Bergstraße. Verlässliche Statistiken zu den Zuschauerzahlen im Fußballkreis Bergstraße gibt es nicht. Kreisfußballwart Martin Wecht stützt sich im Gespräch mit dieser Redaktion deshalb vor allem auf Eindrücke, die er selbst sammelt – oder die ihm von Vereinsvertretern übermittelt werden. Bei der gefühlten Wahrheit scheinen sich jedenfalls alle einig zu sein: Immer weniger Menschen zieht es am Wochenende auf den lokalen Sportplatz.
„Den einen speziellen Grund dafür gibt es nicht“, sagt Wecht. Zwei Überlegungen hat der Rimbacher jedoch sofort parat. „Ich glaube zum einen, dass Leute zum Teil mit Fußball überladen werden und deshalb übersättigt sind. Wenn du willst, kannst du heutzutage ja jeden Tag Fußball im Fernsehen schauen“, hält er fest: „Zum anderen ist Fußball nicht mehr das Go-to-Event am Wochenende. Er konkurriert mit vielen anderen Veranstaltungen. Das Freizeitverhalten der Menschen hat sich geändert. Wenn dann auch noch das Wetter nicht mitspielt, wird es auf dem Sportplatz schnell leer.“ Auch das digitale Zeitalter hinterlasse seine Spuren, glaubt Wecht: „Viele Spiele kannst du mittlerweile im Liveticker verfolgen. Das reicht vielen dann offenbar auch.“
Reserven hübschen die Zuschauer-Bilanz auf
Für den Kreisfußballwart sticht der Zuschauerschwund vor allem bei prestigeträchtigen Duellen ins Auge. Das Spitzenspiel der Kreisliga A zwischen Tabellenführer FSV Rimbach und dem Zweiten TSV Aschbach an Allerheiligen (1:1) ist für Wecht ein gutes Beispiel. „Der Besuch war okay“, findet Wecht, der selbst aus Rimbach kommt: „Dass zu so einem Spiel aber 200, 300 oder 400 Zuschauer kommen, hast du mittlerweile nur noch ganz selten.“
Selbst das hitzige B-Liga-Derby zwischen dem hoch gehandelten VfR Bürstadt und dem Überraschungsprimus VfB Lampertheim (2:1) zog am Sonntag aufgerundete 60 Zuschauer auf den Bürstädter Bildungs- und Sportcampus. Bei gut 20Zuschauern handelte es sich um Spieler der zweiten VfB-Mannschaft, die nach ihrem eigenen Spiel in der D-Klasse nachkamen.
Kreisfußballwart Martin Wecht: „In der großen Masse kann man besser grölen und sich besser verstecken“
Den Zuschauerschwund auf den Fußballplätzen macht Wecht nicht als Kreisliga-Phänomen aus. „Die erste und zweite Bundesliga leben noch von ihren Ultras- und Fanszenen. Ab der 3. Liga abwärts merkt man aber schon, dass die Zuschauerzahlen rückläufig sind“, erklärt der Bergsträßer Kreisfußballchef.
Beim Fan-Erlebnis spiele nicht selten die Gruppendynamik eine Rolle, merkt er an. Was einen klaren Vorteil für die großen Proficlubs in der Region darstellt, die oft tag- oder gar zeitgleich zu den lokalen Amateurvereinen spielen. „In der großen Masse kann man besser grölen und sich besser verstecken“, hält Wecht fest.
Eine Lösung hat er nicht auf Lager. Bei Highlight-Partien wie dem Bergsträßer Kreispokalfinale stehen nicht selten organisatorische Probleme höheren Zuschauerzahlen im Weg. Das Pokal-Endspiel der vergangenen Runde zwischen Hessenliga-Absteiger SV Unter-Flockenbach und Gruppenligist SV Fürth stieg vor knapp 600 Zuschauern auf neutralem Platz in Mitlechtern.
Auf eine Austragung bei einem Finalisten – vorzugsweise natürlich beim Außenseiter in Fürth – hatten sich die Vereine nicht einigen können. „So war das Finale zwar gut besucht, aber nicht so gut wie erwartet“, erläutert Wecht.
Höhere Eintrittspreise wohl kein Grund
Wie viel Potenzial ein perfekt organisiertes Kreispokalfinale entwickeln kann, zeigte sich 2014 in Bürstadt: Beim Derby zwischen Verbandsliga-Meister VfR Bürstadt und Gruppenligist FSV Riedrode (3:0) schauten 1000 Zuschauer auf dem Sportplatz der Bürstädter Eintracht vorbei. Es ist bis heute das letzte Fußballspiel im Kreis Bergstraße, das die Schallmauer der Vierstelligkeit durchbrach. Eine Eventisierung des Liga-Alltags hält Wecht indes nicht für umsetzbar. „Eine Hüpfburg muss auf- und wieder abgebaut werden. Ein Foodtruck-Besitzer hat auch seine Kosten, die er wieder reinholen will“, zählt der Kreisfußballwart auf.
Immerhin: Die leichte Preiserhöhung beim Eintritt, auf die sich die Bergsträßer Fußballclubs bei den Vorrundenbesprechungen im Sommer einigten, ist für Wecht kein Grund, der die Zuschauer auf Kreisebene vom Kommen abhält. Zumindest sind ihm keine Beschwerden über die erste Anpassung seit 2019 bekannt, die Wecht mit höheren Schiedsrichterspesen und allgemein gestiegenen Kosten begründet.
Spielklassenübergreifend sind die Eintrittspreise um 50 Cent zum Vorjahr gestiegen
4,50 Euro werden nunmehr in der Kreisoberliga fällig. In der A-Liga kostet der Eintritt 4 Euro, in der B-Liga 3,50 Euro, in der C- und D-Liga 3Euro. Spielklassenübergreifend sind das 50 Cent mehr als in der vergangenen Runde. Frauen, Rentner, Schwerbehinderte sowie Jugendliche bis 16 Jahre zahlen jeweils einen Euro weniger.
Die finale Umsetzung obliegt freilich den Vereinen. „Mir sind D-Ligisten bekannt, die gar keinen Eintritt kassieren, wenn sie wissen, dass der eine oder andere Zuschauer dafür vielleicht ein Getränk mehr kauft“, berichtet Wecht.
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