Gelsenkirchen. Schalke 04, das war schon immer mehr als Fußball. Mitten im Revier geht es seit vielen Generationen um große Emotionen und hemmungslose Gefühle. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass der ortsansässige Fußballklub nicht nur der populärste, sondern auch einer der größten Arbeitgeber der Stadt ist, der einen Jahresumsatz von mehr als 240 Millionen Euro erwirtschaftet.
Es passte also bestens in die Szenerie, als der Kapitän der Mannschaft in der Vorbereitung auf die neue Spielzeit mit einer Liebeserklärung zitiert wird, die das Herz eines jeden Fans in königsblau erwärmen dürfte. Er könne sich nichts Schöneres vorstellen, als für Schalke 04 zu spielen, gab Torhüter Ralf Fährmann dem „Kicker“ zu Protokoll. Sein erklärter Wunsch, so der 29-Jährige, sei es, „meine Karriere auf Schalke zu beenden“. 110 Bundesligaspiele in Folge hat Fährmann bestritten und jagt damit den Vereinsrekord der Schalker Legende Rolf Rüssmann, der es als Vorstopper Anfang der 80er auf 134 Begegnung in Serie schaffte.
Klarer Anspruch
Fährmanns Anspruch ist klar und unmissverständlich: „Ich will immer spielen.“ Keine rosigen Aussichten für seinen Stellvertreter Alexander Nübel. Der ist 21 Jahre jung und gilt als hochveranlagt. Was seine Karriereplanung betrifft, kann sich der Youngster allerdings gut an der Nummer eins orientieren: Einst wählte Fährmann den Umweg über Eintracht Frankfurt, weil er an einem gewissen Manuel Neuer nicht vorbeikam. Als Neuer zu den Bayern ging, kehrte Fährmann ins Revier zurück und startete durch.
So viel Identifikation kommt nicht nur bei den Fans bestens an, es bringt auch Planungssicherheit. Das gilt auch für die wichtigste Personalie im sportlichen Bereich: Auf Schalke feierten sie es als richtungsweisenden Deal, als der Vertrag von Trainer Domenico Tedesco im August bis ins Jahr 2022 verlängert wurde. Der 32-Jährige kam vor der vergangenen Saison als unbeschriebenes Blatt aus Aue in den Ruhrpott und führte eine angeschlagene und verunsicherte Mannschaft von Platz zehn auf Rang zwei. Tedesco erwarb sich mit seiner unaufgeregten Art in kürzester Zeit den Ruf einer profunden Fachkraft mit stoischer Gelassenheit. Fährmann adelte seinen direkten Vorgesetzten kürzlich als „besten Trainer der Liga“. Und Schalkes Jahrhundert-Trainer Huub Stevens ergänzte: „Domenico Tedesco hat Schalke begriffen.“
Das bedeutet im aufgeregten Business Bundesliga an sich schon eine bemerkenswerte Leistung, auf Schalke ist es jedoch kaum hoch genug einzuschätzen. Roberto Di Matteo, André Breitenreiter, Markus Weinzierl – die Zeiten, in denen Fachkräfte auf Schalke mit großen Vorschusslorbeeren anfingen, um dann nach kurzer Verweildauer in die Wüste geschickt zu werden, sollen der Vergangenheit angehören.
Seit Tedesco das Sagen hat, lässt er einen zwar wenig spektakulären aber immer grundsoliden Fußball spielen. Das reicht aus, damit ihm die Fans und die Männer in der Schalker Chefetage zu Füßen liegen. Manager Christian Heidel, der Tedesco beim Zweitliga-Abstiegskandidaten aus Aue loseiste, könnte sich selbst auf die Schultern klopfen, wenn das seine Art wäre. Der Manager ging das Wagnis ein, einen jungen Mann zu verpflichten, der gerade mal elf Begegnungen auf der Bank eines Profiklubs absolviert hatte. Und siehe da: Er lag goldrichtig.
Überhaupt scheinen sich alle Hoffnungen, die mit der Verpflichtung des ehemaligen Mainzers Heidel verknüpft wurden, zu bewahrheiten. Heidel hat es mit Weitsicht und Gelassenheit geschafft, das chronisch überhitzte Schalker Umfeld zu beruhigen. Das königsblaue Flaggschiff schwimmt in ruhigem Fahrwasser. Kaum zu glauben aber wahr: Bei der einstigen Skandalnudel geht es tatsächlich seit geraumer Zeit nur noch um Fußball.
Ertragreiche Transferpolitik
Auch auf der Abgabenseite kann Heidel für sich beanspruchen, ein glückliches Händchen zu haben. Mitten in der Saisonvorbereitung wurde Thilo Kehrer von Paris St. Germain verpflichtet. 37 Millionen Euro für einen Außenverteidiger, dessen Vertrag nur noch ein Jahr Laufzeit hat, das mutet spektakulär an. Heidel selbst sprach von einer „wirtschaftlichen Dimension, bei der man nicht nein sagen kann“.
Schalke verliert also erneut einen Spieler aus seiner vielgelobten Knappenschmiede: Mesut Özil, Manuel Neuer, Julian Draxler, Leroy Sané – die Erlöse summieren sich inzwischen auf 150 Millionen Euro. Das macht es erträglich, all die Talente ziehen zu lassen. 15 Millionen hat Heidel nun reinvestiert, um mit dem Brasilianers Marlon vom FC Barcelona einen Ersatzmann zu verpflichten.
Schließlich benötigt der Kader eine gewisse Breite, weil mit dem Erfolg auch die Belastung steigt. Königsblau kehrt in der neuen Saison in die Königsklasse zurück. Da gilt es, Vorkehrungen zu treffen, um in der Champions League nicht durchgereicht zu werden.
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