WM in Katar

Der skurrile Auftritt des FIFA-Präsidenten Gianni Infantino

Einen Tag vor Beginn der Fußball-WM in Katar hat FIFA-Präsident Gianni Infantino eine Brandrede gegen die Kritiker des Turniers gehalten. Dabei brachte er unter anderem die europäische Kolonialgeschichte und seine eigene Vita ein

Von 
Frank Hellmann
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Einen bizarren Monolog hielt Gianni Infantino kurz vor WM-Beginn. © dpa

Doha. Virtual Stadium nennt der Fußball-Weltverband FIFA im Qatar National Convention Center jenen riesigen Raum, der mit Ambiente und Architektur eher einem Opernsaal ähnelt. Was am Samstag die richtige Bühne für Gianni Infantino ergab, der eine denkwürdige Pressekonferenz gab, die zur Generalabrechnung mit den Kritikern aus der westlichen Welt geriet.

„Zutiefst ungerecht“ nannte der FIFA-Präsident die Vorwürfe zu den Menschenrechten und verteidigte vehement den Gastgeber Katar. Europa stehe eine solche Moralpredigt nicht zu, sagte der Schweizer: „Was wir in den letzten 3000 Jahren gemacht haben, da sollten wir uns 3000 Jahre entschuldigen, bevor wir anfangen, moralische Ratschläge an andere zu verteilen.“ Ein Seitenhieb auf die Kolonialgeschichte.

In einem einstündigen Monolog verpackte der 52-Jährige seine eigene Vita, um den Umgang mit den Arbeitsmigranten in Katar zu beschönigen. Er sei schließlich selbst der Sohn von italienischen Gastarbeitern: „Meine Eltern haben sehr hart gearbeitet, unter sehr schwierigen Bedingungen – in der Schweiz.“ Er erinnere sich gut, „wie sie an der Grenze behandelt wurden, was mit ihren Pässen geschah und wie ihre Unterbringung war. Als ich in Doha die Unterkünfte gesehen habe, erinnerte mich das an meine Kindheit.“

Verweis auf EU-Politik

Ungeniert rechnete der FIFA-Chef gleich noch mit der widersprüchlichen Migrationspolitik der EU ab. 25 000 Menschen seien auf der Flucht seit 2014 ums Leben gekommen, weil Europa keine geordneten Einwanderungswege hinbekäme, um Menschen eine Arbeit in Europa zu ermöglichen. „Katar gibt Hunderttausenden Arbeitern aus Entwicklungsländern die Möglichkeit, ihren Familien das Leben zu ermöglichen. Das passiert auf legalem Wege – und sie verdienen das Zehnfache wie zu Hause.“ Man müsse endlich anerkennen, dass Katar große Fortschritte gemacht habe.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International reagierte entsetzt: „Indem Gianni Infantino berechtigte Kritik an der Menschenrechtslage beiseite schiebt, weist er den enormen Preis zurück, den Arbeitsmigranten zahlen mussten, um sein Flaggschiffturnier zu ermöglichen“, hieß es. Zuvor hatte Infantino die von DFB-Präsident Bernd Neuendorf unterstützten Forderungen nach einem Entschädigungsfonds für geschädigte Arbeiter mit dem Argument abgelehnt, das Wüstenemirat sei ein souveräner Staat.

Bei seinem Streifzug durch die Fußballwelt verteidigte Infantino auch den Iran („Dort leben nicht 80 Millionen Monster“). Anfangs hatte er davon schwadroniert, er fühle sich „als Katari, als Araber, als Arbeitsmigrant“, dazu „schwul und behindert“. Er fühle nur deshalb nicht wie eine Frau, weil er Vater von vier Töchtern sei, fügte er lächelnd an.

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