Mannheim. Wer es mit Spott und Ironie hält, der könnte lästern: Nach diesem berauschenden Glanzauftritt war die Entscheidung alternativlos. Der SV Waldhof hat kurz nach dem enttäuschenden 1:1 im letzten Liga-Spiel gegen den KFC Uerdingen am Samstagnachmittag bekanntgegeben, dass er mit Trainer Patrick Glöckner und Sportchef Jochen Kientz in die nächste Saison geht. Wochenlang waren die Verantwortlichen beim Mannheimer Drittligisten der Gretchenfrage ausgewichen und hatten gebetsmühlenartig auf eine vorbehaltlose Analyse der Saison verwiesen, nach der die wichtigsten Personalien geklärt werden sollten. Welche gravierenden Erkenntnisse die letzten Saisonspiele gebracht haben, über die man vorher nicht verfügte? Warum jetzt nicht auch noch das bedeutende Endspiel um den BFV-Pokal gegen den Regionalligisten FC Astoria Walldorf am Samstag in Pforzheim abgewartet wurde, bis man einen Entschluss in der Glöckner-Frage fällt? Berechtigte Fragen, die nun aber zweitrangig sind.
Die Entscheidung steht, und sie ist richtig. Trainer Glöckner hat unter erschwerten Rahmenbedingungen zufriedenstellende Arbeit geleistet, Kaderplaner Kientz trotz vereinzelter Flops unter dem Strich wieder bewiesen, dass er über ein gutes Gespür für junge, entwicklungsfähige und bezahlbare Spieler verfügt. Der respektable Platz acht im Endklassement täuscht aber auch über mehrere Tiefs im Saisonverlauf hinweg, bei denen die Abstiegsplätze bedrohlich nahe rückten. Und die Tatsache, dass Erzrivale 1. FC Kaiserslautern wieder nicht geschlagen werden konnte (1:1, 0:2) – trotz der bekanntlich miserablen Saison der Pfälzer – schmerzt die Waldhöfer Fanseele.
Christiansen wechselt nach Fürth
Glöckner musste mindestens zweimal, nach der Pleitenserie kurz vor Weihnachten und Anfang April vor dem Spiel gegen Zwickau (1:0), um seinen Job bangen. Aber als er Ergebnisse liefern musste, lieferte er verlässlich. Das ist auch eine Qualität. Der 44-Jährige kompensierte ohne größeres Klagen teilweise monatelange Ausfälle von Leistungsträgern wie Marco Schuster, Marcel Seegert, Jesper Verlaat oder Jan-Hendrik Marx, und er managte die einzelnen Durchhänger souverän. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der für die Rückrunde angekündigte große Entwicklungssprung der Mannschaft ausblieb. Die Leistungen des SVW gerieten weiter wechselhaft, einzelne Profis wie Joseph Boyamba bauten im Saisonverlauf eher ab, als sich zu verbessern.
Präsident Bernd Beetz hat die Zielsetzung für die neue Saison schon einmal diskret angehoben. „Mehr Konstanz“, forderte der 70-Jährige am Samstag, „damit wir eine noch anspruchsvollere nächste Saison spielen können.“ Dem Vernehmen nach will der frühere Wirtschaftsboss dafür noch einmal mehr Geld als bisher zur Verfügung stellen. Der SVW plant offenbar den Angriff auf die Spitzenplätze – und Kientz soll dafür die notwendigen Verstärkungen an Land ziehen. Bei der Suche nach Ersatz für die bisherigen Eckpfeiler Schuster (SC Paderborn), Marx, Arianit Ferati und Max Christiansen, der nach Informationen dieser Redaktion zu Bundesliga-Aufsteiger SpVgg Greuther Fürth wechselt, geht der Mannheimer Blick verstärkt in Richtung 2. Liga. Das Gehaltsgefüge dürfte deshalb angehoben werden. Linksverteidiger Marcel Hofrath spielt in den Planungen keine Rolle mehr, Torhüter Timo Königsmann wird mit Liga-Rivale 1. FC Saarbrücken in Verbindung gebracht.
Sportchef Kientz wird beweisen müssen, dass er nach den internen Reibereien mit Geschäftsführer Markus Kompp und den andauernden Wechselgerüchten um seine Person die Aufgabe Waldhof weiter mit vollem Herzblut angeht. Beim großen Umbruch im vergangenen Sommer landete der Ketscher mit Dominik Martinovic, Marcel Costly, Anton Donkor und Jesper Verlaat vier Volltreffer, er griff aber auch ein paar Mal daneben – wie bei 1-Tore-Stürmer Gillian Jurcher. Von Kientz’ Transferquote im Sommer wird es abhängen, welches realistische Saisonziel der SVW ausrufen kann.
Mehr Chancen als Risiken
Im Umfeld des Profi-Teams hat Spielbetriebs-GmbH-Chef Kompp mit der bevorstehenden Übernahme des Trainingsgeländes am Alsenweg von der Stadt Mannheim ein wichtiges Thema zur weiteren Professionalisierung des Drittligisten abgehakt. Unzufriedenheit herrscht jedoch bei einigen Waldhof-Sponsoren, die gegenüber dieser Redaktion eine mangelnde bis ausgebliebene Kommunikation mit dem SVW-Geschäftsführer während der Corona-Phase beklagten.
Die triste Zeit der Pandemie steht glücklicherweise und hoffentlich bald vor ihrem Ende. Wenn die Fans endlich wieder ins Carl-Benz-Stadion dürfen – vielleicht schon zum Saisonstart am Wochenende 23. Juli –, kehrt die Normalität zurück. Der SV Waldhof ist bisher ohne größere Schäden durch diese schwere Zeit gekommen, sportlich und wirtschaftlich.
Wie werden sich die Mannheimer künftig aufstellen? Präsident und Mäzen Beetz hat aus seinem Fernziel 2. Liga nie einen Hehl gemacht. Die Gelegenheit, in der nächsten Saison Richtung Aufstieg zu denken, scheint günstig. Die Schwergewichte Dresden und Rostock sind weg, die Absteiger Würzburg und Braunschweig gehören nicht automatisch zu den Favoriten. Eine spannende Spielzeit steht an, die für den SV Waldhof mehr Chancen als Risiken bereithält.
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