Mannheim. Erst Frust über die eigene Leistung, dann Erleichterung und pures Glück: Ruth Hildebrand von der MTG Mannheim durchlebte bei der 27. Bauhaus-Juniorengala ein Wechselbad der Gefühle. Dabei schien im Vorfeld der Qualifikation für die U-20-Europameisterschaften im heimischen Michael-Hoffmann-Stadion alles klar: Als eine von drei Normerfüllerinnen (6,25 m) musste die 16-jährige Weitspringerin nur unter die besten Drei kommen - dann hätte sie das Ticket zu ihren ersten internationalen Meisterschaften in Tallinn (15. bis 18. Juli) gelöst. Doch alles kam anders.
Viel früher als geplant saß die Zehntklässlerin des Ludwig-Frank-Gymnasiums unter den Zuschauern. Nach zwei ungültigen und einem in der Luft abgebrochenen Versuch war sie - wie auch Topfavoritin Mikaelle Assani (Karlsruhe) - bereits nach dem Vorkampf ausgeschieden.
Zittern bis zum Schluss
„Ich hatte dann ganz gemischte Gefühle. Einerseits habe ich die anderen Weitspringerinnen, die ich ja seit über zwei Jahren kenne, angefeuert; andererseits aber auch gehofft, dass keine doch noch die Norm für Tallinn schafft“, gestand die gebürtige Berlinerin. Sie kannte das Prozedere der Nominierung nach Trial-System - und die kleine Hintertür: Wenn unter den drei Besten der Gala einige ohne Norm sind, gilt die Rangliste des DLV. In dieser da lag Hildebrand mit 6,35 m hinter Assani (6,60 m) und Laura Müller (Unterländer LG/6,47 m) auf Platz drei.
Da in den ersten Durchgängen nur Müller die Anforderungen erfüllte, gab es also noch eine kleine Chance. Doch plötzlich meldeten Libby Buder (Neubrandenburg) und Anika Nießen (Hamburg) mit 6,22 m und 6,21 m Ansprüche auf einen EM-Platz an. „Als sich die beiden aber auch im sechsten Versuch nicht mehr steigerten, fiel eine große Last von mir ab. Ich habe innerlich gejubelt“, gab Hildebrand zu.
Was passiert war, konnte das Sprungtalent auch nach dem Wettkampf noch nicht nachvollziehen. „Das war sehr enttäuschend, denn ich war körperlich fit und bereit, abzuliefern“, war die MTG’lerin, die 2015 mit ihren Eltern nach Mannheim zog und sich auf den ersten Blick „wegen der vielen Bäume“ ins Michael-Hoffmann-Stadion verliebte, ratlos. „Im zweiten Versuch war ich sehr nervös, wollte unbedingt. Im dritten stimmten Anlauf und Absprung. Weshalb ich nicht durchgezogen habe, weiß ich nicht. Vielleicht hatte ich zu viel Körpervorlage, vielleicht war es Kopfsache.“
Trainer Thorsten Brendel konnte nur bedingt helfen. „Er hat viel versucht, aber für meinen Kopf bin ich selbst zuständig.“ Hildebrand war nicht einmal in der Lage, die „Energie der Menge“, die Anfeuerung der Zuschauer aufzunehmen - „sonst eine meiner Stärken“. Auch ihre meist gute Laune, mit der sie normalerweise ihre Konkurrentinnen motiviert, war verflogen. In Tallinn hat Hildebrand nun die Chance, vieles besser zu machen: „Ich hoffe, ich bin nicht mehr so verkrampft. Ich bin einfach nur glücklich, dort springen zu dürfen.“ Außerdem hat sie noch weitere Pläne. Ein Nahziel ist die U-20-WM im August. Außerdem will sie ihre zweite Leidenschaft Dreisprung forcieren. „Ich liebe das Springen, die Technikeinheiten, Kurzsprints und auch das Langhantel-Training. An Tempoläufen und dem Kraftzirkel habe ich nicht so viel Spaß, aber auch das muss ja sein, um voranzukommen“, berichtet sie. Am liebsten irgendwann bis zu den Olympischen Spielen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/sport/lokalsport_artikel,-lokalsport-mannheim-mtg-weitspringerin-ruth-hildebrand-in-der-gefuehlsachterbahn-_arid,1819845.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html