Inflation

Welche Entlastung wem hilft

Die Politik sucht nach Lösungen, damit Bürger die hohen Preissteigerungen schultern können – ein Überblick

Von 
Jochen Gaugele
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365-Euro-Jahresticket statt 9-Euro-Ticket für drei Monate? Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder spricht sich für einen weiterhin vergünstigten öffentlichen Nahverkehr aus. © Christoph Soeder/dpa

Berlin. Gaspreisdeckel, Steuersenkungen, Einmalzahlungen: Die Sorgen sind angesichts der massiven Preissteigerungen besonders bei Energie und Nahrungsmitteln groß, diskutiert werden viele Vorschläge zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. Klar ist: Die Regierung ist wegen der dramatischen Entwicklung zu weiteren Schritten bereit. Über den besten Weg ist die Koalition allerdings noch uneins. Welche Vorschläge gibt es?

Hilfe bei den Gaskosten

Die gute Nachricht: Trotz des russischen Gaslieferstopps gab es keinen erneuten Preissprung. Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, zeigt sich daher vorsichtig optimistisch, dass „wir ein Gaspreisplateau erreicht haben“. Allerdings ist unklar, ob Russland die Lieferungen wieder aufnimmt. Sollte im Winter das Gas knapp werden, sind weitere Preissteigerungen und horrende Kosten für Heizen oder warmes Wasser zu befürchten. Dies würde Privathaushalte ebenso belasten wie Unternehmen.

Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte dieser Redaktion: „Wie in anderen europäischen Ländern sollte es einen Gaspreisdeckel geben sowie die Unterstützung von Stadtwerken und kommunalen Versorgern.“ Von einem gedeckelten Gaspreis würden alle Verbraucher profitieren. Eine Idee ist, jedem Haushalt ein bestimmtes Volumen zu einem verträglichen Preis zu garantieren. Bei höherem Verbrauch würde es teuer werden – das wäre ein Anreiz zum Energiesparen.

Gezielte Zahlungen

Die Regierung hat schon in zwei Entlastungspaketen Hilfen im Umfang von rund 30 Milliarden Euro beschlossen. „Wir werden nicht alle Preise runtersubventionieren können“, warnte Kanzler Olaf Scholz (SPD). Die Koalition diskutiert daher über direkte Zahlungen an bestimmte Bevölkerungsgruppen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte dieser Redaktion, seine Partei wolle „zielgenaue Entlastungen“ durchsetzen.

„Gerade Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, über nur kleine Renten oder geringe Einkommen verfügen, brauchen Unterstützung am drängendsten“, sagte auch Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann. Gutverdiener müssen also damit rechnen, die Krisenkosten zu einem großen Anteil selbst schultern zu müssen.

Diskutiert wird ebenfalls, die Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro auch an Rentner zu überweisen. Diese schon beschlossene Zahlung erhalten bisher nur Arbeitnehmer – zur Empörung vieler Rentner. Konkrete Pläne der Regierung für direkte Zahlungen liegen noch nicht vor.

Steuersenkungen

Steigen die Preise für Sprit, Milch oder Fleisch, nimmt der Staat auch mehr Steuern ein – und profitiert von der Krise. Finanzminister Christian Linder (FDP) mahnt deswegen: „Der Staat darf sich an der Inflation nicht bereichern.“ Lindner will durch Anpassungen im Steuersystem dafür sorgen, dass Gehaltserhöhungen nicht durch die Inflation aufgefressen werden (kalte Progression). Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) geht deutlich weiter: Er fordert neben flacheren Tarifen bei der Einkommensteuer nun auch eine massive Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom, Benzin, Heizen und Nahrungsmittel.

Von einer niedrigeren Mehrwertsteuer würden alle Verbraucher profitieren. Das widerspräche aber der Forderung von SPD und Grünen, dass sich kommende Entlastungen auf die unteren Einkommensklassen konzentrieren. Je nach Ausgestaltung würde ein solcher Schritt den Bund Milliarden kosten.

Nahverkehrs-Ticket

Einmal in Fahrt preschte Söder auch beim Thema Mobilität vor. „Mein Vorschlag wäre ein 365-Euro-Jahresticket für den gesamten öffentlichen Personennahverkehr in ganz Deutschland“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Das von der Koalition beschlossene 9-Euro-Ticket läuft Ende August aus. Der bundesweit gültige Schnäppchenfahrschein war ein Riesenerfolg, nun wird über Nachfolgemodelle diskutiert. Allerdings stellt sich dabei wiederum die Kostenfrage: Für das 9-Euro-Ticket zahlt der Bund 2,5 Milliarden Euro an die Länder.

„Wir werden all das genau prüfen und evaluieren, auch eigene Modelle durchrechnen und mit den Ländern beraten“, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) dieser Redaktion. „Wir müssen uns genau anschauen, zu welchem Preis man ein solches Ticket deutschlandweit anbieten könnte.“ Auch Haßelmann forderte: „Hier sind jetzt Bund und Länder gemeinsam gefragt, Ideen zu entwickeln, wie ein dauerhaftes, attraktives Angebot aussehen kann.“

Schutzschirm für Mieter

Die Grünen fordern neben einem Kündigungsmoratorium für Mieter auch ein Aussetzen von Strom- und Gassperren für säumige Kunden. Dagegen gibt es allerdings Widerstand aus der FDP: „Ich bin im Zweifel, ob ein pauschales Moratorium für Strom- und Gassperren eine gute Idee ist“, sagte Justizminister Marco Buschmann. „Denn von einem solchen Moratorium profitieren dann ja auch Menschen, die die Kosten eigentlich tragen können.“

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