Saint-Étienne. Als die Party der nordischen Helden mit ihren völlig ausgeflippten Fans einfach nicht enden wollte, erlaubte sich Dagur Sigurdsson einen ganz besonderen Spaß. Das Selfie-Video, das den grinsenden Handball-Bundestrainer gemeinsam mit dem bedröppelt davon schleichenden Cristiano Ronaldo zeigt, ist bereits ein Hit im Internet. "Das ist eine Riesensache für Island. Das ist einfach nur gigantisch", sagte Sigurdsson dem Sport-Informations-Dienst zum Coup seiner Landsmänner, die bei ihrem EM-Debüt dem haushohen Favoriten Portugal ein 1:1 (0:1) abgetrotzt hatten.
Gigantisch war auch die Feier danach. Die überglücklichen Fußballer wollten einfach nicht vom Platz, die unablässig jubelnden Anhänger nicht von den Rängen - von wegen unterkühlte Nordmänner. Auch auf der Vulkaninsel mitten im Atlantik tanzte ein Großteil der 330 000 Einwohner rund um die Geysire. Und aus aller Welt liefen Glückwünsche bei der kleinsten Nation ein, die es je zu einer EM- oder WM-Endrunde geschafft hat.
"Helden!" titelte entsprechend das Boulevard-Blatt Frettabladid und widmete der Nationalmannschaft die komplette erste Seite: "Unsere Mannschaft hat die Zeit auf der ganz großen Bühne eingefroren. Sie hat in Saint-Étienne Geschichte geschrieben."
Auch das europäische Medienecho war enorm. Von "Überraschungsson" und "Gutgemachtson" war zu lesen, und davon, dass alle in Europa nun eine zweite Lieblingsmannschaft neben ihrer eigenen hätten. Dass sich der beleidigte Superstar Ronaldo auch noch herablassend über die Isländer äußerte, ließ die Sympathien für den krassen Außenseiter nur noch weiter wachsen.
"Ich bin gerührt"
"Es ist einfach überwältigend, wenn man die Fans sieht. Ich bin so gerührt, das erleben zu dürfen", sagte Torwart Hannes Halldorsson. Auch der frühere Hoffenheimer Gylfi Sigurdsson verriet, dass alle Spieler "Gänsehaut" gehabt hätten. Torschütze Birkir Bjarnason widmete den Punktgewinn den 8000 mitgereisten Anhängern: "Wir haben sie 90 Minuten und noch lange nach Abpfiff gehört. Sie haben uns etwas ganz Großes gegeben."
Doch der Punktgewinn zum Auftakt soll nur das erste Kapitel der neuen nordischen Heldensage gewesen sein. Die Isländer, deren Verband KSI (Knattspyrnusamband Íslands) lediglich 20 000 registrierte Fußballer aufweist (zum Vergleich: 6,9 Millionen in Deutschland), wollen mehr. "Wir dürfen nun nicht den Kopf verlieren und müssen so schnell wie möglich wieder runterkommen", äußerte Halldorsson mit Blick auf die Partie am Samstag (18 Uhr/ARD) gegen Ungarn.
Sigurdsson hat bereits die Achtelfinal-Rechnung aufgemacht: "Wir brauchen einen Sieg aus zwei Spielen, dann reicht es." Sollte Sigurdsson noch Ratschläge für weitere Überraschungen brauchen, kann er jederzeit bei seinem Namensvetter Dagur nachfragen. "Ich bleibe weiter in der Nähe", sagte der Handball-Erfolgscoach mit einem Augenzwinkern. sid
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