Ried. Nein, mit Ruhm hat sich Adi Hütter zuletzt nicht bekleckert. „Ein schönes, tolles Stadion, es ist gleich schön wie das Frankfurter Stadion. Die Farben verändern sich, der Verein verändert sich“, sagte der scheidende Trainer von Eintracht Frankfurt nach dem 0:4 bei seinem künftigen Arbeitgeber Borussia Mönchengladbach im ZDF. Mit seinem „Ich bleibe“-Bekenntnis Ende Februar hat der Österreicher sowieso neue Maßstäbe für Treueschwüre gesetzt. Und eine Erklärung für das 1:1 gegen Mainz 05 hatte Hütter auch (nicht) parat: „Es liegt nicht am Trainer, es liegt nicht am Team. Vielleicht haben wir auch über unsere Verhältnisse gespielt. Was die Leute reden, ist mir egal.“
Es sind Aussagen, die die Fan-Herzen tief treffen. Zumal Frankfurts Anhänger mit ansehen mussten, wie innerhalb von fünf Spieltagen aus sieben Punkten Vorsprung auf Borussia Dortmund vier Punkte Rückstand wurden - und die laut Hütter „historische Chance“ auf die erstmalige Champions-League-Teilnahme verspielt wurde. Doch auch unter Gladbacher Fans scheiden sich die Geister. Denn: So wie die „Fohlen“ im Februar den Wechsel ihres Trainers Marco Rose nach Dortmund schlucken mussten (und danach sieben Niederlagen am Stück kassierten), hat sich jetzt Gladbach - mitten im Saisonendspurt – bei der Eintracht bedient.
„Hütters Verhalten und seine Außendarstellung in den letzten acht Wochen waren unter aller Sau“, meint Karl-Heinz Göbel (Bild). Der Fußballtrainer aus Lampertheim trägt seit Hennes-Weisweiler-Zeiten die Gladbacher Raute im Herzen: „Er hat einfach nicht die Wahrheit gesagt.“ Hütter werde aufgrund seiner Aussagen „einen schweren Stand bei den Anhängern der Borussia haben“, ist sich der Ex-Coach des VfR Bürstadt und von Olympia Lampertheim sicher.
Sportlich versteht Göbel den Wechsel nicht. „In Frankfurt hat er eine gute Mannschaft aufgebaut, die sicher zwei, drei sehr gute Spieler verliert, sich aber für das Geld wieder vier, fünf gute Spieler holen kann – was in Summe das Team besser macht“, glaubt der 59-Jährige. Bei den „Fohlen“ stehe Hütter vor einem Neuaufbau. „Gladbach hat seine Spielstrukturen völlig verloren“, beobachtet Göbel.
Frank Hertz (Bild) geht vor allem eine Sache gegen den Strich. „Diese Ausstiegsklauseln mag ich gar nicht. Entweder habe ich irgendwo einen Vertrag oder ich lasse es sein“, findet der zweite Vorsitzende des Fanclubs „Bergsträßer Fohlen“: „Im Endeffekt hat Hütter genau wie Rose keinen Vertragsbruch begangen. Aber sowas hat immer einen bitteren Beigeschmack.“
Hertz, der sich als „Fußballromantiker“ bezeichnet, zeigt Verständnis für die Enttäuschung der Eintracht-Fans. „Als im Februar die Sache mit Rose war, haben viele auf die andere Borussia geschimpft. Dann passiert dasselbe mit Hütter und Gladbach“, weiß der Heppenheimer, dass diese Personalie kaum einen Gladbacher kaltlässt: „Die einen sagen: ‚Leider Gottes ist das Geschäft heute so.’ Viele andere fragen sich: ‚Wo ist die Vereinstreue?’“ Hertz versucht, den Wechsel differenziert zu betrachten. „Wie ist es denn mit der Vereinstreue des Vereins, wenn es mal nicht so läuft?“, wirft der 52-Jährige eine dritte Frage in den Raum. Gespannt ist er auf die Hintergründe von Hütters Weggang aus Frankfurt, zu denen sich der Trainer „zu gegebenem Zeitpunkt“ äußern will. „Ich denke, dass Hütter auch nach Gladbach geht, weil Fredi Bobic und Bruno Hübner weggehen“, vermutet Hertz: „Wir können nicht reinschauen: Was passiert intern? Hat ihm Max Eberl gesagt, dass er mit diesem Spieler verlängern wird oder jenen Spieler im Visier hat?“ Den saloppen Stadionvergleich nimmt Hertz dem Coach nicht so krumm: „Die Wortwahl war unglücklich. Aber ob er das so gemeint hat? Frankfurt hat ein fantastisches Publikum, Mönchengladbach auch.“
Als „Hütter-Versteher“ sieht sich Wilfried Kungl (Bild). Der frühere Spielausschusschef der FSG Riedrode hält es seit 1964 mit der Elf vom Niederrhein. „Nach den Abgängen von Hübner und Bobic hat er keine Perspektive gesehen. Ich kann nicht im April oder Mai anfangen, meine Mannschaft zu planen. Wenn ich keinen Ansprechpartner habe, der auf meine Vorstellungen eingeht, muss ich etwas anderes machen“, findet „Kooky“. Für ihn ist klar: „Hütter wird an dem gemessen, was er in Frankfurt erreicht hat. Der kann genauso schnell wieder fort sein, wenn es den Bach runtergeht.“ Die Vorfreude ist bei Kungl ungetrübt. „Ein Top-Mann, ohne Wenn und Aber“, sagt der 67-Jährige über Hütter: „Ich glaube, der deutsche Fußballfan kann gespannt sein auf die neue Runde, wenn er nicht gerade die Vereinsbrille aufhat.“
Dem schließt sich auch Borussia-Anhänger Frank Hertz an. „Als ich es gehört habe, hat es mich sehr gefreut. Ich hoffe, dass Hütter mal mit der Faust auf den Tisch haut“, denkt er an die 29 Punkte, die Gladbach in dieser Saison nach Führungen abgegeben hat.
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