Kolumne

Kapitänsregel nicht unumstritten

Neue Anweisung findet viel Anklang im Ried. An der Basis gibt es aber auch Kritik an der Vorgehensweise des DFB

Von 
Claudio Palmieri
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So soll es auch in den Kreisligen zugehen: Schiedsrichter Michael Oliver (v.l.) bei der EM im Gespräch mit den Kapitänen Ilkay Gündogan und Kasper Schmeichel. © dpa

Ried. Meckerregel, Anti-Mecker-Regel, Kapitänsregel: Die Anweisung, die Fußballfans von der EM 2024 kennen, hat schon viele Bezeichnungen. Am Dienstag führte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die „Kapitänsregelung“ offiziell ein – und zwar in allen deutschen Spielklassen. Das bedeutet: Auch auf Kreisebene oder bei Jugendspielen darf ab sofort nur noch der Mannschaftskapitän mit dem Schiedsrichter in Kontakt treten, wenn es um strittige Entscheidungen geht.

Spieler, die trotzdem reklamieren oder den gebotenen Mindestabstand von mindestens vier Metern zum Unparteiischen nicht einhalten, werden fortan mit einer Gelben Karte belegt. Hat der Torwart das Kapitänsamt inne, wird vor Spielbeginn ein Feldspieler zum Ansprechpartner des Referees ernannt – für den Fall, dass in der gegnerischen Spielhälfte Diskussionsbedarf besteht. „Die Unparteiischen werden ihrerseits dazu ermutigt, sich im Dialog mit den Kapitänen auszutauschen, um eine respektvolle Atmosphäre zwischen allen Parteien zu schaffen und eine Vertrauensbasis zu den Spielern aufzubauen“, teilte der DFB mit.

Mit der Kapitänsregelung will der DFB Diskussionen, Rudelbildungen und Szenarien, in denen der Schiedsrichter von Spielern bedrängt wird, unterbinden. In Sportarten wie Rugby ist dieses Prinzip seit jeher gang und gäbe – und es hat sich im Sinne des gegenseitigen Respekts auf dem Platz bewährt. Der frühere Kreisfußballwart Reiner Held spricht deshalb von einem „Fortschritt“ revolutionären Ausmaßes. „Man hat über 100 Jahre gebraucht, um diese Regelung einzuführen“, sagt der Bürstädter, der dem Kreisfußballausschuss Bergstraße als Referent für Freizeit- und Breitensport sowie als Klassenleiter (unter anderem Kreisoberliga, Pokal, D-Junioren) erhalten geblieben ist.

Schiedsrichter stört die kurzfristige Umsetzung

Auch bei den Ried-Vereinen stößt die Kapitänsregel auf Zustimmung. Thorsten Göck hatte erst bei der Vorrundenbesprechung der Gruppenliga Darmstadt vor einer Woche aufgeschnappt, dass die Einführung der Anweisung für den Winter angedacht sei. Der Sportliche Leiter der FSG Riedrode ist ein großer Befürworter. „Wenn ich sehe, wie Spieler manchmal 30 oder 40 Meter über den Platz spurten, nur um mit dem Schiedsrichter zu diskutieren, kann ich das nur begrüßen und unterstützen“, erklärt Göck: „Für jeden Spieler ist jetzt klipp und klar, dass es da nichts zu diskutieren gibt. Dafür habe ich einen Kapitän.“

Patrick Andres gefällt die neue Regelung ebenfalls. Der Sportausschussvorsitzende von Olympia Lampertheim, der selbst als Referee tätig ist, stört sich allerdings an der kurzfristigen Umsetzung, die auch nicht weiter mit der Basis besprochen wurde. „Vor zwei Wochen war die erste Schiedsrichtersitzung im Kreis, da war das kurz ein Thema. Von der Kreisliga war aber noch nicht die Rede“, erinnert sich „Padde“. Die Kapitänsregel sei „von 0 auf 100 per E-Mail an die Schiedsrichtervereinigungen rausgeklatscht worden, ohne die Leute vorher zu schulen“, merkt Andres an.

Clubs und Schiedsrichtern im hessischen Amateurfußball bleiben nun knapp zwei Wochen Vorbereitung, um sich auf die neuen Begebenheiten einzustellen. „Es ist sicher besser jetzt als wenn es mitten in der Runde gekommen wäre“, findet Andres, der diesbezüglich „den persönlichen Kontakt zu den Spielern“ pflegen will: „Die meisten Spieler kriegen es ja über die Medien mit. Ich werde sie trotzdem noch mal vor einem Spiel über die neue Regel aufklären. Es wird auch für sie eine Umstellung sein und es muss sich erst einmal bewähren.“

„Man muss sehen, wie sich das im Amateurfußball einspielt“

Andres sieht jedenfalls eklatante Unterschiede zwischen der Umsetzung einer solchen Regel bei den Profis und bei den Amateuren, wo nicht selten Zuschauer auf das Spielfeld rennen – und dem Referee im schlimmsten Fall zu nahe kommen. „In der Kreisliga gibt es so viele emotionale Spielsituationen. Da lässt sich das nicht vermeiden, dass außer dem Kapitän noch andere Leute zu dir kommen und es eine Rudelbildung gibt“, mutmaßt Andres: „Ich bin gespannt auf die Umsetzung. Trotzdem finde ich das eine gute Sache und man sollte dem Ganzen eine Chance geben.“

Auch Ex-Kreisfußballchef Held, der ebenfalls Schiedsrichter ist, räumt leichte Bedenken ein. „Man muss sehen, wie sich das im Amateurfußball einspielt“, meint der Bürstädter. Seinen Kollegen an der Pfeife rät der 68-Jährige dazu, die Kapitänsregel nicht zu kleinlich auszulegen: „Es kommt immer darauf an, wie der Spieler einem kommt.“

Freier Autor Geboren in Viernheim, aufgewachsen in Bürstadt. Freier Mitarbeiter seit 2009

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