Weisenheim am Berg. Cara lacht ihren Papa an. Das kleine Mädchen will zum ihm. Es geht zwei Schritte, stolpert und fällt auf Rottweiler Yamo. Der dreht den Kopf weg, steht auf und geht. Ohne es zu wissen, hat der Rüde bewiesen, wie gut erzogen er ist. Schon früh, schon als Welpe wurde er von seiner Besitzerin Nicole Semmelsberger sozialisiert. Mit Hilfe einer Hundeschule hat sie Yamo an sämtliche Orte und Situationen gewöhnt: An Kaufhäuser, Parks, in denen Kinder spielen, an Radfahrer, den Straßenverkehr und vieles mehr.
Yamo weiß, wie er sich verhalten muss, ohne jemandem zu schaden. Doch es geht auch darum, dass alle Familienmitglieder mit ihm vernünftig und respektvoll umgehen. Semmelsberger und ihr Mann Marc Werthmüller wissen es. Ihre Cara muss es noch lernen. Deswegen nehmen sie am Programm "Der blaue Hund" teil. Die Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft gibt das Lernheft inklusive interaktivem Computerspiel heraus. Im Alter zwischen drei und sechs Jahren können es Kinder gemeinsam mit den Eltern spielen. Es richtet sich auch an jene, die keinen Hund haben. "Aber mitunter haben Freunde oder Verwandte einen", sagt Annette Möckel von der Hundeschule ichHunddu.
Im Computer-Spiel lernen die Kinder mit Zeichentrickfiguren. Es gibt ein Mädchen, einen Jungen und den Familienhund. Abwechselnd werden Situationen gezeigt, in denen sie aufeinandertreffen: Der Hund schläft etwa, oder er kaut auf seinem Knochen herum. Einmal hat er dem Jungen sein Stofftier weggenommen.
Das Kind, welches das Computerspiel spielt, muss sich in den Situationen entscheiden: Drückt es auf den Pfeil, der zur Tür zeigt, lassen Junge und Mädchen den Hund in Ruhe. Im Falle des "geklauten" Stofftiers holt der Junge seine Mutter, die dem Hund das Spielzeug abnimmt. Drückt das Kind aber auf den falschen Pfeil, verhalten sich auch die Figuren im Spiel falsch: Sie jagen den Hund, nehmen ihm den Knochen weg oder stören ihn beim Schlafen. Unverzüglich wird der blaue Zeichentrickhund böse: Er fletscht die Zähne und knurrt.
Auf diese Weise sollen Kinder lernen, wo die Grenzen der Tiere liegen. Mitunter geht das Programm darüber hinaus. Annette Möckel etwa hat Caras Familie zu Hause besucht. Dort hat sie auf mögliche Brennpunkte in der Wohnung geachtet und Tipps gegeben: "Der Hund braucht einen abgetrennten Rückzugsort." Den hat Yamo unter der Treppe. Dort steht sein Korb. Eine Wand trennt seinen Bereich vom Wohnzimmer, wo Cara auf dem Boden spielt. So können sich die zwei auch mal aus dem Weg gehen, obwohl sie eigentlich "verrückt nacheinander sind", wie Semmelsberger sagt. Generell gilt, dass sie Kind und Hund nie unbeaufsichtigt miteinander im Raum lässt. Und wenn Cara Yamo einmal streicheln möchte, dann lernt sie, dass sie das ganz sanft und zart tun muss.
Erziehung aller ist das "A" und "O"
Möckel empfiehlt den jungen Eltern, an einer Stelle ein Trenngitter anzubringen. So kann Cara nicht unbeaufsichtigt in die Ruhezone von Yamo hineinlaufen und umgekehrt. Cara lernt auch, nicht mit etwas Essbarem in der Hand umherzulaufen. "Damit sie Yamo damit nicht dauernd vor der Nase herumwedelt", wie Marc Wethmüller sagt. Wenn seine Tochter aber am Tisch sitzt und isst, dann wiederum darf Yamo nicht zu ihr kommen und betteln.
"Bei Caras Familie stimmen die Voraussetzungen", sagt Annette Möckel. Doch es gebe viele Familien, bei denen das eben nicht so sei. Das fange schon bei der Auswahl des Welpen an. "Man muss darauf achten, welche Tiere der Züchter als Eltern auswählt, welches Wesen sie haben." Auch müsse bereits der Züchter mit der Erziehung der kleinen Hunde anfangen. Ob ein Tier später auffällig werde, hänge nicht mit der Rasse zusammen. "Deswegen ist der Hund im Lernspiel blau - damit er keine Rasse widerspiegelt."
Und eines gelte immer: "Die Verantwortung liegt bei den Erwachsenen, nicht beim Kind, nicht beim Hund." Beispielsweise könnten Kinder die Mimik des Tieres nicht richtig interpretieren. "Sie denken etwa, der Hund lacht, dabei fletscht er die Zähne." Seine Verantwortung beschreibt Vater Werthmüller so: "Man muss die Situationen im Blick haben und vorausschauend handeln" - eigentlich wie beim Autofahren.
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