Porträt

Mannheimer Cedric Kaufmann spielt erfolgreich Gehörlosen-Tennis

Er hat bereits mehrere Titel geholt. Cedric Kaufmann aus Mannheim spielt Gehörlosen-Tennis. Was für ihn die größte Herausforderung ist

Von 
Stefanie Ball
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Cedric Kaufmann hat schon als Fünfjähriger mit dem Tennis begonnen. © Stefanie Ball

Mannheim. Cedric ist ein halbes Jahr alt, als seine Mutter, Virginie Kaufmann, feststellt: „Irgendetwas stimmt mit dem Jungen nicht.“ Sie ist überzeugt: Cedric ist schwerhörig. Es vergehen aber noch viele Monate, ehe die Diagnose gestellt wird: an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit. Im Juni 2004 wird Cedric am Freiburger Universitätsklinikum ein Cochlea-Implantat (CI), eine Hörprothese, eingesetzt. Sie ermöglicht Menschen, die ihre Hörfähigkeit verloren haben oder die bereits taub auf die Welt kommen, das Hören und damit die Kommunikation mit der Welt der Hörenden.

Cedric hat damals noch einen Rucksack mit dem CI auf, weil er noch zu klein war, um das Gerät, das normalerweise hinter dem Ohr sitzt, zu tragen. Gestört hat ihn das nicht, wie ihn seine Behinderung bis heute nicht stört – auch wenn es ihn etwas beeinträchtigt. Weil er später als andere sprechen gelernt hat, weil er das Cochlea-Implantat nicht immer tragen kann, zum Beispiel nachts und er in dieser Zeit dann weder einen Wecker noch ein Telefon hört. „Aber Cedric ist eine Frohnatur und strotzt vor Selbstbewusstsein“, sagt die Mutter. „Ich kann mein CI ausschalten und habe meine Ruhe“, sagt dagegen Cedric Kaufmann.

Die Titel-Liste füllt sich stetig

Und Ruhe ist ein wichtiges Element bei seinem größten Hobby: dem Tennis. Wobei Hobby nicht das richtige Wort ist. Der 21 Jahre alte Mannheimer spielt Tennis auf professionellem Niveau, die Liste seiner Titel ist inzwischen lang: Deutscher Meister der Herren 2021 und 2022 im Gehörlosen-Tennis, Bronzemedaille bei der Gehörlosen-Olympiade 2022 in Brasilien im Doppel, Weltmeister im Doppel sowie Vize-Teammeister bei der Gehörlosen-Weltmeisterschaft 2023 auf Kreta, Europameister im Doppel bei der Gehörlosen-Europameisterschaft in diesem Frühsommer in Österreich.

Das Ziel für 2025 heißt Deaflympics in Tokio, Japan, die Gehörlosen-Olympiade, die seit vielen Jahren separat immer ein Jahr nach den Paralympics stattfindet. Da will Cedric mit seinem Doppelpartner Urs Breitenberger die Goldmedaille gewinnen. „Im Herren-Einzel unter die letzten Acht zu kommen, wäre natürlich auch toll – noch besser ins Halbfinale“, sagt Cedric zu seinen mittelfristigen Zielen.

Tennis spielt der Mannheimer, seitdem er fünf Jahre alt ist. Erst beim TK Grün-Weiss Mannheim, später bei der MTG Blau-Weiß Mannheim. Zurzeit lebt er in Fresno in Kalifornien, für das dortige College, der Fresno Pacific University, hat er ein Tennis-Teilstipendium erhalten. Der Tagesablauf dort ist streng getaktet und beginnt um 6.30 Uhr morgens mit einer Einheit im Gym, dem Fitnessraum der Uni, und endet am Abend auf dem Tenniscourt. Dazwischen heißt es lernen für den Abschluss in Business Management Administration.

„Im Sport bin ich ein Einzelgänger“, erzählt Cedric. Wenn er auf dem Platz stehe, sei er ganz bei sich, sein CI ist ausgeschaltet. Mit seinem Doppelpartner verständigt er sich über Gesten und Blicke. Anders als Cedric trägt dieser kein Cochlea-Implantat.

Das Besondere am Tennis sei für ihn die mentale Herausforderung. „Man muss sich oder seinen Partner während des Spiels motivieren, auch oder gerade wenn es nicht so gut läuft.“ Entschieden sei ein Spiel erst, wenn der letzte Punkt gespielt sei. Läuft es dann mal schlecht, wurde auch schon mal der Tennisschläger auf das Spielfeld geworfen. „Das passiert heute allerdings nicht mehr“, beteuert Cedric.

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Offiziell ist Cedric zu hundert Prozent behindert. Er selbst fühlt sich nicht so. Bis 2019 hat er ausschließlich Tennis in der hörenden Welt gespielt. Durch Zufall ergab sich ein Kontakt zu Urs Breitenberger, Spielersprecher der Gehörlosen-Tennis-Nationalmannschaft. Erst dadurch ist er ins deutsche Nationalteam der Gehörlosen aufgenommen worden, was für ihn von großer Bedeutung war. „Ich hatte plötzlich eine neue Familie, Menschen um mich herum, die das gleiche Handicap haben.“

Wenn Cedric mit nicht hörenden Menschen zusammen ist, schaltet er sein CI aus und liest von den Lippen ab, eine Fähigkeit, die er perfekt beherrscht. Auch Grundkenntnisse in der Gebärdensprache hat er sich angeeignet. Trotzdem war der Wechsel vom Hörenden- zum Gehörlosen-Tennis eine Herausforderung. Cedric musste erst lernen, den Ball, den er nicht mehr hörte, und dessen Geschwindigkeit richtig einzuschätzen. Dass der Gehörlosensport in Deutschland nur eine geringe Aufmerksamkeit erfährt, bedauert Cedric. „Gehörlosen-Athleten trainieren auf demselben Level wie Hörenden-Sportler“, sagt er. So strebt er neben dem Deaflympics-Titel im kommenden Jahr auch eine Platzierung in der DTB Herren-Rangliste an.

Freie Autorin

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