MANNHEIM. Ivo Leonhardt ist ein leidenschaftlicher Kämpfer für seine Sache. Als Vorsitzender der Mannheimer Schiedsrichtervereinigung wird der 35-Jährige nicht müde, für Respekt und Wertschätzung gegenüber den Unparteiischen zu werben – und auch, wenn es darum geht, junge Schiedsrichtertalente heranzuführen und zu fördern, ist Leonhardt in vorderster Reihe zur Stelle.
„Wenn ich 15 Jahre zurückblicke, war es eine der besten Entscheidungen meines Lebens, die Schiedsrichterei auszuprobieren“, betont der Hockenheimer, der als Unparteiischer ganz unten anfing und es innerhalb weniger Jahre bis zum Regionalliga-Referee brachte.
Doch bei allem Enthusiasmus: Die Sache hat einen Haken. Leonhardts Mitstreiter werden weniger, werden älter, die Zahl der nachrückenden Nachwuchsschiedsrichter kann die durch Abgänge gerissene Lücke nicht mehr schließen. Der Amateurfußball – er steht vor einem großen strukturellen Problem. Auch in Mannheim ist der Schiedsrichtermangel längst zu einer entscheidenden Zukunftsfrage geworden.
Nur zwölf Clubs schaffen Vorgabe
„Wir haben akuten Handlungsbedarf“, gibt Leonhardt unumwunden zu, „die Tendenz der letzten Jahre zeigt steil nach unten.“ Er fügt jedoch hinzu: „Ich halte nichts von Schwarzmalerei. Das Thema ist kein Phänomen der letzten drei Monate, sondern beschäftigt uns schon seit Jahren. Unser Ziel ist es ja, einen Umschwung hinzubekommen und die Anzahl und Qualität der Schiedsrichter zu steigern.“
Große Hoffnungen setzt Leonhardt in den nächsten Neulingskurs Anfang September, für den bis jetzt etwa 35 Anmeldungen vorliegen. Ein ermutigendes Signal. Denn die Zahlen für den Fußballkreis Mannheim sind fraglos alarmierend: Von den 65 Vereinen erfüllten 2017 gerade einmal zwölf ihr vorgegebenes Schiedsrichter-Soll. Die restlichen 53 Clubs stellten zu wenige Schiris – 17 Vereine sogar keinen einzigen.
„Mich stimmt sehr nachdenklich, wenn ich aus manchen Vereinen höre, dass ihnen eigentlich egal ist, ob sie Schiedsrichter haben oder nicht“, berichtet Leonhardt von seinen Gesprächen. „Die Bereitstellung von Schiedsrichtern wird leider von manchen Clubs als nette Geste oder bewundernswerte Gefälligkeit betrachtet und nicht als Bringschuld für den gemeinschaftlichen Spielbetrieb.“
Strafen kein Allheilmittel
Wie viele Unparteiische ein Verein zu stellen hat, regelt die Spielordnung des Badischen Fußballverbandes und ist abhängig von der jeweiligen Spielklasse sowie der Anzahl an gemeldeten Mannschaften. Wer das Soll nicht erfüllt, wird zur Kasse gebeten: Der erste fehlende Schiedsrichter kostet 179 Euro, jeder weitere 103 Euro jährlich. Andere Verbände gehen in ihren Maßnahmen weiter. In Hessen beispielsweise werden Punktabzüge verhängt – was die betroffenen Vereine mitunter den Aufstieg oder den Klassenerhalt kosten kann.
„Höhere Strafen sehe ich aber nicht als Allheilmittel“, will Leonhardt einen anderen Weg beschreiten: Statt auf eine „Kultur der Bestrafung“ setzt der 35-Jährige auf Anreize. „Ein Mehrwert für alle Beteiligten muss das Ziel sein. Engagement der Vereine für den Schiedsrichterbereich muss sich im Wortsinne bezahlt machen.“ Dazu gehöre auch eine angemessene Vergütung für Schiedsrichter aller Leistungsklassen. „13 Euro für die Leitung eines Jugendspiels sind als Honorar aus meiner Sicht einfach nicht mehr zeitgemäß“, rechnet Leonhardt vor.
Engagierte Einzelpersonen sind es zumeist, die in den Vereinen das Schiedsrichter-Thema vorantreiben. Positive Beispiele gibt es quer durch alle Spielklassen. Verbandsligist VfR Mannheim erfüllt sein Soll von zehn Schiedsrichtern ebenso wie die beiden A-Ligisten TSV Neckarau und FV Ladenburg (je sieben), die DJK Neckarhausen (fünf) oder die Spvgg Ilvesheim (vier). Besonders vorbildlich sind der SC Käfertal und der SC Pfingstberg, die ihr Soll von jeweils drei Unparteiischen sogar übererfüllen und fünf (Käfertal) bzw. vier Referees stellen. Doch das ist die große Ausnahme.
VfR gelingt Trendwende
„Der Schiedsrichtermangel ist sicherlich eines der größten Probleme, denen sich der Fußball in der Zukunft stellen muss“, glaubt Boris Scheuermann, Vorstandsmitglied des VfR Mannheim. Beim Deutschen Meister von 1949 bilden die Schiedsrichter schon seit Jahren eine eigene Abteilung im Verein, Rekrutierungsprobleme gibt es keine. „Wir hatten das Glück, mit Sven Gadow einen sehr rührigen Leiter für unsere Abteilung gefunden zu haben. Er hat ein Wir-Gefühl unter den VfR-Schiedsrichtern entwickelt“, lobt der Sportvorsitzende. Es gebe Ausflüge und Feierlichkeiten.
„Wir als Verein unterstützen diese Aktivitäten mit einem Zuschuss und wollen damit auch ein Dankeschön ausdrücken.“ Letztendlich, erklärt Scheuermann, sei es der Club auch leid gewesen, alljährlich Strafen an den Verband bezahlen zu müssen. „Wir konnten bei den Schiedsrichtern eine Trendwende herbeiführen, darauf sind wir sehr stolz.“
Um das Problem zu lösen, hat Schiri-Boss Leonhardt einen ehrgeizigen Wunsch: „Wenn wir es schaffen, im Schnitt einen neuen Schiedsrichter aus jedem Verein dauerhaft in den Spielbetrieb zu integrieren, wird sich die Situation schon kurzfristig extrem positiv verändern.“ Denn nur von Quantität komme auch Qualität: „Und davon profitieren am Ende alle.“
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