Danzig. Es war ein mysteriös schwacher Auftritt. Bastian Schweinsteiger unterliefen im EM-Viertelfinale haarsträubende Fehler, die ihn selbst in der A-Liga auf Position eins der Kandidaten für eine sofortige Auswechslung gebracht hätten. Die deutsche Mannschaft konnte von Glück reden, dass der Gegner Griechenland hieß und so hoffnungslos unterlegen war, dass selbst der Totalausfall eines Schlüsselspielers keine Auswirkungen auf die mit einem 4:2 (1:0)-Erfolg sichergestellte Qualifikation fürs Halbfinale hatte.
Der Vizekapitän versuchte gestern zu erklären, warum er sich - von einem Ausreißer nach oben gegen die Niederlande abgesehen - bei diesem Turnier weit von seiner Top-Form entfernt präsentiert. Der lädierte Knöchel soll schuld sein. Der Außenbandriss, den er sich im Februar bei der Pokalpartie in Stuttgart zugezogen hatte, sei nicht optimal verheilt. "Es geht um kleine Bewegungen, um Explosivkraft. Gegen die Griechen sind mir einige Fehlpässe unterlaufen, die mir sonst nie unterlaufen. Das darf einem Spieler wie mir nicht passieren", räumte der 27-Jährige in der "Welt am Sonntag" ein.
Kroos scharrt mit den Hufen
Sein direkter Konkurrent Toni Kroos, der jüngst über seine Reservistenrolle gejammert hatte, dürfte da die Ohren gespitzt haben. Zumal "Schweini" betonte, sich in den beiden noch möglichen Spielen bei dieser EM "durchbeißen" zu wollen. Ob Bundestrainer Joachim Löw dieses Risiko gegen Rivalen vom Format Weltklasse, die jetzt auf das DFB-Team warten, eingehen wird?
Zumindest Kapitän Philipp Lahm zählte seinen Bayern-Kollegen gestern öffentlich schon einmal an. "Die Frage ist allein, was sein Fuß macht. Wir brauchen fitte Spieler, da können in einem Halbfinale nicht zwei, drei oder vier Prozent fehlen", sagte der 28-Jährige in Danzig, natürlich nicht ohne im nächsten Satz die Bedeutung des "Emotional Leader" für das DFB-Team hervorzuheben.
Ob Schweinsteiger im Halbfinale gegen Italien, das England gestern im Elfmeterschießen 4:2 bezwang, auflaufen wird, gibt der Bundestrainer erst in der Mannschaftsbesprechung am Donnerstag bekannt. Wann die Öffentlichkeit und damit auch der Gegner von Löws Entscheidung erfährt, steht auf einem anderen Blatt. Denn sowohl beim Auftaktspiel gegen Portugal als auch im Viertelfinale gegen die Griechen sickerten die personellen Überraschungen im DFB-Team schon Stunden vor dem Anpfiff durch. Eine Entwicklung, die Löw mittlerweile gehörig auf den Keks geht. "Ich kann mir auch nicht genau erklären, woher das kommt. Vielleicht reden Spieler mit ihren Beratern und irgendwo gibt das jemand weiter. Aber es ist nicht in meinem Sinne, wenn das passiert. Es müssen nicht schon frühzeitig die Karten auf dem Tisch liegen", tadelte der Bundestrainer, der das Problem mannschaftsintern schon angesprochen hat.
Die Suche nach dem Maulwurf gestaltet sich schwierig, auch wenn viele Fährten in Richtung einiger mit der Boulevard-Presse eng verbandelter Spielerberater weisen. Lahm zeigte sich gestern vom "Jogi-Gate in Danzig" (Sportinformationsdienst) "not amused": "Die ganze Nation will, dass wir weit kommen. Da ist es nicht von Vorteil, dass die Aufstellung schon Stunden vor dem Spiel rauskommt." André Schürrle vermutete das Leck im Umfeld des Teams: "Ich bin mir sicher, dass es jemand außerhalb der Mannschaft ist. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen."
Das ist aber ohnehin nur ein unterhaltsamer Nebenschauplatz - nach einem freien Sonntag mit den Spielerfrauen richtet sich der Fokus ab heute auf das Halbfinale. Durch die Komplett-Rotation in der Offensive gegen die Griechen hat Löw den Konkurrenzkampf in der Mannschaft noch einmal auf die Spitze getrieben. Mario Gomez, Lukas Podolski und Thomas Müller drängen zurück ins Team, zumindest Reus und Klose haben sich nachhaltig empfohlen. Am Donnerstagabend wissen wir mehr. Wenn nicht ein kleines Vöglein schon wieder ein bisschen früher zwitschert.
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