Fußball

Wütende Bayern nach dem Pokal-Aus und Kimmichs Mentalitätskritik

Ein Titel ist weg. Für Bayern München sind nach dem Ausscheiden im DFB-Pokal gegen Freiburg zwar noch die Meisterschaft und der Champions-League-Sieg möglich, doch der Frust sitzt dennoch tief. Und die Worte wurden drastisch

Von 
Florian Eisele
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Für Joshua Kimmich hat es im Spiel des FC Bayern gegen Freiburg an Leidenschaft und Emotionen gefehlt. © Peter Kneffel/dpa

München. Bei Christian Streich hörte sich das, was sich zuvor auf dem Rasen der Allianz-Arena abgespielt hatte, so einfach an. Nach dem 2:1-Sieg seines SC Freiburg im DFB-Pokal-Viertelfinale bei Bayern München fasste der Coach das Erfolgsrezept seiner Mannschaft wie folgt zusammen: „Wir haben es in der Arbeit gegen den Ball gut gemacht. Und wir hatten gute Abstände. Wenn einer frei gespielt war, konnte ein anderer helfen.“

Ja, Glück habe man gehabt – bei dem Traumtor von Nicolas Höfler zum Ausgleich und bei dem Handelfmeter, dem erneut ein strammer Höfler-Schuss vorausgegangen war. Ein bisschen Pech sei aber auch dabei gewesen – bei der Bayern-Führung durch Dayot Upamecano, der sich nach Streichs Geschmack etwas zu sehr aufgestützt habe.

Aber, so der SC-Coach nach seinem ersten Sieg überhaupt bei den Bayern: „Wir haben jetzt hier so oft verloren, es soll uns in 15 Jahren auch mal vergönnt sein, dass wir hier gewinnen.“

„Es kotzt mich brutal an“

Das ist alles wie immer recht sympathisch und bei Streich kommt noch der herrlich melodiöse badische Singsang dazu. Ganz so einfach ist es aus Sicht der Bayern aber natürlich nicht, was sich in diesem Pokalspiel zugetragen hat. Denn Niederlagen sind bei den Münchenern immer äußerst kompliziert.

Wer sich davon überzeugen wollte, musste nur die Mienen von Joshua Kimmich und Thomas Müller in der Mixed Zone studieren – oder die ihres Trainers Thomas Tuchel, der auf der Pressekonferenz seine Kappe tief ins Gesicht gezogen hatte. Bei Kimmich klang die Fehleranalyse recht drastisch: „Es kotzt mich brutal an, je mehr Titel wir verspielen. Jetzt haben wir wieder einen, den wir in dieser Saison nicht gewinnen.“

Wie schon in den Vorjahren, als der FCB sich bei Zweitligist Holstein Kiel oder mit einer 0:5-Klatsche bei Borussia Mönchengladbach verabschiedete, ist nun im DFB-Pokal vorzeitig Schluss. Auch Müller sprach von einem Abend, der „sehr bitter ist, weil wir nichts reparieren können“. Bei der Fehleranalyse müsse man sich vor allem im Spiel nach vorne ein paar Fragen gefallen lassen: „Da kann man sagen: Quäntchen Glück. Man kann aber auch sagen: Unvermögen.“

Alles andere als clever war es in der Tat, wie sich Jamal Musiala in der Nachspielzeit verhalten hatte. Nach zwei verlorenen Kopfballduellen seiner Kollegen ging der Nationalspieler in einer Art zum Ball, die jene bestätigte, die der alten Regel anhängen, dass Offensivspieler im eigenen Strafraum nichts zu suchen haben. Die Folge: Elfmeter und raus.

Tuchel fand deutliche Worte für seinen Spieler: „So darfst du heutzutage nicht mehr reinspringen im Sechzehner. Du nimmst da ein wahnsinniges Risiko.“ Müller äußerte sich ähnlich zu der Aktion des 20-Jährigen, sagte aber auch: „Er kriegt unsere Unterstützung. Aber auch er muss die Nacht überstehen – so wie wir alle. Eine beschissene Nacht. Das war ein Nackenschlag.“

Bitter am Spielverlauf war die optische Dominanz, die der FC Bayern ausgestrahlt hatte: „Fast wie im Handball“, befand Freiburgs Trainer Streich, hätten die Münchener die Gäste nach der Pause eingeschnürt. Aus dem Spiel heraus kam dennoch wenig Gefahr. Ein Lattenkopfball von Benjamin Pavard – nach einem Freistoß wohlgemerkt – war die beste Szene im zweiten Durchgang.

Tuchel sieht kein Systemproblem

Fazit Kimmich: „Ich glaube nicht, dass es nötig war, zu verlieren.“ Freiburg habe den Bayern nicht den Schneid abgekauft – vielmehr gab es erneut eine Pleite nach einer Führung. Das wiederum dürfe nicht passieren, findet der Nationalspieler, dessen Kritik eher in Richtung Mentalität abzielte. „Man hat bei uns das Gefühl, dass es ein Tick zu wenig ist. Zu wenig Leidenschaft, ein bisschen zu wenig Emotionen.“

Woran also liegt es genau? Auch das ist bei den Bayern schrecklich kompliziert. Trainer Tuchel wollte sich nicht auf eine Systemfrage einlassen und verwies darauf, dass die Spielkontrolle besser gewesen sei als beim Sieg gegen Borussia Dortmund, die Chancen aber eben nicht im selben Maß da waren. Müller hingegen reagierte auf die Frage nach dem Problem mit einer Gegenfrage: „Was ist denn das Problem?“ An der Qualität der Spieler könne es nicht liegen.

Eben diese Frage muss sich Tuchel nun stellen. Der DFB-Pokal mag der Titel sein, dessen Verpassen der FC Bayern noch am ehesten verschmerzen kann. Ein heftiger Rückschlag in Tuchels noch junger Amtszeit ist das Aus dennoch. Denn dass man beim Rekordmeister am liebsten alles gewinnen wolle, sei klar, so der neue Bayern-Trainer. Ein Titel ist weg, bleibt die Chance auf zwei weitere.

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