Berlin. Drei Männer bewerben sich um die Nachfolge von Armin Laschet als Parteichef. In den kommenden Wochen dürfen die 400 000 Mitglieder ihr Votum abgeben. Was man über die drei Kandidaten wissen muss
Friedrich Merz (66)
Karriere: Merz war schon als Schüler in der Jungen Union aktiv. Seine politische Karriere begann der Jurist im Europäischen Parlament (1989–94), bevor er 1994 erstmals in den Bundestag gewählt wurde. 2000 wurde er Fraktionsvorsitzender, löste mit seiner Forderung nach einer „deutschen Leitkultur“ heftige Debatten aus. 2002 nahm Angela Merkel ihm den Fraktionsvorsitz ab. 2009 verließ Merz die Politik, wurde Aufsichtsratschef beim Vermögensverwalter Blackrock. Nach dem angekündigten Rückzug von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer 2020 überraschte er mit seiner ersten Bewerbung um den Parteivorsitz.
Mario Czaja – auf diesen General setzt Friedrich Merz
Anders als erwartet will Friedrich Merz keine Frau zur Generalsekretärin machen, sondern den Berliner Ex-Gesundheitssenator Mario Czaja. Dessen Stellvertreterin soll Christina Stumpp, Bundestagsabgeordnete aus Baden-Württemberg, werden.
Bundesweit ist Czaja (46) nicht bekannt, in Berlin aber schon: Früh engagierte sich der Ost-Berliner in der CDU, wurde Bezirksverordneter. 1999 errang er ein Direktmandat für das Abgeordnetenhaus, war dort gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion, später Vizefraktionschef mit Zuständigkeit für die Ost-Bezirke.
Von 2011 bis 2016 war er in der rot-schwarzen Koalition Gesundheitssenator. Auch Skandale hat Czaja schon überlebt: 2006 schied er aus dem Wissenschaftsausschuss aus, weil er den Titel „Diplom-Ökonom“ angegeben hatte. Diesen hatte er ohne Abitur per Fernstudium in der Schweiz erworben und geführt, obwohl er in Deutschland nicht anerkannt war.
Bei der Bundestagswahl 2021 gelang ihm eine kleine Sensation: Er schlug die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, (Linke), die zuvor fünfmal den Wahlkreis gewonnen hatte. Mit Czaja hat Merz einen Vertreter des Ostens und einen, der weiß, wie man die Basis gewinnt.
Zu seinen Parteistellvertretern will Merz den Vorsitzenden des Mittelstandsflügels, Carsten Linnemann, den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, die bisherige Parteivize Silvia Breher aus Niedersachsen sowie die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien machen.
Stärken: Der 1,98 Meter große Merz verfügt über ein unerschütterliches Selbstbewusstsein und kann ein brillanter Redner sein. Mehr als jeder andere verkörpert er den Anspruch, die CDU wieder zu alter Stärke zurückzuführen. Mit seinem konservativen und wirtschaftsliberalen Profil könnte Merz nach rechts verlorene Wähler zurückholen. Außenpolitisch ist er ein erfahrener Transatlantiker.
Schwächen: Durch seine lange Abwesenheit fehlt Merz eine aktuelle Erfahrung in politischen Spitzenämtern. Er ist leicht kränkbar, tritt mitunter arrogant auf und gilt als nachtragend. Bei männlichen CDU-Wählern kommt er mit seinem Stil besser an als bei den Frauen.
Freunde: Die Südwest-CDU, fast alle Ost-Verbände, die Junge Union, der Wirtschaftsflügel sowie alle, die mit Merkel unzufrieden waren.
Gegner: Große Teile des moderaten Laschet-Lagers sowie die Anhänger von Angela Merkel. Auch CSU-Chef Markus Söder ist kein Fan von Merz.
Siegchance: Groß, weil Merz bei der Basis immer beliebt war.
Norbert Röttgen (56)
Karriere: Röttgen trat als 17-Jähriger in die CDU ein und engagierte sich in der Jungen Union. Seit 1994 sitzt er im Bundestag. Von 2009 bis 2012 war er Umweltminister – bis ihn Angela Merkel entließ, weil er sich weigerte, sein Landtagsmandat nach der verlorenen NRW-Landtagswahl anzunehmen, wo er als Spitzenkandidat verloren hatte. 2020 bewarb er sich als erster Kandidat um die Nachfolge von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.
Stärken: Röttgen ist promovierter Jurist, ein guter Redner und hat durch den Vorsitz des Auswärtigen Ausschusses außenpolitische Erfahrung. Da er als liberaler CDU-Mann gilt, kann er in der Mitte der CDU punkten. Röttgen ist smart und trittsicher beim Auftritt in Medien. Wegen seiner Sachkompetenz hieß er hinter vorgehaltener Hand „Muttis Klügster“. Norbert Blüm sagte über ihn: „Er ist aus einem Holz geschnitzt, aus dem Kanzler gemacht sind.“
Schwächen: Röttgen ist ausgerechnet in seinem Heimatland NRW bei etlichen Parteifunktionären unbeliebt, weil er nach der Wahlniederlage 2012 keine Verantwortung übernehmen wollte. Der intellektuelle Röttgen fremdelt mit bodenständigen Auftritten im Bierzelt, wählt rhetorisch eher den Degen als den populären Knüppel.
Freunde: Als verlässliche Röttgen-Unterstützer gelten u.a. CSU-Chef Markus Söder und die Chefin der einflussreichen Frauenunion, Annette Widmann-Mauz.
Gegner: Seit dem Rauswurf als Minister ist das Verhältnis Röttgens zu Angela Merkel stark belastet. Auch Armin Laschet, der neue NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und Friedrich Merz gelten als Gegner.
Siegchance: Eher mittelmäßig, er ist nicht Favorit.
Helge Braun (49)
Karriere: Der promovierte Mediziner und Narkosearzt aus Hessen zog 2002 erstmals in den Bundestag ein, flog drei Jahre später verlor es sein Direktmandat. Nach erneutem Wiedereinzug wer er erst Staatssekretär im Bildungsministerium (2009–2013), ab 2013 dann im Kanzleramt als Staatsminister für Bürokratieabbau und die Bund-Länder-Koordinierung. Seit 2018 ist er Kanzleramtschef. Braun wird auch als Nachfolger des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier gehandelt.
Stärken: Braun gilt als gut organisiert und stressresistent. Digitalisierung ist für ihn ein Thema, für das er seit Jahren mit Leidenschaft wirbt. Im Gegensatz zu seinen beiden Konkurrenten tritt er zum ersten Mal an.
Schwächen: Seine Diskretion und Loyalität gegenüber Angela Merkel – Voraussetzung für den Posten des Kanzleramtschefs – haben dazu geführt, dass Braun kaum ein eigenes politisches Profil entwickelt hat. Auch mit einem Führungsanspruch oder Gedanken zur Zukunft der CDU ist er bislang nicht aufgefallen.
Freunde: Das Merkel-Lager, die hessische CDU, viele bisherige Unterstützer von Armin Laschet und die Kritiker von Merz und Röttgen.
Gegner: Alle, die finden, dass die CDU einen Bruch mit der Merkel-Ära braucht.
Siegchance: Nur Außenseiterchancen, weil er sich keine Machtbasis in der Partei aufgebaut hat.
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