung einer Vorbereitung?
Schuster: Die Kaderplanung hat im Grunde die ganze Sommerpause gedauert, weil wir wussten, dass wir uns nach dem Aufstieg qualitativ verbessern müssen. Wir haben eine kurze Vorbereitung, das Transferfenster ist aber bis zum 1. September offen. Der eine oder andere Spieler kommt eventuell also etwas später dazu. Wir waren die letzte Mannschaft, die in die 2. Liga gesprungen ist und waren neun Tage länger in der Saison, sind aber am gleichen Tag wie manch andere Zweitligisten in die Vorbereitung gestartet. Die Spieler mussten auch schon in der letzten Woche des Urlaubs im Ausdauerbereich etwas machen. Die große Herausforderung für uns als Trainerteam war es, alles in diese knapp vier Wochen reinzupacken, was man sonst in sechs oder sieben Wochen trainieren kann.
Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit der Vorbereitung und auf was legen Sie in den letzten Tagen den Fokus?
Schuster: Wir haben alles gut gemeistert und sind bislang ohne Muskelverletzungen durchgekommen. Wir haben eine gute Balance zwischen Belastung und Erholung gefunden. Ich bin mit der Vorbereitung sehr zufrieden. Wir werden in der Trainingswoche vor dem Spiel gegen Hannover 96 natürlich keine Kondition mehr bolzen, sondern am Feinschliff im taktischen Bereich arbeiten. Wir werden den Gegner genau analysieren und uns die Frische im Kopf und im Körper holen.
Sie haben es schon angesprochen. Am Freitag (20.30 Uhr) bestreitet der FCK das Saisoneröffnungsspiel gegen Hannover 96. Für die Partie läuft der Vorverkauf sehr gut. Im Fritz-Walter-Stadion wartet erneut eine große Kulisse auf Sie und ihr Team. Welche Rolle wird die Unterstützung der Zuschauer in der anstehenden Saison spielen?
Schuster: Ich glaube, dass die Fans wieder zum zwölften Mann für uns werden und bin sicher, dass sie uns genauso unterstützen, wie sie es in der Relegation getan haben. Ich habe noch nie erlebt, dass 50 000 Zuschauer wie ein Fels in der Brandung hinter einer Mannschaft stehen. Das war schon Gänsehautatmosphäre. Wir sind in dieser Liga aber der Underdog. In der Tabelle des Fernsehgeldes sind wir Letzter und mit unserem Etat stehen wir sicher auch nicht weit oben. Die Erfahrung an Zweitligaspielen im Kader ist auch nicht allzu groß. Das alles spricht natürlich dafür, dass es für uns nur um den Klassenerhalt gehen kann. Wir brauchen jeden Einzelnen, um unser großes Ziel zu erreichen. Dazu gehören auch die Fans.
Mit Andreas Luthe von Union Berlin und Erik Durm von Eintracht Frankfurt konnten Sie routinierte Akteure nach Kaiserslautern lotsen. Welche Rolle sollen beide in der Mannschaft übernehmen?
Schuster: Ich erwarte von beiden, dass sie vorweg gehen. Andi Luthe ist ein absolutes Vorbild auf und neben dem Platz. Erik Durm ist auch ein gestandener Spieler, der seine Erfahrung gerne weitergibt. Er hat gerade mit Eintracht Frankfurt die Europa League gewonnen und ist 2014 Weltmeister geworden. Dazu hat er jede Menge Bundesligaspiele auf dem Konto. Die anderen Spieler schauen zu Luthe und Durm auf und können sich an beiden ein bisschen orientieren.
Auf welchen Positionen wollen Sie sich noch verstärken?
Schuster: Uns schwebt eine starke zentrale Achse vor. Ich glaube, dass wir noch ganz gut jemanden gebrauchen können, der variabel auf der Sechs und in der Innenverteidigung spielen kann. Wir werden auch auf anderen Positionen noch Ausschau halten, aber wir machen da keinen Schnellschuss. Der Transfermarkt kommt jetzt erst in Fahrt. Wir werden den Kader zum ersten Spieltag wahrscheinlich noch nicht komplett haben. Das ist mit Geschäftsführer Thomas Hengen aber auch so besprochen.
Sie kennen die 2. Liga sehr gut. Auf welche Tugenden kommt es in dieser Klasse an?
Schuster: In erster Linie wird viel Disziplin nötig sein. Es wird enorm auf Willensstärke, Zweikampfhärte und Laufbereitschaft ankommen. Wir müssen Fehler vermeiden, weil diese in der 2. Liga noch mal anders bestraft werden als in der 3. Liga. Dazu brauchen wir ein schnelles Umschaltspiel, um punkten zu können. Darauf sind Mannschaft und Verein aber auch vorbereitet.
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